Von Afrika nach Nordschleswig

Aus Tansania heimkehren

Aus Tansania heimkehren

Aus Tansania heimkehren

Janni Moshage Moldt
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Tansania
Unterricht in Tansania Foto: Janni Moshage Moldt

Snapchat, Schulstress und Konsum – die junge Nordschleswigerin Janni Moshage Moldt hat das alles für eine Weile eingetauscht gegen ein Leben auf einer Farm in Afrika. Mit Elefanten, lachenden Kindern, traumhaften Sonnenuntergängen – und in Dänemark ungekannter Armut. Dritter und letzter Teil.

 

Wie ich es in den vergangenen Wochen schon so oft erklärt habe, so war es schwer, dorthin zu reisen, aber noch schwerer, wieder zu Hause anzukommen.

Als ich nach Tansania reiste, war mein Kopf voller Neugier, Energie und positiver Erwartungen – Erwartungen darüber, wie anders alles sein würde, ob ich mich zu Hause fühlen und ob die Menschen, die ich treffen würde, umgänglich sein würden.

Und ich könnte es ganz kurz machen und schreiben: Alles an Tansania übertraf meine Erwartungen um ein Vielfaches. Sowohl im Positiven wie im Negativen.  

 

Janni Moshage Moldt
Auf dem Schulhof Foto: Janni Moshage Moldt

 

Dankbar für die kleinsten Dinge

Als ich dann wieder in Dänemark landete nach meiner Tour über den Äquator, begann ich, so einiges zu begreifen.

Wenn man sich nun vorstellt, jeden Tag und den ganzen Tag lang von einer Schar lieber, dankbarer Kinder umringt zu sein, einen Alltag mit vielen Entbehrungen zu leben, und doch alles zu haben, was man braucht. Im Schnitt zehn Kilometer am Tag zu laufen, aber gar nicht weiter darüber nachzudenken. Dankbar zu sein für die kleinsten Dinge, an die du früher nie auch nur einen Gedanken verschwendet hast.

Kein Grund für Stress

Es ist fast so, als wäre ich in Afrika daran erinnert worden, dass es in Ordnung ist, dass man das, was man heute nicht besorgen kann, vielleicht ja dann morgen schafft – oder an einem anderen Tag.

Ich lernte, dass es gar keinen Grund gibt, sich wegen etwas Stress zu machen, das man nicht ändern kann. Das klingt doch eigentlich ganz klar und einfach, oder? Und doch ist es so unwahrscheinlich schwer für uns, das auch zu leben.

Doch die Dinge brauchen nun mal ihre Zeit, und das muss nicht immer schlecht sein. Große Veränderungen kommen nicht von einem Tag auf den anderen, und das ist doch auch okay.

Zu Fuß unterwegs: Schulkinder in Tansania Foto: Janni Moshage Moldt

 

Zu Fuß statt mit Mamas Auto

Wenn man nun also feststellt, dass das Leben gar nicht so angestrengt sein muss, wird man auch dankbarer und nimmt die Dinge nicht mehr selbstverständlich.

Sich zweimal täglich die Zähne zu putzen, überall hingefahren zu werden, krüsch zu sein und bestimmtes Essen einfach wegzuwerfen, „einfach so“. Oder die Tatsache, eine schwere Schultasche über der Schulter zu tragen, voller Bücher und Hefte, die viele Kinder als Bürde ansehen.

Doch in Wirklichkeit ist es nicht selbstverständlich, und niemand sollte darüber auch nur nachdenken müssen.

Denn viele Kinder haben kein einziges Schulbuch, weil dafür die Mittel fehlen. Die Schulhefte sind mit Drähten geflickt, und aus den Kugelschreibern wird der letzte Tropfen Tinte gepresst. So ist es einfach. Und dadurch habe ich viel gelernt. Denn weshalb sollte man sich unnötig sorgen, stressen oder frustrieren, wenn man daran letztlich nichts ändern kann? Stattdessen heißt es, es zu akzeptieren, tief durchzuatmen und damit zu leben.

Unterwegs in Tansania Foto: Janni Moshage Moldt

 

Höher, weiter, schneller – und wozu?

Hier in Dänemark sind wir sehr darauf bedacht, up to date zu sein, neu und modern, größer und effizienter zu werden. Ist doch schön, dass wir dafür die Ressourcen haben. Aber ist das wirklich nötig?

In Tansania habe ich gelernt, dass die allermeiste Arbeit mit den Händen ausgeführt wird. Die Menschen renovieren und konstruieren Straßen und Gebäude und mehr mit der Kraft der eigenen Hände, ihrer Körper und dem, was die Natur an Werkzeug bietet. Sie tragen Rohstoffe, Brennholz und Lebensmittel in Stapeln auf ihren Rücken oder Köpfen. Sie gehen täglich viele Kilometer, als ob das gar nichts wäre – denn es ist gar nichts, wir sind einfach nur zu faul geworden.

