Leitartikel

„Wenn Kopenhagen und Berlin dieselbe Sprache sprechen“

Wenn Kopenhagen und Berlin dieselbe Sprache sprechen

Wenn Kopenhagen und Berlin dieselbe Sprache sprechen

Apenrade/Aabenraa
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Deutsch hat es nicht nur in Dänemark schwer. Auch in den anderen nordischen Ländern verstehen nur noch wenige Menschen Europas meistgesprochene Muttersprache. Und das, obwohl Deutsch viele Türen öffnet. Cornelius von Tiedemann klopft die nordischen Regierungschefinnen ab – und erwischt sie beim Englischsprechen.

Neulich, als Schwedens sozialdemokratische Regierungschefin den ebenfalls sozialdemokratischen Bundeskanzler Olaf Scholz traf, sprach sie ganz ungezwungen auf Deutsch mit ihm. So wie man das über Generationen hinweg ganz selbstverständlich zwischen Menschen aus den nordischen Ländern und aus deutschsprachigen Ländern getan hat.

Diese Zeiten sind vorbei. Dazu, dass die deutsche Sprache an Attraktivität eingebüßt hat, haben die Deutschen weiß Gott ihren Teil beigetragen.

Doch abgesehen davon, wie verständlich es ist, dass sich die Menschen zwischen Krusau und Kiruna lange nicht mehr so gerne mit dem Deutschen beschäftigen wollten, hat dazu nicht nur die große Politik beigetragen.

Schließlich ist es anderen Sprachen ähnlich ergangen. Wie in Dänemark, so leben, ja, überleben Deutsch und zum Beispiel das einst so weltläufige Französisch heute auch in den anderen nordischen Ländern in einer Schicksalsgemeinschaft am Rande der Bedeutungslosigkeit in den Schulen und an den Universitäten.

Englisch hat alles verdrängt – und wer seine Kinder ganz vorne sehen wollte, hat ihnen nach der Jahrtausendwende sogar lieber Chinesisch in den Stundenplan diktiert als Deutsch.

Doch: Deutschland sei Norwegens wichtigster Partner in Europa, sagte Norwegens Regierungschef Jonas Gahr Støre kürzlich bei einem Treffen mit Deutschlands grünem Klimaminister Robert Habeck in Oslo. Auf Englisch.

Doch immerhin: Der Sozialdemokrat kann Deutsch. Nicht, weil er es in der Schule gelernt hätte. Nein, Støre ist von Haus aus frankophil, hat auch in Paris studiert.

Erst als Erwachsener hat er einen Deutschkurs besucht, den das Storting, das Parlament in Oslo, angeboten hat. Weil ihm irgendwann aufgegangen sei, sagte er einmal dem norwegischen Rundfunk „NRK“, wie wichtig Deutsch sei in Europa. Auch und gerade für die Jugend, „als Werkzeug, um viel erleben zu können“.

Støre kann also Deutsch, schätzt Deutsch und spricht gerne Deutsch – auch dann, aber längst nicht nur dann, wenn des mit Norwegen eng verbundenen ehemaligen (sozialdemokratischen)  Bundeskanzlers Willy Brandt gedacht wird.  

In Finnland regiert, wie es sich für nordische Länder derzeit gehört, die Sozialdemokratie und mit ihr Sanna Marin. Sie hat kürzlich dadurch für Aufsehen gesorgt, dass sie bei den Gesprächen mit ihrer schwedischen Kollegin Magdalena Andersson zum Nato-Beitritt nicht Schwedisch, sondern Englisch gesprochen hat. Das ist äußerst ungewöhnlich, ist Schwedisch doch auch in Finnland an allen Schulen obligatorisch und Muttersprache vieler Tausender Finninnen und Finnen.

In Schweden wird es mit Sorge wahrgenommen, wenn Marin kein Schwedisch spricht. Ihre Schulnoten in dem Fach waren schlecht, und sie selbst hat einmal gesagt, dass sie es bedauere, die Sprache nicht wirklich zu beherrschen. Hoffnungen auf Deutsch brauchen wir uns bei ihr deshalb wohl nicht zu machen.

Ein interessanter Blickwinkel der Debatte: In Schweden selbst wird davon ausgegangen, dass Englisch unumkehrbar eine Art Zweitsprache für alle in Schweden geworden ist – und dass Gespräche mit Menschen aus anderen Ländern schlicht und ergreifend immer auf Englisch geführt werden. Dass Journalistinnen und Journalisten aus Deutschland oder Frankreich heute, anders als früher, gar nicht mehr auf die Idee kommen, bei Pressekonferenzen in Stockholm (oder Kopenhagen, Oslo oder Helsinki) in ihrer Muttersprache zu fragen, ist nur ein Indiz dafür.

Sind Anderssons und Støres Deutschkenntnisse und ihr aktives Werben für die deutsche Sprache in ihren Heimatländern also nur die Ausnahme, die die Regel bestätigen? Vielleicht. Doch die Mode ist keine Einbahnstraße – und Totgesagte leben ja bekanntlich länger.

Welche Kraft Sprache haben kann, hat uns derweil die Vierte im nordisch-sozialdemokratischen Regentenbunde gezeigt. Eine, die ansonsten nicht bekannt dafür ist, gerne auf Deutsch zu parlieren. Doch vielleicht schätzt sie auch nur den deutschen Spruch „in der Kürze liegt die Würze“?

Mette Frederiksens vor zwei Jahren auf Düppel auf Deutsch gesprochener Satz „Auch ihr gehört zu Dänemark!“ hatte es jedenfalls in sich. Und er hat mehr Eindruck bei der deutschen Minderheit in Nordschleswig hinterlassen als viele lange Reden auf Deutsch zuvor und danach.

Bundeskanzler Olaf Scholz beherrscht, soweit bekannt, seinerseits keine nordische Sprache. Und mit Verlaub, auch sein Englisch hat einen deutlichen Hamburger Einschlag, wie wir neulich bei seinem Besuch in Esbjerg hören durften. Er wechselt vielleicht auch deshalb ganz gerne schnell ins Deutsche.

Sollte ihm auch hinsichtlich der Amtszeit gelingen, wozu er einst antrat, nämlich der neue Angela Merkel zu werden, dann haben die „Genossinnen“, wie man früher so sagte, in Helsinki und Kopenhagen also noch Zeit, aufzuholen, was Oslo und Stockholm schon fließend können: mit Berlin dieselbe Sprache sprechen.

 

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