Diese Woche in Kopenhagen

„Ein gut gemeinter Rat an Lars Løkke“

„Ein gut gemeinter Rat an Lars Løkke“

„Ein gut gemeinter Rat an Lars Løkke“

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Jan Diedrichsen, der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, meint, dass eine Verknüpfung des EU und des Folketingswahlkampfes die schlechten Vorzeichen für Lars Løkke Rasmussen und seine Wiederwahl als Regierungschef verbessern könnte.

Das Grummeln in der Regierungsfraktion der Partei Venstre ist unüberhörbar. Die Stimmung ist denkbar schlecht. Spätestens am 18. Juni 2019 muss gewählt werden. Die Umfragen lassen den einen oder anderen Abgeordneten mittlerweile entsetzt daran zweifeln, ob er bzw. sie wieder ins Parlament einziehen wird. Venstre könnte laut der aktuellen Umfrageergebnisse einige Abgeordnete verlieren. Doch was tun: die schlechten Nachrichten reißen nicht ab. Die groß angekündigte Gesundheitsreform, mit der Auflösung der Regionen im Schlepptau, entwickelt sich nicht zu dem Wahlkampfhit, wie erhofft. Ganz im Gegenteil, macht sich mit Blick auf die konkrete Umsetzung Verwirrung und Missmut im Lande breit. Viele Abgeordnete tun sich schwer dabei, in ihren Wahlkreisen zu erklären, warum zukünftig noch mehr „aus Kopenhagen“ gesteuert werden solle. Bekanntlich haben Venstre und DF die Wahl 2015 vor allem in den ländlichen Regionen gewonnen, mit der klaren Positionierung, die „Bevormundung“ aus der Hauptstadt zu brechen. Doch alles deutet darauf hin, dass auch in den sog. Provinzen sich eine Wechselstimmung breit macht. Mette Frederiksen und die Sozialdemokraten punkten. Sie hat mit ihrem luftigen Plan zur Neustrukturierung des Renteneintrittsalters Erfolg und setzt derzeit die politische Tagesordnung; Mette Frederiksen kann sich zurücklehnen und das Gezerre und Gewürge der Regierungsparteien genüsslich beobachten. Derzeit scheint es für die Sozialdemokraten beinah die schwierigste Übung zu sein, nicht allzu siegessicher durch die Korridore der Macht im Folketing zu laufen, denn das mag der Wähler in Dänemark bekanntlich gar nicht; doch bislang gibt es wenig Grund zur Besorgnis für Mette Frederiksen. 

Es wird gewitzelt: Lars Løkke Rasmussen habe entschieden, seine Regierung sei so gut, dass eine Wahl unnötig sei und er werde einfach keine ausschreiben. Rein formal hat laut Grundgesetz in der Tat der Regierungschef alleinig das Privileg, eine Wahl auszuschreiben, was ihm ein enormes Moment der politischen Gestaltungsmacht beschert. Doch das Überraschungsmoment scheint mittlerweile verpufft. 

Lars Løkke muss das völlig Unerwartete tun. Zugegeben, er wird damit krachend scheitern können, aber um so süßer wäre der Erfolg, sollte er gegen sämtliche Erwartungen doch noch mal ins Staatsministerium einziehen. Und damit komme ich zu meinem Lieblingsthema: Es ist – das gebe ich bescheiden zu – eher unwahrscheinlich, dass Lars Løkke am Dienstagmorgen diese Zeilen lesen sollte: Doch Lars, falls doch: die Lage ist ernst aber nicht hoffnungslos. Ich weiß, dass Dir jeden Tag duzend kluge und neunmalkluge Experten und selbsternannte politische Seher begegnen, die Dich in diese oder jene Richtung ziehen wollen. Lass Dich nicht beirren. Wage vielmehr den mutigen Schritt. Schreib die Wahl gemeinsam mit der Wahl zum Europaparlament aus. Starte einen richtigen EU-Wahlkampf, der mit dem Folketingswahlkampf Hand in Hand, endlich die Bedeutung erhält, die ihm zusteht. Überleg Dir doch, wie viele Stimmen Du DF abluchsen könntest und wie sehr Du die Sozialdemokraten aufs Glatteis locken würdest. Kennst Du die Haltung von Mette zu Europa? Hat sie jemals was dazu gesagt, was Dir in Erinnerung geblieben ist? Die würde gucken, wenn Du sie plötzlich zu Fragen wie Brexit, gemeinsame Flüchtlings- und Asylpolitik, Europäische Verteidigung, Soziales Europa etc. befragen könntest. Küss die ehrwürdige Uffe Ellemann-EU-Partei wach und kämpfe für Europa. Natürlich kritisch; Merkel, Macron und dieser dysfunktionale Europäische Rat dürfen nicht alleinige Entscheider bleiben. Dänemark, Skandinavien – das nordische Modell - kann Europa so viel bieten. Ob der Plan aufgeht, lieber Lars, das weiß ich nicht. Ob Du meine Stimme bekommst, willst Du wissen? Das bleibt mein Wahlgeheimnis. Aber zumindest würdest Du mit einem ordentlichen Paukenschlag aufwarten! Ein kleiner Revoluzzer steckt doch in Dir! Überrasche uns!

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