Diplomatie

Der Erste: Altmaier in Washington - Voraustrupp für Merkel

Der Erste: Altmaier in Washington - Voraustrupp für Merkel

Der Erste: Altmaier in Washington - Voraustrupp für Merkel

dpa
Washington
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Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) steht vor seinem Abflug in die USA auf dem Vorfeld des Flughafens. Foto: Andreas Hoenig/dpa

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Ein halbes Jahr nach dem Antritt von Präsident Joe Biden kommt erstmals wieder ein deutscher Minister in die USA. Durchbrüche in wichtigen Fragen gibt es nicht. Peter Altmaiers Besuch dient anderen Zwecken.

Auf so etwas mussten deutsche Minister lange verzichten: Bilder vor dem Weißen Haus. Washington. Peter Altmaier steht am Lafayette Square, der Platz ist nur einen Steinwurf weit von der US-Machtzentrale entfernt.

Der Bundeswirtschaftsminister sagt: «Die Sonne scheint wieder über den deutsch-amerikanischen Beziehungen.» Nach den verheerenden Jahren unter Donald Trump ist das Klima unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden wieder deutlich besser geworden zwischen den USA und den Europäern. Es ist aber nicht gleich wieder alles eitel Sonnenschein - denn nun geht es bei vielen strittigen Fragen ums Eingemachte.

Altmaier hat sich in der US-Hauptstadt mit Bidens Sonderbeauftragten für Klima, John Kerry, getroffen - der Klimaschutz gehört zu den Feldern, in denen die Deutschen und Europäer nun eine enge Zusammenarbeit mit den USA anstreben. Unter Biden waren die USA zum Pariser Klimaschutzabkommen zurückgekehrt, Biden will immense Summen auch in die erneuerbare Energien stecken.

Kerry hat sein Büro zwar im Außenministerium, ein paar Blöcke vom Weißen Haus entfernt - vor die Kameras tritt Altmaier aber auf dem Lafayette Square. Ins Weiße Haus selbst kommt dann Mitte Juli die «Chefin», Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und trifft dort Biden. Und so ist Altmaiers Auftrag: versuchen, Bewegung in ungelöste Fragen zu bringen, Dinge ausloten. Vor ihm war vor dem Hintergrund der Corona-Krise kein anderer Bundesminister seit dem Amtsantritt der Biden-Regierung im Januar in Washington.

In Sachen Klimaschutz hat sich der CDU-Politiker früh für eine «Klimaallianz» mit den USA ausgesprochen. Für diese Allianz aber gibt es Hürden. Das hängt zusammen mit dem unterschiedlichen Tempo der Anstrengungen. Die EU will bis 2050 klimaneutral werden, Deutschland sogar bis 2045. Die USA erwägen ebenfalls das Ziel 2050, dies ist aber politisch noch nicht beschlossen.

Die EU fürchtet nun Wettbewerbsverzerrungen - wenn zum Beispiel die Stahlindustrie in der EU viel schneller als die Konkurrenz in anderen Ländern wie den USA auf eine klimafreundlichere, aber vorerst viel teurere Produktion umstellt. Dann wäre sie auf den Weltmärkten nicht mehr konkurrenzfähig, Jobs wären gefährdet. Daher wollen viele in der EU eine Art CO2-Grenzsteuer – für Produkte aus Ländern, in denen unter weniger klimafreundlichen Bedingungen produziert wird. In den USA wird das aber kritisch gesehen.

Altmaier sagt nach dem Treffen mit Kerry: «Ich glaube, unsere amerikanischen Freunde verstehen, dass Klimaschutz nur gelingt, wenn derjenige, der vorangeht und am meisten tut für Klimaschutz, dadurch und dafür nicht bestraft wird.» Er habe verstanden, dass es amerikanische Bedenken gebe, sagt der Minister - sieht aber Möglichkeiten für eine Lösung. Altmaier bringt ein System ins Gespräch, bei wichtigen Wirtschaftsgütern gemeinsam voranzugehen: «Wenn wir uns darauf verständigen könnten, beispielsweise "grünen Stahl" in den USA, in Japan, in Korea, in Deutschland zu einem gleichen Zeitpunkt zu produzieren, dann wäre die ganze Diskussion wesentlich einfacher zu führen.»

Ungelöste Fragen gibt es aber nicht nur beim Klimaschutz, sondern auch in der Handelspolitik. Altmaier wollte auch mit der neuen US-Handelsbeauftragten Katherine Tai zusammenkommen. Die USA sind für die exportstarke deutsche Wirtschaft ein herausragend wichtiger Handelspartner. Zwar gibt es im Streit über staatliche Hilfen für den US-Flugzeugbauer Boeing und seinen europäischen Rivalen Airbus eine Art Waffenstillstand. Eine langfristige Lösung aber muss erst verhandelt werden. Außerdem gelten noch immer die unter Trump verhängten Sonderzölle auf Stahl und Aluminium. Eine Reform der Welthandelsorganisation WTO steht weiter aus.

Dazu kommen weiter Reisebeschränkungen für Bürger und Unternehmen aus der EU in den USA. Und dann das Dauer-Streitthema Nord Stream 2: Die USA sind weiterhin strikt gegen die Gas-Pipeline von Russland nach Deutschland. Biden hat allerdings auch hier versöhnliche Signale in Richtung Berlin ausgesandt. Seine Regierung verzichtete auf Sanktionen gegen die Schweizer Nord Stream 2 AG und deren deutschen Geschäftsführer - ausdrücklich auch aus Rücksicht auf die Beziehungen zu Deutschland.

Gelingt bei dem Thema nun bald eine Verständigung? Die Außenminister Antony Blinken und Heiko Maas hatten am Mittwoch nach einem Treffen in Berlin einhellig betont, es gehe vor allem um den Schutz der Ukraine. Maas sagte, man wolle «sehr zügig» zu Ergebnissen kommen, die von den USA mitgetragen werden könnten. Als möglichen Termin für eine Einigung nannte er den Besuch von Merkel bei Biden.

Altmaier macht deutlich, es gehe vor allem darum, Gastransitleitungen durch die Ukraine dauerhaft zu sichern. Ob aber schon bis zum Besuch Mitte Juli eine Einigung gelingt? Altmaier will sich dazu nicht klar äußern. Dabei ist seine kleine Delegation so etwas wie ein Voraustrupp für Merkels Besuch. Altmaier: «All das, was ich beim Thema Handelspolitik erläutern, erklären und auch besprechen kann, ebenso beim Thema Klimaschutz, wird die Erfolgsaussichten der weiteren Reisen sicherlich nicht beschädigen, sondern eher voranbringen. Das ist selbstverständlich abgesprochen.»

Für den 63-Jährigen könnte es die letzte US-Reise als Minister sein. In Berlin glauben viele nicht daran, dass der enge Weggefährte der scheidenden Kanzlerin im Falle eines Wahlsiegs der Union noch einmal Minister wird. In seinem Umfeld heißt es, Politik sei manchmal unberechenbar. Für den Bundestag tritt Altmaier noch einmal an - so ganz aus dem Spiel sieht er sich noch nicht.

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