Katastrophen

Zugunglück von Eschede vor 25 Jahren

Zugunglück von Eschede vor 25 Jahren

Zugunglück von Eschede vor 25 Jahren

dpa
Eschede
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Ein ICE passiert die Gedenkstätte für die Opfer des ICE-Unglücks von Eschede. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

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Eschede steht für das schreckliche ICE-Unglück vor 25 Jahren. In dem Ort in der Lüneburger Heide soll der 101 Toten gedacht werden. Die Hinterbliebenen werden die Katastrophe wohl nie vergessen.

Mit 200 Stundenkilometern prallt der Intercity-Express 884 «Wilhelm Conrad Röntgen» am Vormittag des 3. Juni 1998 gegen eine Betonbrücke. Ursache des Unglücks im niedersächsischen Ort Eschede ist ein gebrochener Radreifen, der sich an einer Weiche vor der Brücke verhakt hat. Bei dem bislang schwersten Bahnunglück in der bundesdeutschen Geschichte kommen 101 Menschen ums Leben, 105 Reisende werden verletzt. Die Namen der Opfer sind an der Gedenkstätte Eschede nordöstlich von Hannover auf Betonstelen nachzulesen. Das Unglück jährt sich nun.

25 Jahre danach ist der verheerende Unfall für Hinterbliebene und Helfer immer noch sehr präsent. Der Zug war auf dem Weg von München nach Hamburg. Heinrich Löwen, Sprecher der Hinterbliebenen, hat zum Jahrestag ein Buch mit dem Titel «ICE 884 – nach der ICE-Katastrophe von Eschede, Erinnerungen, Erfahrungen und Erkenntnisse» geschrieben. Er betont, das gemeinsame Erinnern und Trauern sei wichtig.

«Es ist keine Geschichte, die man so abhakt, das rührt einen schon an», sagt der 78-jährige Bayer, der damals seine Ehefrau und Tochter verloren hat. «Es ist nicht unbedingt leichter als früher, viele von uns sind auch älter geworden.» Und damit manchmal auch einsamer. So ein Tag rufe einiges hervor.

Langer Kampf um Entschädigung

In seinem Buch beschreibt er den langen Kampf um Entschädigung (30.000 Mark pro Todesopfer) und die Enttäuschung über die juristische Aufarbeitung. Ein Strafverfahren gegen die Bahn und den Radreifenhersteller wurde 2003 eingestellt. «Ich kann jetzt über das Verhältnis zur Bahn nicht klagen, aber der Unfall war absolut vermeidbar», sagt Löwen. Die Kontrolle der Räder sei vernachlässigt worden, es habe kein Bewusstsein gegeben, dass ein Rad brechen kann.

«Es ist so lange Zeit vergangen, viele sagen, es muss jetzt gut sein. Aber für die Betroffenen ist es eine sehr schwere Erinnerung», sagt Psychologe Georg Pieper über die Folgen einer Katastrophe wie Eschede. «Es geht vielen vor dem Jahrestag schlecht, es herrscht eine große Anspannung.» Pieper hat Opfer und Angehörige der ICE-Katastrophe betreut. Er gilt als einer der erfahrensten Trauma-Experten und war auch nach dem Amoklauf von Erfurt 2002 und dem Grubenunglück von Borken 1988 im Einsatz.

«Ich finde solche Gedenkfeiern sehr wichtig, um die Toten zu ehren und dem Leid der Betroffenen gerecht zu werden. Es wird nichts geheilt, aber schweigen ist noch schlimmer», sagt Pieper. «Es ist schon so, dass vieles verblasst. Aber für viele Angehörige ist es so, als wäre es gerade passiert. Da spielt Zeit keine Rolle», erklärt er.

«Zeit heilt nicht alle Wunden»

Nach so vielen Jahren würden viele versöhnlicher auf das Geschehene blicken, das sei hilfreich. «Die Zeit heilt nicht alle Wunden, macht aber ruhiger, besonnener.» Das passiere bei Menschen, die viel darüber geredet und auch geweint hätten, erklärt der Krisenpsychologe. Menschen, die sich zurückziehen, verbitterten dagegen oft.

Im vergangenen Jahr sorgte eine Veranstaltung des örtlichen Schützenvereins am 3. Juni für Aufregung und Unverständnis bei Hinterbliebenen. Weil die 100-Jahr-Feier in der Pandemie ausgefallen war, wurde sie 2022 über mehrere Tage nachgeholt. Bürgermeister Heinrich Lange verteidigte die Feiernden, zumal in der Mittagszeit Ruhe während der Gedenkfeier herrschte.

Auch dieses Jahr gibt es wieder eine. Für Samstag ist ein stilles Gedenken am Mahnmal vorgesehen. Geplant sei, dass unter anderem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), Bahn-Chef Richard Lutz und der Landesverkehrsminister Olaf Lies (SPD) sprechen, teilt ein Bahnsprecher mit. Danach gibt es ein Zusammensein der Hinterbliebenen.

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