Leitartikel

„Augen zu und durch“

Augen zu und durch

Augen zu und durch

Apenrade/Aabenraa
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In Brüssel soll in Kürze eine gemeinsame Flüchtlingspolitik definiert werden. Vielleicht mit Zugeständnissen an Moral und Solidarität. Der dänischen Regierung könnte das in die Karten spielen, meint Cornelius von Tiedemann.

Seit 2008 haben nicht mehr so wenige Menschen in Dänemark Asyl beantragt wie im Jahr 2019. 2.700 Menschen waren es im Vergleich zu 17.200 Menschen vier Jahre zuvor. Dänemarks Ausländer- und Integrationsminister Mattias Tesfaye (Soz.) feiert das als „gute Nachricht“, weil dann die dänischen Ressourcen besser in den Krisengebieten selbst eingesetzt werden könnten – und weil man sich jetzt noch intensiver darum kümmern könne, diejenigen Asylbewerber, deren Antrag abgewiesen wurde, abzuschieben.  

Doch das Problem ist noch lange nicht vom Tisch. Denn während die Asylbewerberzahlen in Dänemark stark rückläufig sind, haben Länder wie Griechenland wieder deutlich mehr Zulauf von Menschen aus Krisengebieten. Laut Grenzzschutzbehörde Frontex sind in 2019 mit 82.000 doppelt so viele Flüchtlinge wie 2018 über die Türkei nach Griechenland und somit in die EU gekommen.

Und in dieser  EU steht das Thema auch deshalb ganz oben auf der Tagesordnung. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat es zu einem von drei Spitzenthemen für ihre Amtszeit gemacht – um Nachhaltigkeit zu erreichen. Die große Frage dabei ist, was die EU für eine Gemeinschaft sein will. Nach innen – Stichwort Solidarität, und nach außen – Stichwort Menschenrechte.
Letztere stehen in vielen Mitgliedsstaaten schon längst zur Disposition – und auch in Dänemark verstummen die Stimmen jener nicht, die sie für obsolet halten, sobald sie tatsächlich in ihrem eigentlichen Sinne eingefordert werden – nämlich als allgemein und für jeden gültig, nicht nur für „uns“.

Für uns in Dänemark, für uns in Europa. In Kürze schon soll es also so weit sein – die EU-Kommission will Anfang März ihr Konzept einer Asylreform vorstellen. Dabei könnte es sein, dass jenen, die beim Stichwort Menschenrechte andere Ansichten haben als die, die bisher in den westlichen Demokratien als einzig hinnehmbar galten, Auswege geboten werden. Und dabei soll der Begriff Solidarität diesmal flexibler ausgelegt werden als bisher.

Die völlig logische und gerecht erscheinende Idee, dass alle EU-Staaten ein bestimmtes Kontingent an Flüchtlingen aufnehmen sollen, ist nicht mehr durchsetzbar. Jetzt, so heißt es, soll möglicherweise der Ausweg geboten werden, dass Länder, die partout keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, stattdessen auf EU-Mittel verzichten können – oder Ausgleich an jene Länder zahlen, die Flüchtlinge aufnehmen.

Noch sträubt sich vor allem Deutschland vor einem solchen Handel. Doch für die dänische Regierung könnte er ein willkommener Ausweg sein, um nach dem bewährten Prinzip „Augen zu und durch“, bzw. „Grenzen zu und durch“ weiter zu verfahren. Denn Europa wird in Kopenhagen vor allem innenpolitisch gedacht – und da soll das Bild eines vor jeglichem Einfluss von außen geschützten Landes möglichst unbeschadet aufrechterhalten werden.

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