Leitartikel

„Mit alter Macht“

Mit alter Macht

Mit alter Macht

Apenrade/Aabenraa
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Cornelius von Tiedemann ist nicht sehr optimistisch, dass sich die Europäische Union auf ein Rahmenwerk zum Schutz nationaler Minderheiten wird festlegen können. Doch um den Frieden in Europa zu stabilisieren, sei es unabdingbar, die Forderungen der Minderheiten im MSPI-Paket umzusetzen, meint er.

Die neue Europakommission steht – und hat erstmal, wie berichtet, den Termin verschoben, an dem die Initiatoren der Minderheitenrechte-Initiative MSPI mit ihr zusammenkommt. Für das Ziel, die Rechte nationaler Minderheiten in der EU zu verankern, für das mehr als 1,1 Millionen verifizierte Unterschriften gesammelt wurden, ist das möglicherweise eine gute Nachricht. Doch Grund zum Jubeln gibt es noch immer – und noch lange – nicht.

Vom kommenden Jahr an müssen erfolgreiche Bürgerinitiativen auch im Europaparlament diskutiert werden. Das ist gut für die MSPI, denn im Parlament sitzt zum Beispiel der maßgeblich an der Initiative beteiligte Präsident der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN), Loránt Vincze.

Ob er und andere Parlamentarier, die der Sache der Minderheiten wohlgesonnen sind, mithilfe einer durchaus möglichen Parlamentsmehrheit Gesetze auf den Weg bringen werden, die alle europäischen Instanzen überstehen, kann zum jetzigen Zeitpunkt jedoch unmöglich vorhergesagt werden. Der Optimismus ist, nach den Erfahrungen mit der alten EU-Kommission, die zum Teil personell und im Geiste auch die neue ist, mit „äußerst vorsichtig“ schon, ja, optimistisch beschrieben.

Immerhin: Auch wenn das Thema Katalonien noch längst nicht gegessen ist – in den Köpfen der Menschen, und das sind Politiker schließlich auch in erster Linie, ist die Gleichsetzung Minderheit=Seperatismus glücklicherweise nicht mehr so präsent wie noch vor einer Weile. Und wer sich das MSPI-Paket einmal durchliest, der wird ohnehin begreifen müssen, dass das Anerkennen von Minderheiten weit mehr innere Stabilität schafft, als es Unterdrückung und daraus folgende Konflikte jemals können.

Politiker aus ganz konservativen Kreisen stehen ebenso hinter der Initiative wie viele Rote, Liberale oder Grüne. Doch wird das reichen? Gegen den Ministerrat geht schließlich nichts, und der besteht aus den Regierungen der Nationalstaaten. Aus jenen Regierungen also, die es in manchen Fällen gar nicht gerne hätten, wenn Brüssel in Zukunft kontrolliert, ob nationale Minderheiten in ihren Ländern auch anständig behandelt werden.

Da ist es noch immer äußerst bedauerlich, dass neben Dänemark ausschließlich in süd- und osteuropäischen Ländern die erforderliche Anzahl an Unterschriften für das Vorhaben gesammelt wurde. Faktisch macht das keinen Unterschied – die kritische Gesamtzahl wurde erreicht, die Initiative hatte Erfolg und muss nun von der EU behandelt werden.

Doch es wäre schon ein schönes Signal gewesen, wenn auch die Menschen zum Beispiel in Deutschland in ähnlicher Weise hätten mobilisiert werden können, wie die in Dänemark. Der hiesige Erfolg ist vor allem den Akteuren aus dem Haus Nordschleswig und ihren Mithelfern zu verdanken – und natürlich den vielen dänischen Mitbürgern, die sich nicht lumpen ließen, für die Sache der Minderheiten zu unterschreiben.

Schade, dass es den Minderheiten in Deutschland, aus welchen Gründen auch immer, nicht gelungen ist, für die nötige Aufmerksamkeit zu sorgen – und schade auch, dass aus Frankreich und Großbritannien kaum Stimmen kamen.

Die Gründe dafür sind vielfältig, vielfach auch einfach organisatorischer Natur, und nicht alleine mit „es geht uns im Westen einfach zu gut“ zu beantworten. Denn um die Gleichstellung von Minderheiten muss immer und überall gekämpft werden.

Doch die (wissenschaftlich belegte!) Erkenntnis, dass es einem selbst besonders dann gut geht, wenn man dafür sorgt, dass es anderen gut geht – sie muss sich offenbar auch in Minderheitenkreisen erst noch durchsetzen.

Aus Minderheitensicht – und auch aus Sicht aller, die Frieden stabilisieren und Konfliktpotenzial im Keim ersticken wollen – gilt es jetzt, die letzten Wochen bis zum neuen Termin mit der Kommission zu nutzen, um in Straßburg und Brüssel und bei den nationalen Regierungen weiter die Werbetrommel zu rühren – und vielleicht auch prominente Fürsprecher zu mobilisieren.

Es kann doch nicht angehen, dass sich Europa diese historische Chance entgehen lässt.

 

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