Leitartikel

„Der erste Schultag“

Der erste Schultag

Der erste Schultag

Apenrade/Aabenraa
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Der Schulstart in dieser Woche ist auch der Start für neue Kritik an den Schülern und am Schulwesen. Eltern, Politiker und auch die Medien sollten sich nicht in Schulangelegenheiten einmischen, findet Gwyn Nissen.

Überall in Dänemark ertönen diese Woche die Klingelzeichen: Die Sommerferien sind vorbei, und der Ernst des Lebens geht für Tausende von Kindern an den Schulen weiter. Die meisten Kinder freuen sich auf den Schulbeginn – sind sie doch eine Klasse weiter und nähern sich – bewusst oder unbewusst – dem Ende eines erstens Lebensabschnitts. Für einige Schüler geht es sogar auf einer ganz neuen Schule weiter, und so wird der  Schuljahreswechsel für sie noch deutlicher.


Genauso sicher wie das Klingelzeichen zum Schulbeginn  ist aber auch der Medienrummel um die Schule. Montagmorgen pünktlich zum Schulbeginn war keine Ausnahme: dänische Schüler können nicht rechnen, sie tasten Zahlen in einen Computer und bekommen die richtige Antwort, kennen aber nicht die Zusammenhänge, hieß es im Radio. Also raus aus dem Klassenzimmer mit dem ganzen IT.


Morgen könnte eine Überschrift heißen: Die Schüler können keine Fremdsprachen mehr. Mittwoch lautet die Schlagzeile: Kinder schwächeln im Sportunterricht. Und Donnerstag ... na, such dir selber eine Überschrift  aus. Hauptsache  Schule, Lehrer und Schüler  hinken in irgend einer Studie oder einem europäischen Vergleich hinterher.    Und  außerdem war früher sowieso alles besser – das wissen wir ja. Wir, die von früher Erfahrung und Weisheit mit in die Zukunft gebracht haben.


Vielleicht geht es aber auch anders. Vielleicht  lassen Medien, Politiker und Eltern Schule Schule sein und überlassen den Profis ihr Geschäft. Wenn wir beim Bäcker einkaufen, beginnen wir auch keine Diskussion, wie er sein Brot backen sollte. Dem Handwerker sagen wir nicht, wie er seinen Job erledigen soll, und dem Steuerberater auch nicht. Ist zu kompliziert.


Aber Schule, darauf haben wir alle Verstand und sind Experten. Immerhin waren wir alle mindestens zehn Jahre dort. Einige bringen es sogar auf 13 Jahre und  legten vielleicht sogar noch ein Jahr obendrauf – eine kleine  Ehrenrunde. So viel Erfahrung – das macht einen fast zum Über-Experten.


Die neue Unterrichtsministerin Pernille Rosenkrantz-Theil (Soz.) hat diese Woche alle Lehrer in den Volksschulen angeschrieben. Sie will von politischer Seite wieder Vertrauen zu den Lehrern aufbauen. Zurecht. Die Politik müsse aber auch den Eltern zuhören, so die Ministerin. Da bin ich mir allerdings nicht so sicher – denn was wissen wir schon über modernen Unterricht und Pädagogik. Was früher vielleicht gut war, muss heute nicht mehr richtig sein.  Auch wenn wir uns als Experten betrachten, wenn es um unsere Kinder geht. Vielleicht gibt es doch einen Grund, warum eine Ausbildung als Lehrer oder Pädagoge viele Jahre dauert. Vielleicht machen wir uns darüber Gedanken, nächstes Mal, wenn wir die Schule retten.

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