Diese Woche in Kopenhagen

„Wie das Klima die Welt übernahm“

Wie das Klima die Welt übernahm

Wie das Klima die Welt übernahm

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Das Klima hat alle Bereiche erobert. Was sich auch in der schriftlichen Regierungsgrundlage der neuen Regierung widerspiegelt, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen.

Ich hatte mir fest vorgenommen, heute über Margarethe Vestager zu schreiben, die in diesen Minuten noch hoffen kann, als erste Frau und erste Dänin den machtvollen Posten als EU-Kommissionspräsidentin zu erhalten. Doch nach alter Brüssel-Manier wird weiterhin verhandelt, Stunde um Stunde. Falls ich heute noch rechtzeitig zur „Print-deadline“ des Nordschleswigers fertig werden möchte, dann muss ich mir ein neues Thema suchen: Und was bietet sich derzeit mehr an, als das alles überlagernde Thema, das in Kattowitz wie in Kerteminde gleichermaßen diskutiert wird: Das Klima.

Eine Geschichte aus dem zurückliegenden Wahlkampf versinnbildlicht, wie das Klima-Thema alle Politiker derzeit überrollt. Als Mette Frederiksen in Aalborg einen Termin im dortigen Gymnasium absolvierte, wurde sie gefragt, woher denn die Rosen kämen, die sie immer verteile, da sie sicher wisse, dass die Rosenproduktion sehr, sehr klimaschädlich sei. Mette Frederiksen versuchte es nach alter Politikermanier, wenn man keine Antwort parat hat, versucht man es mit einem Scherz: Die Rosen, die kämen natürlich aus ihrem Garten.

Der Witz (die Rosen kommen natürlich nicht aus ihrem Garten) kam nicht besonders gut an, die Schüler wollten die Klimabilanz der Rosen diskutieren. Das mag für Mette Frederiksen ein weiterer Beleg dafür gewesen sein, wie emotional das Klima besetzt ist. Hier ist ein Thema, das man nicht mehr weglächeln kann. Das Klima hat alle Bereiche erobert. Was sich auch in der schriftlichen Regierungsgrundlage der neuen Regierung (unterzeichnet auch von Radikale Venstre, SF und Enhedslisten) widerspiegelt.

Das Regierungspapier liest sich gut und wenn man die elend-langen Romane kennt, die sich sonst nach solchen Verhandlungen ausbreiten, dann ist dies eine angenehme und klare Lektüre. Was will die Regierung erreichen und was sind die Schwerpunkte. Bravo! Es gibt keinen Punkt, den ich nicht sofort unterzeichnen könnte. Doch nun beobachte ich die dänische Politik lange genug, um sagen zu können, dass wohl-temperierte politische Lyrik noch keine handfeste Politik ausmacht.

Erwartungen der Bürger

Schauen wir uns das Thema Klima und die damit zusammenhängenden Maßnahmen genauer an. Und es fällt sofort auf: Genaue Maßnahmen sind noch Fehlanzeige, genauso wie die sicher nicht ganz günstige Finanzierung.  Doch auf der anderen Seite stehen die Erwartungen der Bürger. Die sind eindeutig. Und die Bürger wählen die Politiker, also werden diese sich bewegen (müssen): Die Frage steht im Raum, werden unsere Kinder und Enkelkinder in drei bis vier Jahrzehnten eine Welt vorfinden, in der sie noch leben wollen bzw. können? An den Fakten hat sich nichts geändert – die Warnungen, dass wir die Lebensgrundlage der kommenden Generationen verhunzen, die gibt es seit langem. Doch die emotionale Ebene hat die Politik nun mit aller Wucht erreicht.

Die dänische Regierung ist mit ihrem grünen Regierungspapier sehr weit gegangen: 2030 soll es 70% weniger Co2-Ausstoß geben. Noch fehlt der Plan, wie das erreicht werden soll. Eines wird ganz sicher nicht gehen: Die Umstellung durchzuziehen, ohne dass es einigen Leuten „weh“ tun wird. Es werden sich Gewohnheiten ändern müssen, es müssen Geschäftsmodelle hinterfragt und liebgewonnenes aufgegeben werden. Ja, es wird die Landwirtschaft und die Autofahrer treffen. Wie sich die Klimaambitionen, die sich im Regierungspapier so schön lesen, schlussendlich in der harten Politik und in den gnadenlos konkreten Gesetzestexten wiederfinden werden, das muss sich nun zeigen. Bis dahin sind die Regierungschefs mit ihrem Posten-Geschacher in Brüssel sicher auch durch und können sich dann wieder der Sachpolitik zuwenden, denn alleine wird Dänemark das Klima sowieso nicht retten können.  

Anmerkung: Bei Rosen die Menschenrechte nicht vergessen. Nicht ohne Grund wird von „Blutrosen“ gesprochen. Hier gibt es mehr Informationen zu den Blutrosen: www.gfbv.de/de

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