Venedig-Krimi

Brunetti und der linke Terror: Neues von Donna Leon

Brunetti und der linke Terror: Neues von Donna Leon

Brunetti und der linke Terror: Neues von Donna Leon

dpa
Zürich
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Donna Leon auf der Frankfurter Buchmesse. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

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Donna Leon lädt wieder zu Commissario Brunetti nach Hause ein. Man kennt ihn ja, aber bei jedem Venedig-Krimi webt die Autorin neue Familien- und Kollegenbeziehungen ein. Gemordet wird natürlich auch.

Commissario Guido Brunetti räumt zum Auftakt des neuen Venedig-Krimis von Donna Leon sein Bücherregal auf. So ist er halt, der liebenswerte Literaturliebhaber, der Fans in 31 Fällen ans Herz gewachsen ist. Auch der 32. Fall «Wie die Saat, so die Ernte» ist wie der Besuch bei einem alten Freund.

Man denkt schon, es geht los mit dem Ermitteln, als plötzlich der Anruf kommt: «Guido, komm schnell». Aber erstmal geht es um einen lieben Kollegen, den Brunetti von einer völlig neuen Seite kennenlernt. Wie immer breitet Leon einen Teppich an Beziehungsnetzen, Venedig-Facetten und Befindlichkeiten aus, die das Morden fast in Vergessenheit geraten lassen. Bis ein Mann aus Sri Lanka tot im Wasser gefunden wird. Ein völlig unbeschriebenes Blatt.

Brunetti landet beim Stöbern in dessen Bücherregal unversehens in den 80er Jahren, als Italien von einer Gewaltwelle linker Terroristen überzogen wurde. Brunetti denkt verschämt daran zurück, wir er sich selbst als junger Student von Revoluzzern hat beeindrucken lassen. Es ist dieses Mal kein typisch venezianisches Verbrechen.

Brunettis moralischer Kompass schlägt aus

«Ich bin in die größere, italienische Welt eingetaucht», sagt Leon der Deutschen Presse-Agentur. Aber natürlich ist das typische Venedig wie immer zum Greifen nahe. Schließlich hat Leon Jahrzehnte in Venedig gelebt und kennt die Stadt wie ihre Westentasche. Auch wenn sie vor Jahren vor den Touristenhorden in ein winziges Dorf hinter der Schweizer Grenze geflüchtet ist. «Die Protagonisten haben ihre typische venezianische Art behalten», sagt sie. «Und die echten Venezianer können nicht davor weglaufen: jeder kennt jeden.» So ist Brunetti mit der Frau des Tatverdächtigen zur Schule gegangen.

Eine andere typische Venedig-Facette: wie wichtig die gesellschaftliche Stellung ist. Der Verdächtige fühlt sich als Adeliger verkannt. «Als Amerikanerin und Demokratin finde ich diese ganze Adelsidee irgendwie seltsam», sagt Leon. «Dennoch verstehe ich, dass jemand, dessen Familie seit 1000 Jahren dort gelebt hat, die Ehre, die der Familie gehört, aufrechterhalten will.»

Auch Brunetti, der in den jüngsten Fällen fast melancholisch rüberkam, wird um eine Facette reicher: «Sein moralischer Kompass wird ziemlich deutlich», sagt Donna Leon. «Er mag den Verdächtigen nicht. Er geht also nicht unvoreingenommen an die Ermittlungen.»

Starke Frauen gehören bei Donna Leon einfach dazu

Wie so oft bringt die clevere Polizeiassistentin Signorina Elettra das entscheidende Werkzeug ins Spiel. Mit ihrer neuen Software kommt ein vor Jahrzehnten bestehendes Beziehungsgeflecht zwischen Personen ans Licht, die bei den Ermittlungen aufgetaucht sind. Inmitten des Geflechts: eine Entführung in den 80er Jahren. Das Opfer ist nie wieder aufgetaucht. Wie der Mann aus Sri Lanka in diese Gemengelage passt, entwirrt Brunetti in gewohnt eleganter Manier.

Elettras Stärken sind ja legendär. Auch der Tipp mit der Software stammt von einer starken Frau, und Paola gehört sowieso in diese Kategorie, wenn sie Brunetti mit ihren messerscharfen Beobachtungen immer mal wieder in die Spur bringt. «Ich habe großen Spaß daran, starke Frauen um mich zu haben», sagt Leon. Wenn solche Frauen ihre Krimis bevölkern, dann sei das aber ein unbewusster Prozess. «Ich fange nie mit einem Plan an nach dem Motto: Jetzt will ich mal soziale Ungerechtigkeit gegen xy angehen», sagt sie. «Es passiert einfach.»

Und doch: auf die Frage, wen des Powerpaares Guido und Paola sie mehr mag, zögert sie keine Sekunde: «Guido, eindeutig», sagt Leon. «Paola trägt manchmal ein bisschen dick auf, sie ist nicht so offensichtlich mitfühlend wie Guido. Ich mag seine menschliche Wärme.»

Wie die Saat, so die Ernte, 320 Seiten, Diogenes, 26 Euro, ISBN 978-3-257-07227-3

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