Diese Woche in Kopenhagen

„ Grinsende Verlierer und die Sehnsucht nach der großen Koalition “

Grinsende Verlierer und die Sehnsucht nach der großen Koalition

Grinsende Verlierer und Sehnsucht nach der großen Koalition

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Zu glauben, dass sich einfach die großen Parteien hinsetzen, die Probleme benennen und dann abarbeiten, ist – aller Erfahrung nach – politisch naiv, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen.

Zugegeben, die Wahl zum Folketing war sensationell, mit vielen großen und kleinen Dramen gekrönt. Es war mal wieder ein besonderes Erlebnis, in Christiansborg live dabei zu sein und auch mit dem einen oder anderen Wahlverlierer und Gewinner direkt sprechen zu können. Doch langsam macht sich, bei mir zumindest, ein gewisser Überdruss breit.

Vor allem ist das öffentliche Kommentieren der schwierigen (aber nicht unlösbaren) Regierungsbildung derzeit nur schwer zu ertragen. Da diese Verhandlungen selbstredend vertraulich sind und  unter den Beteiligten niemand so dumm ist, Inhalte durchsickern zu lassen, ist alles, was Sie derzeit darüber hören, in den Köpfen der Journalisten und Experten entstanden. Es sind Mutmaßungen und nicht mehr. Doch ein Lob ist auch angebracht: Es wurde am Wahltag viel und gut in den dänischen Medien berichtet. Sehr umfangreich, aktuell und ansprechend von den Nordschleswiger-Journalisten, das war auf dem Niveau mit allen dänischen (Online)-Medien, die ich in der Nacht mit verfolgt habe. Chapeau, das macht Lust auf mehr Digitalisierung!

Doch zurück zur Wahl: Ich habe mir zwei Themen rausgesucht, die ich noch mal in der Rückschau kurz betrachten möchte: Ein nach innen grinsender Verlierer: Ja, es geht: Man kann Verlierer und Gewinner zugleich sein.
Lars Løkke Rasmussen hat es mal wieder geschafft. Niemand, wirklich niemand, hat erwartet, dass er aus einer Wahlniederlage seiner amtierenden Regierung gestärkt hervorgehen würde. Ich habe Løkke bereits mehrmals im „Venstre-Blutbad“ nach der Wahl gesehen. Zu meiner Verteidigung: Es steckten am Wahlabend, bevor die Ergebnisse reintickerten, so manche Dolche bereits locker im Gewande und es gab Pläne, wie der Übergang nach der Niederlage und nach Lars Løkke organisiert werden sollte. Davon ist nicht mehr viel zu spüren.

Opposition leiten

Ich bilde mir ein, dass Lars Løkke innerlich breit gegrinst hat, als er am Donnerstag bei der Königin sein Rücktrittsgesuch eingereicht hatte und vor die Kameras trat. Er schien nur mit hoher Konzentration dieses Grinsen zurückhalten zu können. Mit einem ostentativen Selbstvertrauen erklärte er vor der Presse, dass er seine Partei natürlich in die Opposition leiten werde; er sei ja auch Vorsitzender der Partei. Von wegen, Platz machen für die mit den Hufen scharrenden Støjbergs, Ellemanns oder Jensens. Løkke wirkte kämpferisch und als wolle er seinen Gegnern in der Partei hämisch zurufen: „Kommt ruhig an; mit Euch Amateuren werde ich alle mal noch fertig.“

Seine Chancen stehen dabei gar nicht schlecht. Venstre hat 4% an Wählerzustimmung gewonnen. Dass der bürgerliche Block dennoch kollabiert ist, lag vor allem an dem dramatischen Niedergang der dänischen Volkspartei und der Liberalen Allianz. Ich persönlich glaube zwar nicht, dass Løkke nun die nächsten Jahre als „normaler“ Abgeordneter auf den harten Bänken der parlamentarischen Opposition zurückkehrt.
Er ist jedoch der Herr des Verfahrens, sowohl was seine persönliche Zukunft als auch die der Partei angeht. Eine gute Ausgangsposition.

Nerv vieler Wähler getroffen

Løkke hat mit seinem Vorstoß im Wahlkampf, eine große Koalition mit den Sozialdemokraten bilden zu wollen, zwar den bürgerlichen Block voraussichtlich für Jahre atomisiert, aber dabei auch den Nerv vieler Wähler getroffen. Dänemark brauche Stabilität und einen gewichtigen Regierungschef (natürlich Lars Løkke selbst) – daher müsse die Stimme der Vernunft übernehmen. Das traf den Zeitgeist vieler, vor allem bürgerlicher Wähler, denen es vor den Konsequenzen einer „roten Regierung“ graust. Doch eine große Koalition kann und sollte nur eine absolute Notlösung sein.

Eine große Koalition stärkt bekanntlich die politischen Ränder – links und rechts. Die große Koalition in Deutschland würgt seit Monaten und Jahren vor sich hin, politische Akzente werden so nicht gesetzt. Zu glauben, dass sich einfach die großen Parteien hinsetzen, die Probleme benennen und dann abarbeiten, ist – aller Erfahrung nach – politisch naiv.

Ohne die Inhalte hier explizit unterstützen zu wollen, sollten wir einfach akzeptieren, dass nach beinah 20 Jahren ununterbrochener bürgerlicher Regierung mal andere dran sind. Auch wenn dies „schwere Zeiten“ für Hausbesitzer, Autorfahrer, Privatschulen, Landwirtschaft etc. bedeuteten könnte. So schlimm wird es schon nicht kommen. Es ist ja nicht so, dass Radikale Venstre und Einheitsliste die Regierung stellen. Doch es ist gut für eine Demokratie, dass auch mal „die anderen“ drankommen.

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