Leserbrief

„Tschechen trauen Dänen nicht“

Tschechen trauen Dänen nicht

Tschechen trauen Dänen nicht

Hans-Jörg Schmidt
Prag
Zuletzt aktualisiert um:

In seinem Leserbrief lässt Hans-Jörg Schmidt seine Urlaube in Apenrade Revue passieren. Außerdem erklärt er, weshalb der diesjährige Urlaub ins Wasser fällt und warum er damit so gar nicht einverstanden ist.

Dänemark gehört nicht eben zu den Hotspots für Sommerurlauber aus Tschechien. Zu regnerisch, das Wasser von Ost- oder Nordsee zu kalt, zu viel Fisch auf dem Teller, den die Tschechen als Landeier ohne Meeresanbindung nicht kennen und mögen - das sind die Beschwernisse für Leute, die zwischen Deutschland und der Slowakei im Herzen Europas leben und an das skandinavische Land denken. 

Wenn ich als Deutscher mit meiner tschechischen Partnerin in den vergangenen Jahren nach Apenrade fuhr, um in einem wunderschön ausgestatteten Bungalow einer von mir verehrten dänischen Journalistenkollegin in der Ferienkolonie Lodddenhøj drei Wochen Urlaub vom Stress in Prag zu machen, waren wir totale Außenseiter. Immerhin verriet mein Autokennzeichen, woher wir kommen. Zwei Tschechen aus Prag, Wahnsinn!

In diesem Jahr werden wir nicht kommen. Und das schmerzt. Wir sind hin- und hergerissen in dieser Sache. Zum einen wissen wir, dass wir unseren langjährigen Herbergsbesitzern in den Rücken fallen, die sich auf unseren alljährlichen Aufenthalt mittlerweile verlassen haben. Aber unser Nichtkommen ist auch eine Art Protest. Ganz entschieden nicht gegen unsere Beherberger. Auch nicht gegen die Dänen an sich. Oder gegen die gastfreundlichen Nordschleswiger in Apenrade.

Allein die Aussicht, dass wir nicht jede Woche zumindest einmal Aal in einer wunderbaren Räucherei auf halben Wege zwischen Apenrade und Hadersleben werden kaufen können, tut weh. In Tschechien gibt es derlei überhaupt nicht zu kaufen. Wir sind beim etwas brummigen, aber des Deutschen mächtigen Chef von „Kalvø Fisk“ jeden Freitag „eingefallen“, am frühen Nachmittag, auf dem Weg zum Sommer-Orgelkonzert im Dom zu Hadersleben, der wohl schönsten gotischen Kirche Dänemarks. Wir haben in all unseren dänischen Urlaubsjahren nicht ein einziges Orgelkonzert verpasst. Und jedes Jahr erinnerte sich auch der Räucherei-Chef an uns, an die seltsamen Urlauber aus der Hauptstadt der Tschechischen Republik. Fragt regelmäßig, ob Prag noch stehe, die Burg und die Karlsbrücke. Logisch, dass wir das stets auch bejahen konnten.

Wir haben in unserem Ferienhaus viel selbst gekocht - meine Partnerin tischte mir dort gern typisch tschechische Gerichte auf, die sie nicht einmal in Prag auf dem Herd herrichtete. Alles sehr lecker. Ich konnte mich auch nie groß verweigern: Der Strandkiosk von Lodddenhøj ist nicht wirklich geeignet, eine Alternative zu bieten. Da lautet die Frage eher: Fuglsang eiskalt oder pupwarm. 

Wenn wir außer Haus aßen, dann in erster Linie in unserem absoluten Lieblingsrestaurant in Apenrade, dem „Cafe Storm“. Wer dort einmal mein Lieblingsessen genossen hat - das mit Sicherheit weltweit unerreichte kulinarische Highlight "Storm's sterneskjud“ - der braucht nichts anderes mehr bis zu seinem Lebensende. Zumal, wenn es dort, im „Storm“, von ausgesprochen hübschen und zugleich klugen, perfekt Deutsch sprechenden Serviererinnen kredenzt wird. Da leuchten die Augen des Gastes aus der mitteleuropäischen Ferne schon, bevor auch nur der erste Gabelbissen dessen Mund erreicht hat.

