Diese Woche in Kopenhagen

Wachstum ist nicht die Lösung

Wachstum ist nicht die Lösung

Wachstum ist nicht die Lösung

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Lars Løkke Rasmussen
Regierungschef Lars Løkke Rasmussen (Venstre) bei einem Besuch in der Coop-Zentrale im Mai. „Wachstum und Wohlstand“ heißt das Regierungsprogramm, für das er u. a. bei dieser Gelegenheit warb. Foto: Scanpix

Der Wachstumsglaube sei ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Problem, meint Jan Diedrichsen. Natürlich könnten wir nicht alle von heute auf morgen zu Minimalisten werden und den Konsum auf ein Minimum reduzieren. Doch es brauche in den Parteien und der Bevölkerung ein Problembewusstsein und ein Umdenken, so der Leiter des Hauptstadt-Sekretariates der deutschen Minderheit.

Der Wachstumsglaube sei ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Problem, meint Jan Diedrichsen. Natürlich könnten wir nicht alle von heute auf morgen zu Minimalisten werden und den Konsum auf ein Minimum reduzieren. Doch  Dafür es brauche in den Parteien und der Bevölkerung ein Problembewusstsein und ein Umdenken, so der Leiter des Hauptstadt-Sekretariates der deutschen Minderheit.

Die Schleswigsche Partei (SP) steht nicht alleine da, wenn ihr Vorsitzender Carsten Leth Schmidt bei der Delegiertenversammlung in Tingleff das Wachstum als eines der wichtigsten Ziel der Minderheitenpartei definiert. In Dänemark und Deutschland haben beinah alle Parteien das „klassische Wachstum“ zentral in ihren politischen Botschaften verankert. Wachstum ist gut! Wachstum führt zu Jobs! Wachstum führt zu Wohlstand! Ist doch logisch? Leider ist es nicht so einfach. Dieser Wachstumsglaube ist vielmehr ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Problem. Ich bin mir sicher, dass die SP bei ihrem Blick auf das Wachstum nicht nur die kalten Zahlen meint – denn Wachstum lässt sich in verschiedenen Bereichen ausmachen. Zum Beispiel gibt es neue statistische Formate, die das Wachstum an Glück und Zufriedenheit der Bevölkerung messen. Diesem Wachstumsbegriff ist nichts entgegenzusetzen. Doch normalerweise, wenn von Wachstum die Rede ist, wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – also die Summe aller Güter und Dienstleistungen eines Jahres – gemeint. Kaum ein Politiker, der nicht das BIP steigern will.

Die Wissenschaft forscht seit Jahrzehnten in dem Bereich. Es gibt immer wieder kritische Stimmen, die den Wachstumswahn als eine der größten Bedrohung der Menschheit ansehen. Wachstum funktioniert nur dann, wenn immer mehr und immer neue Konsumbedürfnisse geweckt werden. Kurz gefasst, wir müssen immer mehr und immer neue Dinge produzieren und konsumieren, um dem Wachstumsdruck einlösen zu können.

Der Philosoph Karl Jaspers brachte es schon in den 60er Jahren auf den Punkt: „Die Wirtschaft muss sich ... von Grund aus wandeln, wenn die Expansion an der Enge der endgültig verteilten Erde ein Ende gefunden hat“. Jaspers beklagte einen „Menschentypus, dessen Dasein sich verzehren lässt in diesem quantitativ zu steigernden Produzieren und Konsumieren, in einem Leben zwischen der träger werdenden Arbeitslust und der leerer werdenden Freizeit“.

Der Konsumglaube wird mittlerweile auch von Politikern kritisiert – der Bundestag hat zum Thema bereits 2011 eine Enquete-Kommission mit dem Titel „Wohlstand, Wachstum, Lebensqualität“ eingesetzt, die politische Handlungsempfehlungen für ein „ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltiges Wirtschaften“ erarbeitet hat. Doch leider bleibt es bis heute bei den Empfehlungen – eine Umsetzung ist nicht in Sicht.

Unsere natürlichen Ressourcen halten auf Dauer dem sturen Wachstumsglauben nicht stand. Unser Wachstumsfetischismus lebt auf Kosten der kommenden Generationen. Bereits seit 1968 beschäftigt sich ein Zusammenschluss von Experten (Der Club of Rome) mit dem Wachstumsglauben. Mit dem 1972 veröffentlichten Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ erlangte er große weltweite Beachtung.

Mit gewisser Häme wurden seitdem einige der Befunde aus den 70er und 80er Jahren von Wachstumsbefürwortern kommentiert. Nach dem Motto: Eure Horrorszenarien sind alle nicht eingetreten. Noch immer gibt es genügend Rohstoffe, und die Welt entwickelt sich – auf Grundlage des Wachstums – hervorragend. Es ist richtig, dass die technologische Entwicklung immer wieder helfend eingreift und dem Wachstumstrend Zeit verschafft; aber diese ist teuer erkauft. Wohl kaum viele Leser dieser Kolumne werden den Klimawandel und die Auswirkung auf die kommenden Generationen in Zweifel ziehen. Die Wachstumsfokussierung ist eine der Hauptursachen hierfür. Ganz zu schweigen von dem Teil der Menschheit, der nicht das Privileg hat, in unserer Wohlstands- bzw. Wachstumsgesellschaft zu leben.

Aber, was ist zu tun? Natürlich können wir nicht alle von heute auf morgen zu Minimalisten werden und den Konsum auf ein Minimum reduzieren. Unsere Wirtschaft fußt auf einem Wachstumsgedanken, der behutsam aber energisch angepasst werden muss. Dafür bedarf es in den Parteien und der Bevölkerung ein Problembewusstsein und ein Umdenken. Wachstum ist nicht alles, es ist vielmehr ein ernstes Problem.

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