Leitartikel

„Bayrische Lehren“

„Bayrische Lehren“

„Bayrische Lehren“

Apenrade/Aabenraa
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Markus Söder (CSU), MInisterpräsident von Bayern Foto: dpa

Løkke hatte sich, von den deutschen Medien kaum beachtet, in den Wahlkampf in Bayern eingemischt. Er besuchte die CSU-Fraktion bei einer Tagung in Brandenburg und gab ihr Ratschläge dazu, wie vor allem in der Asylpolitik vorzugehen – und zu argumentieren sei. Genützt habe es der CSU nichts, meint Cornelius von Tiedemann.

Die Landtagswahl in Bayern – sie hat ein Beben ausgelöst, das auch in Kopenhagen noch zu spüren ist. Das ist schon bemerkenswert. Genauso, wie der Umstand, dass die dänischen Medien  schon im Vorfeld vergleichsweise ausführlich über das Land von „Laptop und Lederhose“ oder „reich und sexy“, wie Weekendavisen schrieb, berichteten. Das Fazit: Das Schicksal der großen Koalition, die Zukunft Angela Merkels und gar Europas – sie stehen nach dem Beben aus Bayern auf einem bröckeligen Fundament. Das sorgt auch in Kopenhagen für Sorge. Regierungschef Lars Løkke Rasmussen (Venstre), der in deutschen Medien bisweilen als „Gegner Merkels“ bezeichnet wird, aber natürlich in ihrem Team spielt, hat sich in seiner Europa-Rolle als quirliger rechter Außenstürmer wohlgefühlt, der, gemeinsam mit Österreich, die EU-Staaten im Osten davon zu überzeugen wusste, dass für ihre nationalkonservativen Haltungen auch im Westen Verständnis herrscht. 

Doch wenn mit Merkel die Nummer 6 des Europäischen Spiels wegbricht, die, die die Fäden zusammenhält, die Bälle abfängt und verteilt, um im Fußball-Bild zu bleiben – dann ist da vielleicht niemand mehr, der Løkkes Laufwege absichern kann. Sollte sich in Berlin eine Flügel-Regierung bilden, die die Mitte nicht mehr abdeckt, droht das gesamte System auseinanderzubrechen. Das kann nicht im Interesse Dänemarks sein. Und: Ohne Ballbesitz könnte auch der schillernde liberale Zehner Emmanuel Macron nicht mehr zaubern.  

Ob das bayrische Beben nun solch zerstörerische Kraft hat, ob es wachrüttelt oder einfach nur vorüberzieht wie ein Gewitter – das liegt selbstverständlich auch daran, was die Politiker daraus machen. Die in München, in Berlin – und in Kopenhagen. Ziehen sie, wie sonst üblich, die Lehren, die ihnen am besten ins Konzept passen, die mit den Ursachen aber wenig zu tun haben – oder analysieren sie konsequent, wie der seit dem Brexit befürchtete Untergang des westlich-demokratischen Abendlandes (und der Parteien, die dieses repräsentieren) verhindert werden kann.

Løkke hatte sich, von den deutschen Medien kaum beachtet, in den Wahlkampf in Bayern eingemischt. Er besuchte die CSU-Fraktion bei einer Tagung in Brandenburg und gab ihr Ratschläge dazu, wie vor allem in der Asylpolitik vorzugehen – und zu argumentieren sei. Genützt hat es der CSU nichts. Die AfD und die Freien Wähler haben ihr die Stimmen nur so abgesaugt –  trotz – oder wegen – aller Anbiederung an den ganz rechten Rand. Auch das eine Lehre aus Bayern: Unzufriedene Wähler wählen lieber das Original als die schauspielernde Volkspartei. Auch in Dänemark ist, aller Bemühungen der bürgerlichen und roten Parteien zum Trotz, nichts davon zu spüren, dass Wähler den rechten Rand verlassen, weil sich die anderen Parteien plötzlich xenophob geben.  

Dass diese Lehre aus dem Beben in Kopenhagen gezogen wird, ist allerdings wenig wahrscheinlich. Schließlich hat's dann doch nur irgendwo gegrummelt, da unten. Merkel wird's schon richten. Oder?

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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