Leitartikel

„Dynastie mit Zunge “

Dynastie mit Zunge

Dynastie mit Zunge

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Die Dynastie Ellemann-Jensen greift jetzt nach der Macht und der neue Venstre-Vorsitzende, der sicherlich dieses Startfenster für sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht hätte öffnen wollen, wird ein echter Herausforderer für Staatsministerin Mette Frederiksen, meint Siegfried Matlok.

Dynastien sind ja aus feudal-royalem Holz geschnitzt, aber auch in der Politik ist dieser Begriff schon längst bekannt. Vor allem aus der amerikanischen, wo ja die Kennedys, die Bushes und die Rockefellers jene politische Erbfolge repräsentierten, die offenbar per Name und Geburt stets Anspruch auf höchste Ämter hatten.

In Dänemark heißt es in einem bekannten Lied ja so schøn: „på jorden at blive det tjener os bedst“, was ausdrückt, dass man mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben sollte. Aber auch dieses Land hat nicht nur seine monarchischen Dynastien, sondern seit Jahrhunderten auch politische „Herrschaftshäuser“.  In Zeiten des Gesamtstaates waren es Namen wie Schimmelmann, Rantzau, Moltke und Bernstorff, die – mit deutschen Wurzeln – dänische Politik  geprägt und bestimmt haben.

Die Familie Scavenius ist ein jüngeres Beispiel, Erik Scavenius gehört zu den wohl umstrittensten Regierungschefs im Lande, der Dänemark in schwieriger Besatzungszeit zu manövrieren suchte. Seitdem hat es andere Namen gegeben, die dynastische Züge hatten. Christmas Møller, Poul Møller, Aksel Møller, Pia Christmas Møller und Per Stig Møller stammen alle aus einer Familie, bei den Radikalen ist der Name Helveg Petersen noch heute heilig.

Auch die – angeblich republikanischen – Sozialdemokraten wanderten innenpolitisch auf diesen Spuren; man denke nur an die Familie Hækkerup, beginnend mit dem früheren Außenminster Per und seinem Bruder Hans als Innenminister und bis heute, wo Nick Hækkerup das Amt des Justizministers bekleidet. Vorübergehend gab  es sogar drei Hækkerups im Folketing.

Nun meldet eine andere Dynastie in der oberen Rangliste Führungsansprüche an: es ist die Familie Ellemann-Jensen, da Jakob Ellemann-Jensen, zuletzt Milieu-und Lebensmittelminister, nun als neuer Parteivorsitzender von Venstre  als Nachfolger von Lars Løkke gekürt werden soll.  Bei diesem Namen denkt man aktuell an seine Schwester Karen, die bereits mehrfach Minister-Ressorts geleitet hat,  älteren Lesern wird gleich der berühmte Name des Vaters einfallen – Uffe Ellemann-Jensen. Die meisten werden jedoch vergessen haben, dass diese Dynastie durch Uffes Vater,  Jens Peter Jensen, gegründet wurde, der  nicht nur legendärer Redakteur war, sondern auch viele Jahre mit höchsten persönlichen Stimmenzahlen Venstre auf Fünen im Folketing vertrat.

Wenn nämlich in diesen Tagen so oft von Uffe und Jakob Ellemann die Rede ist, so stammt jenes Talent des  verschmitzt-pfiffig-trickreichen Humors, der Uffe auszeichnete und der auch seinem Sohn Jakob  nachgesagt wird, aus der DNA von Schlitzohr Jens Peter.

Uffe als Außenminister (angeblich war er ja der beste Staatsminister, den Dänemark nie bekommen hat!) fiel nicht nur in innenpolitischen Debatten durch Witz, Charme und Frechheit auf, sondern hinterließ auch international mediale Spuren durch seine Schlagfertigkeit.  Sein Spruch „If you can´t beat them, join them“  vor dem EM-Finale im Fußball in Göteborg zwischen Dänemark und Deutschland unmittelbar nach dem dänischen Nein beim Referendum zum Maastrichter EU-Vertrag ist zum Klassiker geworden.

Dynastische Rechte gibt es in der dänischen Politik nicht, aber natürlich hat der Name Ellemann-Jensen einen guten Klang. Das mag hier und dort – vor allem in der Venstreschaft – ein Vorteil sein, aber letztlich muss Jakob Ellemann-Jensen liefern, was seinem Vater nicht gelang, weil ihm auf den Färöern einige hunderte Stimmen zum Machtwechsel fehlten. Vater Uffe wird sicherlich nicht im Hintergrund die Fäden ziehen, aber Erfahrung ist nicht zu verachten und gute Ratschläge in der Familie auch nicht.

Jakob Ellemanns rhetorische Stärke sichert ihm persönliche Integrität und Glaubwürdigkeit, aber sie kann auch gefährlich werden. Uffe hätte sicherlich mit rückwirkender Kraft hier und dort in seiner politischen Karriere auch lieber den Mund gehalten, statt durch eine lose Zunge so manche Krise auszulösen. Und die dänische Medienwelt, die heute noch aggressiver aufgestellt ist als zu Uffes Zeiten,  wird den neuen Spitzen-Ellemann nicht nur kontrollieren, sondern auch kritisch jagen. Das hat schon sein Vater bitter, ja verhängnisvoll erlebt.

Die Dynastie Ellemann-Jensen greift jetzt nach der Macht und der neue Venstre-Vorsitzende, der sicherlich dieses Startfenster für sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht hätte öffnen wollen,  wird ein echter Herausforderer für Staatsministerin Mette Frederiksen. Er hat zweifelsohne das Zeug, um jenen Thron zu besteigen, von der jede Dynastie träumt, der aber heute trotz/wegen  Namens nicht so einfach in den Schoß fällt!

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