Diese Woche in Kopenhagen

Grenzkontrolle aufheben – aber wie lösen wir die Probleme?

Grenzkontrolle aufheben – aber wie lösen wir die Probleme?

Grenzkontrolle aufheben – aber wie lösen wir die Probleme?

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Grenzzaun zwischen Serbien und Ungarn. Foto: Scanpix

Die Grenzkontrollen sollen laut EU-Kommission Schritt für Schritt aufgehoben werden. Natürlich handelt es sich bei der aktuellen Grenzkontrolle um sogenannte Symbolpolitik, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariates der deutschen Minderheit, Jan Diedrichsen. Dennoch bleibe ein Problem: Wir haben keine Lösung, wie zukünftig mit steigender Einwanderung und weltweiten Flüchtlingsbewegungen umgegangen werden soll.

Die Grenzkontrollen sollen laut EU-Kommission Schritt für Schritt aufgehoben werden. Natürlich handelt es sich bei der aktuellen Grenzkontrolle um sogenannte Symbolpolitik, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariates der deutschen Minderheit, Jan Diedrichsen. Dennoch bleibe ein Problem: Wir haben keine Lösung, wie zukünftig mit steigender Einwanderung und weltweiten Flüchtlingsbewegungen umgegangen werden soll.

Die Europäische Kommission hat Anfang Mai sowohl Österreich, Deutschland, Schweden, Norwegen als auch Dänemark aufgefordert, Schritt für Schritt, die wegen der Flüchtlingskrise eingeführten Grenzkontrollen wieder aufzuheben. Die Möglichkeit, im Schengen-Raum Grenzkontrollen durchzuführen, wurde um sechs Monate verlängert. Ein letztes Mal, erklärte der Erste Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans.

Das klingt doch wunderbar – langsam ist alles wieder beim Alten? Wir brauchen keine Grenzkontrollen, weil wir keine Flüchtlinge mehr aufnehmen bzw. abweisen müssen. Dänemark hat diese Verlängerung sofort umgesetzt. Die Grenzkontrollen werden zumindest noch sechs Monate weitergeführt – was dann kommt, wird innenpolitisch spannend zu beobachten sein.

Natürlich handelt es sich bei der aktuellen Grenzkontrolle um sogenannte Symbolpolitik, nun, wo am Flensburger Bahnhof keine Flüchtlinge mehr ausharren und auf einen Weg nach Dänemark warten. Die Feststellung lenkt aber von einem grundsätzlicheren Problem ab: Wir haben keine Lösung, wie zukünftig mit steigender Einwanderung und weltweiten Flüchtlingsbewegungen umgegangen werden soll.

Mithilfe des Semi-Diktators Erdogan haben wir die syrischen Flüchtlinge ausgesperrt, und die Grenzagentur Frontex kontrolliert immer effektiver die europäischen Außengrenzen. Das Problem haben vor allem Griechenland und Italien, und die sind bekanntlich weit weg.

Doch lassen Sie uns gemeinsam einen Schritt zurücktreten und uns einige Fakten anschauen: 170.000 afrikanische Flüchtlinge aus dem Gebiet der Subsahara strandet, 2016 an den Küsten Italiens. In diesem Jahr wird mit 300.000 Menschen gerechnet. Tragisch ist die Zahl 1.009 – so viele Menschen sind seit Jahresbeginn beim Versuch, nach Europa zu gelangen, im Mittelmeer ertrunken.

Kinder, Frauen, Männer fliehen nach Europa; manchmal sind es Flüchtlinge, die nach der Genfer Konvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention Anrecht auf Asyl haben. Oder es sind Kinder, Frauen, Männer, die vor Umweltkatastrophen, Hunger und sozialem Elend fliehen. Die Letzteren haben völkerrechtlich kein Anrecht darauf, in Europa Asyl zu finden. Dies kann man zu Recht unmenschlich finden. Die Tatsache, dass Europa weiter Waffen an die Staaten exportiert, aus denen die Menschen fliehen, ist unerträglich. Aber, auch das ist eine Tatsache: Wir werden nicht alle Elenden aufnehmen können. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe Verständnis für jeden, der versucht, seinem Elend zu entfliehen, um sich ein besseres Leben zu suchen. Ich würde sicher nicht anders handeln. Die UNO spricht weltweit von 65 Millionen Frauen, Kindern, Männern, die sich auf der Flucht befinden.

Bereits 1986 hat Dänemark vor den Vereinten Nationen den Vorschlag unterbreitet, dass die Asylverfahren in Aufnahmezentren in Nordafrika zu verlegen seien. Diese Idee hat bei vielen einen Schrei des Ersetzens hervorgerufen – von Internierung von Flüchtlingen wird gesprochen. Es ist in der Tat herzzerreißend, sich vorzustellen, wenn Bootsflüchtlinge nach lebensgefährlicher Überfahrt nach Italien gelangen und dann sofort nach Nordafrika zurückgebracht werden, um dort auf ihre Asylentscheidung warten zu müssen.

Es ist jedoch zu einfach, wenn oftmals in einem Brustton der Überzeugung erklärt wird, man schließe alles aus, was Menschen davon abhalte, nach Europa zu gelangen – ohne sich den unangenehmen Fragen zu stellen, wie wir mit den vielen verzweifelnden Menschen umgehen. Eine Verlagerung der Prüfung der Asylverfahren nach Nordafrika wäre natürlich nur denkbar, wenn Europa hoheitliche Rechte in den betreffenden Maghreb-Staaten übernehmen könnte, sprich, die Verfahren und die Unterbringung der Flüchtlinge müssten nach europäischen Standards geschehen. Es müssten Möglichkeiten für eine legale Einwanderung geschaffen werden, und die Verteilung der Flüchtlinge dürfte nicht an europäischen Egoismen scheitern. Doch – und das darf gerne etwas naiv und pathetisch klingen: Wir werden unseren eigenen Idealen erst dann gerecht, wenn wir in Europa einen überzeugenden Einsatz beginnen, um zu verhindern, dass die Menschen auf dieser Welt sich auf die Flucht begeben. Waffenlieferungen und wirtschaftliche Kontakte zu den Machthabern und Diktatoren aus den Ländern, aus denen die Menschen zu Hunderttausenden fliehen – sollten umgehend beendet werden – auch wenn das Arbeitsplätze und Wohlstand bei uns kostet.

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