Leitartikel

Doppelte Moral mit Gasmaske

Doppelte Moral mit Gasmaske

Doppelte Moral mit Gasmaske

Peter Lassen
Peter Lassen Hauptredaktion
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Das Titelblatt des Coop-Magazins Samvirke. Foto: Samvirke

Eine Werbekampagne, wie sie Coop zusammen mit Danmarks Naturfredningsforening (DN) aktuell im Köcher hat, schießt wahrlich übers Ziel hinaus und verunglimpft jahrelange Agrartradition im Landwirtschaftsland Dänemark, meint Peter Lassen.

Man darf sich wirklich wundern, dass Coop überhaupt andere Waren als ökologische verkauft. Ob das etwas damit zu tun haben könnte, dass der Einzelhandelsriese – trotz Umwelt-Heiligenscheins –  auch doppelte Moral im Angebot hat?  Es wundert schon, dass das Unternehmen sich ausgerechnet mit den teilweise doch sehr rabiaten dänischen Naturschützern zusammengetan hat, um die Verbraucher zu erziehen: „Heute kannst du von Spritzmitteln befreit werden. Mach deinen Oktober zum Øktober.“

Diese Wahl hat der Verbraucher in reichlichem Maße auch bei Netto, Føtex, Spar oder wie alle die Ketten heißen, die ebenfalls kräftig Werbung  machen für Ökologie. Aber eine Werbekampagne, wie sie Coop zusammen mit Danmarks Naturfredningsforening (DN) aktuell im Köcher hat, schießt wahrlich übers Ziel hinaus und verunglimpft jahrelange Agrartradition im Landwirtschaftsland Dänemark.

Als seien wir schon so weit gekommen, dass Familien in Schutzanzügen und mit Gasmasken am Tisch sitzen und Pestizide  konsumieren. Zu Recht gibt es auch außerhalb der Landwirtschaft Proteste gegen diese an einem „grünen“ Kopenhagener Schreibtisch erdachte Kampagne. Auch intern bei Coop: Man habe nicht mit einem solchen Effekt gerechnet. Die Bilder seien zu stark.  Entschuldigungen in eigener Sache gibt es genug. Diese von einigen gar als Hetzkampagne bezeichnete Öko-Invasion wird sicherlich auch auf die zukünftige Struktur der Coop-Kette Auswirkungen haben. Denn  die Coop-Läden auf dem Land wollen ihre Kunden nicht anpinkeln, sondern weiter begrüßen können.

Apropos: Da schrieb die ehemalige Lehrerin, Bauersfrau Lis Mikkelsen aus Toftlund, gestern in einem interessanten Standpunkt in  Jyllands-Posten, dass „ihr Laden“  sich nicht in ihre religiösen, politischen oder gefühlsmäßigen Verhältnisse einzumischen hat: „Mein Laden soll die Waren haben, die ich kaufen will – und etwas mehr. Ich will von Coop nicht erzogen werden.“

Die dänischen Landwirte würden unter strengen Restriktionen Qualitätswaren liefern. Sie vermisse Lobpreisungen dieser in ihrem Laden. Schwedische Forscher hätten aufgezeigt, dass Ökowaren weder gesünder noch umweltfreundlicher seien als gewöhnliche Agrarprodukte. Ökologie ist für viele sicher eine Glaubensfrage, und in Dänemark beruft man sich immer auf Glaubensfreiheit und darauf, dass man andere nicht diskriminieren soll. Nur für traditionelle Landwirte scheint dies nicht zu gelten. Diese werden insbesondere immer wieder vom (un-)kommerziellen Partner von Coop, DN, als Prügelknabe und Tierschänder hingestellt. Um es grob zu sagen: als Umweltschweine.

Bleibt der Vorschlag, dass Coop sich nicht nur im Øktober den Heiligenschein aufsetzt, sondern zukünftig nur an Kunden verkauft, die per Fahrrad oder zu Fuß kommen. Kein Benzin, keine Avocados aus nicht nur an Wasser armen Regionen, kein  Fleisch oder Gemüse aus dem Ausland – und eventuell nur mit der Hand gemolkene Milch.

Sollte man Profit doch über Glauben stellen, müsste Coop zumindest gleich am Eingang Schutzanzüge und Gasmasken verteilen an die Kunden.

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