Leitartikel

„Es dreht sich um mehr als Touristen und Bier“

Es dreht sich um mehr als Touristen und Bier

Es dreht sich um mehr als Touristen und Bier

Nordschleswig/Sønderjylland
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Das deutsch-dänische Grenzland zahlt in der Corona-Krise einen höheren Preis als andere Regionen, meint Chefredakteur Gwyn Nissen

Wann können deutsche Touristen in den Urlaub nach Dänemark reisen? Und wann können Dänen wieder zum Einkauf nach Deutschland? Und Deutsche zum Hotdogessen nach Süderhaff? Wenn von der deutsch-dänischen Grenze – und von der Grenzschließung – die Rede ist, entsteht oft der Eindruck, dass es sich nur um Bier und Tourismus dreht.

Doch dabei ist das Grenzland viel mehr als eine touristische Einkaufsdrehscheibe. Es ist eine Region, die kreuz und quer verbunden ist. Durch Freundschaften, Familien, Geschäftsverbindungen, Netzwerke und Bekanntschaften.

Durch die Grenzschließung erleben die dänische und die deutsche Minderheit, die noch engere Beziehungen über die Grenze hinweg haben, dass die Nabelschnur zur Heimat durchtrennt worden ist.

Darauf machten am Freitag die beiden Minderheiten in einem offenen Brief an Staatsministerin Mette Frederiksen aufmerksam – und zwischen den Zeilen wohl auch an ihre 178 Kollegen im dänischen Folketing. Es entstehe der Eindruck, dass Touristen wichtiger seien als die Menschen, die im Grenzland leben, so die Minderheiten.

Viele außerhalb des Grenzlandes verstehen das Grenzlandleben einfach nicht. Sie verstehen nicht, dass Grenzkontrollen ein Problem sind – und eine Grenzschließung erst recht. Man könne doch schließlich in Dänemark einkaufen, und wie schlimm kann es sein, an der Grenze warten zu müssen. Man muss doch nicht unbedingt über die Grenze.

Den Kopenhagenern müsste man einen Tag lang einen Stadtteil abgrenzen: Frederiksberg ist jetzt für alle zu, niemand kommt rein oder raus, es sei denn, man hat einen anerkennungswürdigen Grund. Familie, Partner oder Freunde besuchen, in Restaurants oder Cafés gehen, Sport treiben oder einfach spazieren gehen? Geht nicht. Und an allen Anfahrtswegen Absperrungen und Kontrollen.

Die würden staunen.

Aber genau das ist unser Grenzlandalltag. Alle Verbindungen sind abgerissen. Das ist andernorts in Dänemark unvorstellbar, weil sie dort nur Bier, Wein, Schokolade und vielleicht deutsche Touristen im Kopf haben, wenn es sich um die Grenze handelt.

Das Grenzland zahlt in der Corona-Krise einen höheren Preis als andere Regionen des Landes. Dazu sind wir auch bereit – bis zu einem gewissen Punkt, wo es keinen Sinn mehr ergibt. Die Gesundheit muss natürlich gewährleistet sein, doch sowohl in Nordschleswig als auch in Südschleswig scheint die Situation unter Kontrolle.

Wenn das der Fall ist, sollte einer kontrollierten, schrittweisen Grenzöffnung also nichts mehr im Wege stehen. Nicht des Bieres wegen, sondern weil wir hier miteinander und füreinander leben.

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