Europäische Union

EU-Parlament lässt zwei Kommissar-Kandidaten durchfallen

EU-Parlament lässt zwei Kommissar-Kandidaten durchfallen

EU-Parlament lässt zwei Kommissar-Kandidaten durchfallen

dpa/hm
Brüssel
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Ursula von der Leyen, zukünftige Präsidentin der Europäischen Kommission, stellt während einer Pressekonferenz in der Brüsseler EU-Zentrale ihr Team von Kandidaten für die EU-Kommission vor. Die 26 Kandidaten für die neue EU-Kommission unter von der Leyen müssen sich von diesem Montag (28. September) an kritischen Fragen im EU-Parlament stellen. Gegen mehrere Nominierte gibt es ernste Bedenken. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

In einem Monat soll Ursula von der Leyen mit ihrer neuen EU-Kommission starten. Doch auf dem Weg zur Bestätigung ihres Personalpakets im Europaparlament rumpelt es gewaltig.Der Rechtsausschuss lässt zwei Kandidaten durchfallen.

Bei der Besetzung der neuen EU-Kommission hat der Rechtsausschuss des Europaparlaments offiziell sein Veto gegen die Kandidaten aus Ungarn und Rumänien eingelegt. Der Ausschuss entschied am Montag mit Mehrheit, dass die Nominierten Laszlo Trocsanyi und Rovana Plumb ungeeignet seien, ihre Posten unter Kommissionschefin Ursula von der Leyen anzutreten. Diese muss nun womöglich Ersatzkandidaten aus Budapest und Bukarest anfordern. Trocsanyi reagierte mit heftiger Kritik und kündigte rechtliche Schritte an. Der Ausschuss attestierte den beiden Kandidaten „Interessenkonflikte“.

Kandidaten werden stundenlang geprüft

Alle 26 Kandidaten für die Kommission müssen sich  jeweils dreistündigen Anhörungen in den zuständigen Parlamentsausschüssen stellen. Den Anfang sollte am Montagnachmittag der Slowake Maros Sefcovic machen, der künftig als Kommissionsvizepräsident unter anderem für die Beziehungen zum Parlament zuständig sein soll. Bis 8. Oktober sind fast täglich mehrere Anhörungen vorgesehen. Auch im Verlauf dieser Prüfung könnten noch Kandidaten ausgetauscht werden.

Schon vor der Anhörung durchgefallen

Trocsanyi und Plumb sind jedoch nach dem Votum des Rechtsausschusses noch nicht einmal für die Anhörungen zugelassen. Bereits am Donnerstag hatte der Ausschuss beiden Kandidaten finanzielle Interessenkonflikte attestiert und das Verfahren vorerst gestoppt. Der rumänischen Anwärterin Plumb hielten die Abgeordneten einen Privatkredit zur Wahlkampffinanzierung vor, dem Ungarn den Interessenkonflikt in seiner Beteiligung an einer Anwaltskanzlei. Trocsanyi soll laut Danmarks Radio als Justizminister dieser Anwaltskanzlei geholfen haben, eine Vereinbarung mit einem Atomkraftwerk zu treffen. Trocsanyi war Anteilseigner der Kanzlei.

Parlamentspräsident David Sassoli fand den Beschluss des Rechtsausschusses aber nicht eindeutig und bat um Klarstellung. Mit der Entscheidung vom Montag bekräftigte der Ausschuss noch einmal die Ablehnung. Danmarks Radio zufolge wirft der Rechtsauschuss dem Ungarn Trocsanyi Verbindungen nach Russland vor. Als Justizminister Ungarns soll er zwei verdächtige Russen nach Russland ausgeliefert haben, die dort freigesprochen wurden, obwohl es ein Auslieferungsersuchen der USA gab. Die USA kritisierten das Vorgehen Ungarns damals stark. Der Parlamentsausschuss der EU befürchtet eine Einflussnahme Russlands auf die Arbeit der EU-Kommission. Der ungarische Kommissionskandidat hätte als Kommissar mit Ländern wie der Ukraine, Albanien und Serbien zusammengearbeitet – Länder, die auch für Russland interessant sind. Bei der rumänischen Anwärterin Plumb bezweifelt der Rechtsausschuss nach den Worten von Danmarks Radio, ob der Kredit „in einer offenen und durchschaubaren Weise“ zurückgezahlt werde.

Rückschlag für von der Leyen

Für die designierte Kommissionspräsidentin ist der Streit über ihre Kandidaten ein Rückschlag. Ihr wird vorgehalten, die Vorschläge der EU-Staaten nicht gründlich genug geprüft zu haben. Je nachdem, ob und wie rasch Ersatzkandidaten benannt werden, könnte der Zeitplan für die Billigung durch das Parlament nun ins Rutschen geraten. Derzeit ist geplant, dass das Plenum am 23. Oktober über von der Leyens Personalpaket abstimmt und die Kommission am 1. November startet.

„Ich bedaure, dass wir diese Entscheidung überhaupt treffen mussten, und Frau von der Leyen diese Kandidaten nicht von vornherein abgelehnt hat“, sagte der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken. Diese mangelnde Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den EU-Staaten lasse eine schwache EU-Kommission befürchten. Der Grünen Politiker Sergey Lagodinsky sagte: „Wir finden, dass die EU eine Kommission ohne Interessenkonflikte verdient. Dieser Verantwortung sind wir heute gerecht geworden.“

Trocsanyi will sich wehren

Trocsanyi nannte die Entscheidung in einer Erklärung auf Twitter hingegen eine „schreiende Ungerechtigkeit“ sowie einen klaren Verstoß gegen das Recht und grundsätzliche Prinzipien der Demokratie. Er kündigte rechtliche Schritte an.

Am Montagmittag standen allerdings noch einige Verfahrensschritte aus. Demnach musste sich zunächst Sassoli mit von der Leyen in Verbindung setzen, die dann Lösungen vorzuschlagen hat. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, erst wenn der Brief da sei, werde von der Leyen die nächsten Schritte überlegen. Die Entwicklung bedeute nicht zwangsläufig, dass der Starttermin für die neue Kommission am 1. November in Gefahr sei.

Bei den für Montag geplanten Anhörungen von Sefcovic (14.30 Uhr) sowie für Phil Hogan und Marija Gabriel (beide ab 18.30 Uhr) wurden keine großen Schwierigkeiten erwartet. Die drei gehören schon jetzt zur EU-Kommission von Jean-Claude Juncker.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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