Diese Woche in Kopenhagen

Erbärmlicher Krawall-Tourismus 

Erbärmlicher Krawall-Tourismus 

Erbärmlicher Krawall-Tourismus 

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Bunt und gewaltfrei – auch das gab es in Hamburg. Foto: Scanpix

Die Linken sollten sich von Gewalttätern wie den Randalierern von Hamburg scharf abgrenzen, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen – und ist in dieser Frage einer Meinung mit dem selbsternannten letzten Marxisten im dänischen Folketing.

Die Linken sollten sich von Gewalttätern wie den Randalierern von Hamburg scharf abgrenzen, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen – und ist in dieser Frage einer Meinung mit dem selbsternannten letzten Marxisten im dänischen Folketing.

Die Bilder aus dem Schanzenviertel in Hamburg vor Augen, verspüre ich Ärger und Verachtung. Mehrere 100 vermummte Gewalttäter haben es geschafft, eine ganze Stadt in Angst und Schrecken zu versetzen, 500 Polizisten zu verletzen und fast jeden Anwohner und Fernsehzuschauer gegen sich aufzubringen. Und dabei noch zu glauben, sich gegen eine ungerechte Welt einzusetzen: wie erbärmlich! Der G20-Gipfel in Hamburg hat erneut das enorme Gewaltpotential gezeigt, das in einigen Teilen der Jugendbewegung in ganz Europa existiert.

Der so genannte „Schwarze Block“, der Steine werfend und Barrikaden bauend durch Hamburg marodierte, besteht nicht nur aus Autonomen aus Deutschland. Aus ganz Europa reisten Jugendliche an – auch aus Dänemark. 
Seit Monaten hatte sich die extreme so genannte „Linke Szene“ in Dänemark auf den G20-Gipfel vorbereitet. Von Kopenhagen aus haben die „Revolutionären Antifaschisten“ – die Teil der gesamtnordischen  „Autonomous Revolutionary Nordic Alliance“ sind – Busfahrten organisiert. Noch liegen keine Fakten vor, ob unter den Verhafteten in Hamburg auch dänische Staatsbürger sind. Doch das spielt auch keine Rolle, denn die Gewalttäter sind genau so globalisiert, wie das System, das sie vorgeben zu bekämpfen.  Mit den Neuen Medien sind sie bestens vernetzt; Absprachen werden über das Netz, per Handy und Internet geteilt. Der Schwarze Block trieb die Sicherheitskräfte mit einer ausgefeilten Kleingruppen-Taktik an den Rand des Leistbaren.

Die Schuldzuweisungen laufen nun auf allen Seiten. Provokationen und mangelnde Deeskalation werden bemängelt. Kann sein – und sicher sind auch unter den Polizisten Dinge geschehen, die es zu untersuchen und ahnden gilt. Nichts rechtfertigt jedoch diesen dumpfen Ausbruch von Gewalt. Wer Kleinwagen und Tierpraxen anzündet, um damit das kapitalistische System zu zerstören, ist einfach nur ein dumpfer Gewalttäter und dazu nicht besonders intelligent.

Widerstand im Sinne des oppositionellen Handelns ist natürlich legitim und geboten. Die Kritik an dem G20-Gipfel, die Politik von Erdogan, Putin, Trump - und ja, auch der EU – ist absolut berechtigt. 
Natürlich muss auf die Menschenrechtsverletzungen weltweit hingewiesen werden. Natürlich wird einem speiübel, wenn Erdogan und Putin sich in den bequemen Sesseln räkeln und Hof halten, während in den Gefängnissen mutige Menschenrechtskämpfer oder Journalisten verkümmern oder gar an Leib und Leben bedroht sind. Natürlich macht die Arroganz und Nichtachtung der Zukunft unseres Planenten durch Donald Trump wütend.  Natürlich ist es nicht akzeptabel, wie die EU-Lenker sich für ihre Menschenrechtspolitik feiern lassen wollen, während 1.000 Unglücklicher im Mittelmeer ertrinken.

Viele Aktionsformen beim G-20 Gipfel sind leider untergegangen. Greenpeace, Amnesty, Gesellschaft für bedrohte Völker und viele Einzelpersonen haben bunt, kreativ und farbenfroh auf sich aufmerksam machen wollen. Doch leider hat fast niemand hingeschaut, da alles gebannt auf Wasserwerfer und Molotowcocktails starrte.

Der „letzte Marxist im Folketing“ (Eigenbeschreibung) Chr. Juhl hat auf Facebook nach den Ausschreitungen in Hamburg die richtigen Worte gefunden: 
„Wann schaffen wir Linken es, zu den Treffen der kapitalistischen Machthaber eine friedliche, fantasievolle Demo zu organisieren, um zu zeigen, wovon wir träumen und wofür wir kämpfen? Wie können wir uns vorbereiten, dass diese Demos nicht in erster Linie für trainierte Junge mit Gasmasken ist, sondern auch für mich, mit meinen 65-Jahren, damit ich auch meine Enkelkinder mit nehmen kann? Wie schaffen wir es, dass die politischen Botschaften der Demonstranten die Medien erreichen und nicht die Brände in den Straßen und die Schlägereien. Die Zustände in Hamburg nutzen Trump, Putin und Merkel. Sie isolieren den linken Flügel.“  

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