Sehr fehlen werden uns in diesem Jahr auch die Trödelgeschäfte, in denen wir in der Vergangenheit unglaublich fündig geworden waren. Meine halbe Wohnung ist voll von Antiquitäten aus Apenrade. Freilich wird es in jedem Jahr schwieriger, noch etwas Besonderes zu finden. Nicht, dass es daran mangeln würde - es fehlt einfach an einem Platz in meiner Wohnung dafür.

Weshalb kommen wir angesichts dieser eigentlich wunderschönen Erfahrungen in diesem Sommer nicht nach Dänemark? Ich hatte schon das Wort „Protest“ in den Ring geworfen. Dieser Protest richtet sich gegen die Regierung in Tschechien. Die hat zu wenig Vertrauen in das Corona-Management Dänemarks. Die Tschechen trauen den Dänen nicht!

Die tschechische Regierung hat sich eine Art Ampel für die Staaten Europas für diesen Sommer ausgedacht, die ab Mitte Juni für alle Länder unseres Kontinents gelten soll. Grün sind all die Staaten, in die die Tschechen gern reisen. Rot sind dagegen Schweden und das Vereinigte Königreich. Da geht gar nichts. Und Dänemark fällt unter gelb-orange. Will heißen, dass meine tschechische Partnerin und ich als Deutscher mit ständigem Aufenthalt zwar einreisen könnten. Aber: Dänen dürfen im Umkehrschluss nur nach Tschechien einreisen, wenn sie einen maximal vier Tage alten Corona-Test vorweisen, der negativ ist. Wenn sie den nicht haben, müssten sie für 14 Tage in häusliche Quarantäne. Nichts mit Sehenswürdigkeiten, nichts mit Prager Burg und Karlsbrücke.

Was hat die Tschechen geritten, ausgerechnet den gemeinhin völlig unverdächtigen Dänen mit einer guten Corona-Bilanz eine zu lasche Haltung bei der Bekämpfung des Virus vorzuhalten? In Prag gibt es niemanden, der einem das schlüssig erklären kann. Womöglich hat das alles überhaupt nichts mit Corona zu tun. Mir fällt nur „Rache“ für die jedes Jahr in Tschechien einfallenden dänischen Jugendlichen ein, die sich in ihren Ferien in Prag gern bis zur Besinnungslosigkeit betrinken und sich dann leider Gottes gern mal total daneben benehmen. Solche Touristen möchte man an der Moldau nicht mehr haben.

Was immer der Grund für die aus meiner Sicht völlig unverhältnismäßige Behandlung der Dänen durch die Tschechen ist - eine Rechtfertigung gibt es dafür nicht. Deshalb mein/unser Protest gegen die Haltung der tschechischen Regierung. Dass wir nicht nach Dänemark kommen, mag wie eine Art Zustimmung zur Prager Regierungshaltung klingen. Aber das ist es nicht. Dänemark ist im Vergleich zu Tschechien ein überaus wohlhabendes Land, wird auch ohne uns den Sommer locker überleben. Was wir uns dabei denken, steht aber beispielsweise hier schwarz auf weiß und wird mit Sicherheit von der tschechischen Botschaft in Kopenhagen registriert. Und ganz sicher sind wir nicht allein mit unserem Protest.

Hans-Jörg Schmidt
Prager Korrespondent / Pražský zpravodaj
Tigridova 11
CZ - 140 00 Praha

Mehr lesen

Leserbrief

Antje Beckmann, Elke und Herbert Delfs
„Horups Hotelträume …“

Leserbrief

Meinung
Allan Søgaard-Andersen
„Bekymret for det ekstreme højre“

Leserbrief

Meinung
Uwe Lindholdt
„Natur und Klima können Hand in Hand gehen“

Leserbrief

Meinung
Jan Køpke Christensen
„Sundhedsvæsenet i krise“

Leserbrief

Meinung
Allan Søgaard-Andersen
„Tomme borgerlige klimaløfter!“

Leserbeitrag

Hanns Peter Blume
„Zuzüglertreffen: „Tilflytterhygge – Meet and Greet““