Diese Woche in Kopenhagen

Wahlanalysen – zwischen Paris und Kiel

Wahlanalysen – zwischen Paris und Kiel

Wahlanalysen – zwischen Paris und Kiel

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Emmanuel Macron Foto: Scanpix

Nach Österreich und den Niederlanden hat nun auch Frankreich dem neu erstarkten Nationalismus durch nationale Wahlen einen Riegel vorgeschoben – vorläufig kann Europa etwas aufatmen, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen. Doch auch die politische Lage und die kommenden Koalitionsverhandlungen in Kiel, werden in Kopenhagen genau analysiert.

Nach Österreich und den Niederlanden hat nun auch Frankreich dem neu erstarkten Nationalismus durch nationale Wahlen einen Riegel vorgeschoben – vorläufig kann Europa etwas aufatmen, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen. Doch auch die politische Lage und die kommenden Koalitionsverhandlungen in Kiel, werden in Kopenhagen genau analysiert.

Der dänische Regierungschef, Lars Løkke Rasmussen, hatte es gestern Abend, mit Blick auf die Wahlen in Frankreich, nicht schwer. Kurz nach 20 Uhr konnten die Mitarbeiter im Staatsministerium ein Glückwunschschreiben an den neu gewählten Präsidenten Macron zur Unterschrift vorlegen. Løkke reihte sich damit in den langen Reigen der Gratulanten ein. Auch Theresa May aus Großbritannien sputete sich, um eine der ersten zu sein, die den Pro-Europäer im Élysée-Palast gratulierte. Nach Österreich und den Niederlanden hat nun auch Frankreich dem neu erstarkten Nationalismus durch nationale Wahlen einen Riegel vorgeschoben – vorläufig kann Europa etwas aufatmen. Dies ist eine Entwicklung, die natürlich die Strategen der Regierung und der Parteien in Dänemark beschäftigt.

Die Wahl in Kiel dahingegen – die gestern ab 18 Uhr ein kleines politisches Erdbeben auslöste – ist aus dänischer Sicht nicht mit dem Wahlergebnis in Frankreich zu vergleichen. Die dänische Presse und der Politikbetrieb bringen dem Ergebnis in Kiel kein übermäßiges Interesse entgegen; doch man sollte es auch nicht unterschätzen: die politische Lage und die kommenden Koalitionsverhandlungen in Kiel, werden in Kopenhagen genau analysiert. Dänemark verbindet mit Deutschland und natürlich besonders ausgeprägt auch mit Schleswig- Holstein – „dem echten Norden“ – eine Vielfalt von gemeinsamen Interessen und nicht allein eine komplexe und ereignisreiche Geschichte. Zu nennen wäre dabei natürlich ein Großprojekt der europäischen Superklasse, die Fehmarn-Belt-Querung. Auch die Deutschland-Strategie, die von der dänischen Regierung vorgelegt wurde, zeugt von einem bewussten strategischem Interesse Kopenhagens auch an Schleswig-Holstein.

Dass die „Küstenkoalition“, bestehend aus SPD, Grünen und SSW, nicht weiter geführt werden wird, das haben einige dänische Politiker, vor allem mit Blick auf das vermeintliche Ausscheiden des SSW aus der Regierungsverantwortung, mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Die Beziehungen zwischen Kiel und Kopenhagen sind gut. Die Ministerin vom SSW, Anke Spoorendonk, pflegte enge und gute Kontakte zu mehreren Ministern und zentralen Abgeordneten in Kopenhagen. Der etwas unglückliche Start des neuen dänischen Verkehrsministers in den Beziehungen nach Kiel, soll nicht vergessen machen, wie eng sein Vorgänger Hans Christian Schmidt mit seinem Kieler Konterpart zusammengearbeitet hat; um nur zwei Beispiele der engen Verzahnung zwischen Kopenhagen und Kiel zu nennen.

Nun muss man kein politischer Prophet sein, um zu mutmaßen, dass auch eine kommende Regierung, sollte diese von einem neuen Ministerpräsidenten geführt werden, alles daran setzen wird, die guten Verhältnisse nach Kopenhagen weiter zu pflegen. Und Kopenhagen wird natürlich keinen Unterschied machen, abhängig davon, wer nun Ministerpräsident ist. Der Politikbetrieb, nicht zuletzt vertreten durch die dänische Regierung, ist auf Lösungen ausgerichtet.

Eines darf dabei jedoch nicht vergessen werden, die Minderheitenfrage spielt in den dänischen Parteien und in der dänischen Öffentlichkeit eine besondere Rolle, die manchmal – auf deutscher Seite – nicht von allen ganz durchdrungen zu werden scheint. Anders als in Deutschland der Fall, hat Dänemark nur eine nationale Minderheit. Wenngleich die dänische Regierung nicht immer begeistert gewesen sein wird, über die Äußerungen des SSW zur dänischen Flüchtlings- und Grenzpolitik, reicht die Solidarität mit der dänischen Minderheit weit in die politischen Parteien auf Christiansborg hinein und dabei auch weit über politisch-interne Unstimmigkeiten hinaus. Der Konflikt im sog. „Schulstreit“ unter der letzten Schwarz-Gelben-Regierung, sitzt vor allem bei der dänischen Minderheit tief und ist bei einigen dänischen Politikern nicht vergessen.

Die Regierung in Kopenhagen wird natürlich niemanden in Kiel offiziell gratulieren, bevor ganz fest steht, wer am Ende das Ruder in der Hand halten wird. Man wird mit jeder Konstellation professionell und lösungsorientiert zusammenzuarbeiten und dabei genau verfolgen, welche Schwerpunkte eine neue Regierung in Kiel, in der Minderheitenpolitik und den allgemeinen Beziehungen nach Dänemark setzen wird.

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