Leitartikel

„Du darfst“

„Du darfst“

„Du darfst“

Apenrade/Aabenraa
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Dadurch, dass wir so viel über das Klima reden, werden vielleicht einige andere Aspekte übersehen. Aber immerhin reden wir gerade über ganz grundlegende Themen des Lebens: Wie ernähren wir uns, wie kommen wir von A nach B, wie halten wir uns warm. Das ist wichtig, meint Cornelius von Tiedemann.

Jetzt also Fleisch und Flugzeuge: Aus der Politik kommen immer wieder Forderungen nach Abgaben auf bestimmte Produkte, um deren Konsum einzugrenzen. Die Klimadebatte heizt diese Ideen derzeit besonders an. Die Menschen sollten weniger Fleisch essen – also soll Fleisch teurer werden. Sie sollen weniger fliegen – also soll Fliegen teuerer werden.

Es gibt gute Gründe dafür – es gibt gute Gründe dagegen, in beiden Fällen. Wenig beachtet wird dabei in so mancher Debatte die Frage nach dem eigentlichen Wert der Dinge und ob wir diesen Anerkennen. Und vielleicht ist es die Schraube, an der gedreht werden sollte. Ja, es ist eine große, schwergängige Schraube, die keinen unmittelbaren Ertrag bringt. Dafür ist sie, um mal dieses merkwürdige Wort zu gebrauchen, „nachhaltig“.

Ein Tier, und hier wird es jetzt nur ganz kurz feierlich, ist ein Lebewesen (fast) wie wir selbst – mit Gefühlen, mit Bedürfnissen und mit nur einem einzigen Leben. Ihm dieses zu nehmen, um uns zu ernähren, sollte seinen Preis haben. Einen, der deutlich höher ist als der, den wir inzwischen bereit sind zu zahlen, damit Hack in die Nudelsoße, Salami auf die Pizza oder Wurst aufs Brot kommt. Durch Steuern, die letztlich ja auch nicht direkt den Tieren und Landwirten zugutekommen, wird vielleicht der Konsum reguliert – aber die Einstellung nicht verändert. Es geht nicht um Scham, um Strafe – sondern um Wertschätzung.

So auch beim Fliegen. Von „Flugscham“ ist in manchen Kreisen in Deutschland ja schon die Rede, wenn Leute irgendwie drumherumzureden versuchen, dass sie mit dem Flieger im Urlaub waren, weil das ja eben völlig verantwortungslos sei, so rein klimamäßig. Doch wer mit Billigfliegern unterwegs ist, belastet nicht nur die Umwelt mehr, als wenn er  anders reist, er (oder sie) unterstützt auch die systematische Unterbezahlung des Personals dieser Airlines. Mit anderen Worten: Weil wir mit dem Billigflieger nach Mallorca jetten, kann der Flugbegleiter sich kein Bio-Fleisch leisten. Das könnte er sich aber auch nicht leisten, wenn der Staat die Flüge besteuern würde, weil er von den Steuern nichts abbekäme – und im Zweifel keinen Job mehr hätte, weil wir weniger fliegen würden. Verflixt und zugenäht!

Eltern und Lehrer kennen das Problem: Menschen zur Vernunft zu bringen, ist eine der größten Herausforderungen überhaupt. Vielleicht ist es sogar, so insgesamt betrachtet, ganz unmöglich. Versuchen sollten wir es aber – indem wir Alternativen schaffen, die Spaß machen, die Sinn ergeben. Züge, die schnell und erschwinglich durch ganz Europa sausen. Ernährungstrends, nicht nur in den hippen Großstadtquartieren, die auf weniger und dafür besseres Fleisch setzen. Konsum, der es uns leicht macht.

Dadurch, dass wir so viel über das Klima reden, werden vielleicht einige andere Aspekte übersehen. Aber immerhin reden wir gerade über ganz grundlegende Themen des Lebens: Wie ernähren wir uns, wie kommen wir von A nach B, wie halten wir uns warm. Das ist wichtig, und das führt vielleicht dazu, dass wir irgendwann so vernünftig werden, wie die Abgaben uns machen sollen. Zentral dabei ist vor allem, keine neuen Spalte in die Gesellschaft zu treiben, Menschen nicht aufzuteilen in Fleischesser und Vegetarier, Flieger und Bahnfahrer, Gut und Böse. Auch wenn es alles möglichst schnell gehen muss, es wäre doch schön, wenn der geniale Werbespruch dieser deutschen Light-Produkte damals auch für unseren sanften Wandel vom Klimasaulus zum CO2-Paulus gelten würde: „Ich will so bleiben wie ich bin – ...“

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