Diese Woche in Kopenhagen

Von Kopenhagen nach Brüssel: Nicht mehr so einsam – und doch ziemlich allein

Von Kopenhagen nach Brüssel: Nicht mehr so einsam – und doch ziemlich allein

Von Kopenhagen nach Brüssel: Nicht mehr so einsam – und doch ziemlich allein

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen/Brüssel
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Der dänische Regierungschef, Lars Løkke Rasmussen (Venstre). Foto: Scanpix

Europa braucht nach dem Brexit mehr Geld, weil man gemeinsam mehr erreichen will. Da wird der Mehrheit der Kollegen die Einsamkeit des dänischen Regierungschefs vermutlich nicht so arg zusetzen. Eine Aufstockung des Mitgliedsbeitrages erscheint derzeit das realistischste Szenario, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen.

Die EU-Regierungschefs haben sich am Wochenende in Brüssel getroffen. Es gab vieles zu besprechen. In einem Interview mit dem gut informierten Internetdienst „Altinget“ erklärte der dänische Regierungschef, Lars Løkke Rasmussen, er fühle sich nach dem Treffen nicht mehr so alleine. Er spielte damit nicht auf die Tatsache an, dass er nicht, wie die Euro-Mitglieder, bereits am Tag vor dem offiziellen Gipfel eintraf. Es gibt bekanntlich eine Zwei-Klassen-Mitgliedschaft in der EU.

Alle Länder, die den Euro haben, treffen sich vor dem Gipfel, um gemeinsame Positionen abzustimmen. Dänemark ist nicht dabei. Doch dies hat die zitierte Einsamkeit nicht hervorgerufen. Auch die fehlende Einladung zu einem exklusiven Essen (Merkel und Macron waren dabei), an dem 12 Regierungschefkollegen in einem belgischen Schloss, auf Einladung des belgischen Regierungschefs, teilnahmen, war ebenfalls nicht der Auslöser für die Løkke-Einsamkeit.  Der Regierungschef fühlte sich vielmehr vor dem Gipfel politisch allein gelassen.

Es geht nämlich heiß her in der derzeit bitterkalten belgischen Hauptstadt. Der nächste „Mehrjährige Finanzrahmen“ (EU-Haushalt) wird neu ausgehandelt. Da sich mit Großbritannien ein Netto-Zahler verabschiedet und rund 10-12 Milliarden Euro weniger in die Kasse fließen werden, ist nun die Frage: Wie geht die EU mit diesen Mindereinnahmen um? Weniger ausgeben, das ist das Credo aus Dänemark! Doch just an diesem Punkt fühlte sich Lars Løkke bislang recht einsam. Doch ganz allein war er weder vor, noch nach dem Gipfel: vor allem die Niederlande und Österreich unterstützen die dänische Position. Aber die großen Schwergewichte um Frankreich, Deutschland und Italien sowie die meisten mittelosteuropäischen Länder stehen einem möglichen Anstieg der Beitragszahlungen aufgeschlossen gegenüber. Die CDU und SPD haben eine finanzielle Aufstockung gar im Koalitionsvertrag festgeschrieben.  

Merkel und Macron haben die Einsamkeit von Løkke versucht zu mildern, indem sie deutlich gemacht haben, dass sie Anregungen, wie man sparen könne, dankend entgegennehmen würden.  Doch wenn es konkret wird, wird es dünn. Man müsse effizienter mit bestehenden Mittel umgehen, heißt es allgemein-wage bei den Sparfüchsen. Konkret wurden bislang nur die Landwirtschaftsförderung und die Regionalfördermittel (z. B. Interreg) genannt, die gemeinsam knapp 60 Prozent aller EU-Gelder ausmachen. Der Agrarbereich ist jedoch das Politikfeld, von dem Dänemark und vor allem die dänischen Landwirte am meisten profitieren. Ein Kürzung würde sich unmittelbar in Dänemark bei den Landwirten bemerkbar machen. Wie Lars Løkke Rasmussen dies an der Venstre-Basis vermitteln will, ist schwer zu sagen.

Doch das Problem sitzt tiefer. Die Überlegungen, was man alles gemeinsam erledigen müsse, wird unter den EU-Regierungschefs immer ausgeprägter. Wer jedoch Aufgaben nach Brüssel delegieren will, der muss auch sagen, wie diese finanziert werden sollen. Die EU will die Grenzen gemeinsam schützen, Afrika soll einen „Marshallplan“ erhalten, damit die Flüchtlinge erst gar nicht nach Europa wollen. Und dann sind da noch die ambitionierten Pläne zur gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik. Mit einem Trump und Erdogan – die jeweils die beiden größten Militärmächte des NATO-Bündnisses vertreten  – ist es in der Verteidigungsgemeinschaft ungemütlich geworden. Die EU will militärisch selbstständiger werden. Doch dies alles kostet Geld.

Europa braucht nach dem Brexit mehr Geld, weil man gemeinsam mehr erreichen will. Da wird der Mehrheit der Kollegen die Einsamkeit des dänischen Regierungschefs vermutlich nicht so arg zusetzen. Eine Aufstockung des Mitgliedsbeitrages erscheint derzeit das realistischste Szenario.

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