Leitartikel

„Absurdistan “

Absurdistan

Absurdistan

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Siegfried Matlok thematisiert in seinem Leitartikel den Umgang der neuen dänischen Regierungschefin mit dem jüngsten Vorhaben des US-Präsidenten Donald Trump, Grönland zu kaufen.

Nach der für die Sozialdemokraten erfolgreichen Folketingswahl fragten viele „Mette, who?“ vor dem Hintergrund eines Mangels an außenpolitischer Erfahrung der neuen Staatsministerin. Inzwischen dürfte sie sich wohl selbst ungläubig in den Arm kneifen, denn über Nacht ist Mette Frederiksen außenpolitisch weltberühmt geworden. Nach ihrem verbalen Streit mit dem US-Präsidenten – bloß kein Wortkrieg, wie sie betont – um das Trumpsche Sonderangebot, Grönland zu kaufen, hat sie sogar innenpolitisch an Statur gewonnen. Die Zustimmung aus dem weltweiten Anti-Trump-Lager verbindet sich mit ihrem glaubwürdigen Charakter-Auftritt, „selbst einem US-Präsidenten seine Grenzen aufzuzeigen“, wie es der Leitartikler der Tageszeitung „Die Welt“ voller Bewunderung kommentierte. Und – man lese und staune – sogar unter der Überschrift: „Dänemark, das bessere  Deutschland“.  

Ausgelöst durch das Wort „absurd“, mit dem die dänische Regierungschefin auf Grönland vor der Presse die Diskussion um den Trumpschen Deal beantwortet hatte. Worte sind ja gefährlich, und wenn man an frühere Äußerungen von Mette Frederiksen im gerade überstandenen Wahlkampf über Donald Trump denkt, dann war „absurd“ ja noch freundlich. Klar ist, dass sie als Regierungschefin eines Landes minderer Größe (jedoch nicht an Quadratkilometern!) nicht mehr das sagen kann, was sie so auf den Lippen hat, denn sie kann ja aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen. Die scharfen Kommentare der früheren, besonders mit Bush jun., Clinton und Obama so US-freundlichen Regierungschefs Anders Fogh-Rasmussen, Helle Thorning und Lars Løkke, der sogar von einem Aprilscherz im Weißen Haus sprach, zeigen eben den Unterschied zwischen der diplomatischen Wortwahl einer Staatsministerin und jenen, die eben in diesem Falle nicht die so schwere Last der Verantwortung tragen.  Nun gibt es aber bei aller Anerkennung für Mette Frederiksen auch Kritiker, die ihre Wortwahl als nicht angemessen bezeichnet haben. Im dänischen Fernsehen lief eine höchst seltsame Umfrage, in der das Wort „absurd“ mit dem Zitat „nasty“ (widerlich) gleichgestellt wurde, jenes disqualifizierende Wort, das der US-Präsident nicht nur auf Mette Frederiksen, sondern – in anderen Zusammenhängen – widerlich auch auf andere Frauen angewandt hat. Mag sein, dass absurd im Dänischen eher harmlos, geläufiger klingt als im amerikanischen Sprachverständnis, aber ehe einige sich bei diesem Vergleich vom Trumpschen Hochhaus stürzen,  darf man sich mal die Frage stellen: 

Was hätte die Staatsministerin denn dem mächtigsten Mann der Welt antworten sollen, ohne z. B. die jetzt noch wichtiger gewordene  Reichsgemeinschaft  mit der Insel im Nordatlantik aufs Spiel zu setzen? Hätte sie etwa lieber ganz schweigen sollen angesichts der politischen Herausforderungen/Provokationen durch den höchsten Vertreter der freien Welt, der nicht nur die territorialen Grenzen seines engen Verbündeten und Nato-Partners infrage stellt, sondern auch die Existenz eines ganzen Volkes mit einem Immobilienwechsel auf Manhattan verwechselt. Man darf sich in diesem Zusammenhang nicht einmal (wieder) so sehr über Trump wundern, vielmehr haben offenbar auch die diplomatischen Dienste transatlantisch versagt. Wer bei vollem Bewusstsein eine solche Frage und Absage an die Königin per Twitter übermittelt,  dem kann als Entlastung, nicht als Entschuldigung – mit größter Freundlichkeit –  nur mangelndes Wissen bescheinigt werden. Und man versteht gut, warum dieser arktische Streit jetzt vor allem Berlin und Paris alarmiert, wo Albträume mit schlimmsten Schreckensszenarien schlaflose Nächte bereiten. 

Staatsministerin Mette Frederiksen hat eine der schwersten außenpolitischen Krisen seit Jahrzehnten beeindruckend gemeistert: einerseits klare Haltung bewahrt und andererseits die sicherheitspolitische Bedeutung der USA als wichtigsten dänischen Verbündeten nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in Zukunft im Hinblick auf Grönland deutlich unterstrichen.  Ohne persönlichen Affront gegenüber dem Hausherrn im Weißen Haus, mit dem sie sich gestern bereits telefonisch „konstruktiv“ unterhalten hat, in der Sache sicherlich,  hoffentlich ohne Kniefall. 

Ob Trump also nun in nächster Zeit seine Reise nach Dänemark nachholt, bleibt abzuwarten. Der Empfang wird dann gewiss kühler ausfallen, als es jetzt sowieso der Fall gewesen wäre.  
Weiterhin gilt jedoch: „Welcome, Mr. President“.

Aber Absurdistan werden Sie hier nicht finden! 

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