Ein Klassenzimmer Foto: Janni Moshage Moldt

 

Ein anderer Mensch geworden

Ich wurde oft gefragt, wie es ist, wieder zurück zu sein, und ob ich mich schon daran gewöhnt habe. Ich kann ehrlich sagen, dass ich nicht glaube, dass ich mich jemals daran gewöhnen werde. Und ich glaube ganz ehrlich auch nicht, dass ich jemals wieder dahin zurückkommen werde, wo ich „war“, als ich losreiste.

Vieles hat sich verändert, sowohl persönlich als auch zukunftsbezogen. Persönlich merke ich ganz deutlich, dass ich ein wesentlich entspannterer Mensch geworden bin. Ich schätze, was ich habe, und ich sehne mich nicht mehr nach Größerem und mehr, wie ich es früher tat.

Kinder in Tansania Foto: Janni Moshage Moldt

 

Alles geben, um denen zu helfen, die nicht privilegiert sind

Ich bin dankbar und froh und will um alles in der Welt weiterhin freiwillige Arbeit leisten, ausgeben, was ich habe, für die, die nicht haben, und ich will die vielen privilegierten Möglichkeiten, die ich habe, nutzen, um mich als Mensch zu entwickeln und das zu erreichen, was ich will. Besonders, weil ich weiß, dass viele andere das nicht können, finde ich, dass ich es ihnen schuldig bin, meine Privilegien nicht als gegeben hinzunehmen. Das wäre nicht ehrlich.

Nach meiner Zeit auf Jebsens Kaffeefarm bin ich inspirierter und motivierter als früher. Ich habe vielmehr das Gefühl, dass meine Stimme Gewicht hat und dass ich etwas für andere Menschen erreichen kann. Zumindest, dass ich für sie da sein kann, wenn ihnen eine helfende Hand fehlt. Dafür könnte ich dankbarer nicht sein.

Afrika hat mein Leben auf den Kopf gestellt, und ich bin bereit dafür, anzugehen, was meine neue Sicht auf das Leben, die neue Energie und die Erinnerungen im Gepäck zu meinem künftigen Leben und meinen Entscheidungen in Zukunft beitragen.

Es kann nur gut werden. 

Die ersten beiden Teile der Serie:

Die Shangri-La-Farm

Die Farm in Tansania gehört Jacob Christian Jebsen aus der Apenrader Reeder-Familie Jebsen.

1990 übernahm Jebsen, der 1980 sein Abitur am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig in Apenrade gemacht hat und seit den 1980er Jahren auf dem Dorotheenhof bei Loit Landwirtschaft betreibt, die Farm am Rande des Ngorongoro-Kraters in rund 1.800 Metern Höhe.

Haupteinnahmequelle ist Kaffee, der als Rohkaffee („NgoroNgoro Mountai Coffee“) und gerösteter Kaffee („Kifaru“) vertrieben wird, unter anderem durch die Lübecker Bäckereikette „Junge“.

Die Farm wird vorwiegend von einheimischen Mitarbeitern betrieben und geführt.

Auf dem Gelände gibt es einen Kindergarten und Unterricht für die Kinder der Mitarbeiter und der Saisonarbeiter, zudem unterstützt das Unternehmen eine benachbarte Schule.

Kifaru Coffee
Tansania

Tansania

Tansania liegt in Ostafrika und ist ungefähr doppelt so groß wie Schweden – und hat mit rund 57.000.000 Einwohnern ungefähr so viele wie Italien – oder zehnmal so viele wie Dänemark.
Regierungssitz ist Daressalam. Die Nationalsprache ist Swahili.

Auf dem Index der menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen liegt das Land relativ niedrig auf Rang 151, auf dem ungleichheitsbereinigten Index immerhin auf Rang 115 (Dänemark: 11 und 9,  Deutschland 5 und 7).

Tansania wurde 1961 unabhängig vom Vereinigten Königreich. Bis 1916 gehörten Teile des Landes zur deutschen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“.

Die Bevölkerung ist Schätzungen zufolge zu jeweils einem Drittel muslimisch, christlich oder traditionell religiös.

Während es keine religiösen Verfolgungen gibt, ist es laut den Vereinten Nationen um Frauen- und Kinderrechte in Tansania schlecht bestellt, Homosexuelle werden sogar staatlich verfolgt – obwohl das Land diverse Konventionen ratifiziert hat, die den Schutz von Frauen, Kindern und/oder sexuellen Minderheiten sicherstellen sollen.

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