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SPD-Streit vor Sonderparteitag wird härter

SPD-Streit vor Sonderparteitag wird härter

SPD-Streit vor Sonderparteitag wird härter

dpa
Berlin
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Kevin Kühnert
Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert. Foto: Scanpix

Drei Tage vor dem richtungsweisenden SPD-Parteitag spitzt sich der innerparteiliche Streit über die mögliche Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union zu. Fraktionschefin Andrea Nahles warf den GroKo-Gegnern vor, es mit den Fakten nicht so genau zu nehmen.

"Was der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert in Sachsen-Anhalt zum Thema Rente gesagt hat, ist schlichtweg falsch", sagte Nahles den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Kühnert wies die Vorwürfe am Donnerstag zurück und bekräftigte die Ablehnung der Jusos zu einer Neuauflage der großen Koalition. Die GroKo-Gegner hätten eine "echte, reale Chance", die Abstimmung auf dem Parteitag zu gewinnen.

Die Jusos hätten 80 bis 90 Delegierte auf dem Parteitag am Sonntag in Bonn. Dort stimmen insgesamt 600 Delegierte und der SPD-Vorstand darüber ab, ob es Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU geben soll. Kritiker aus den Reihen der SPD beurteilen die Sondierungsergebnisse mit der Union als unzureichend und wünschen sich "Nachbesserungen", etwa bei der Steuerpolitik oder beim Gesundheitssystem. Viele haben aber auch prinzipielle Bedenken gegen eine erneute große Koalition. Im Falle von Koalitionsverhandlungen mit der Union sollen die SPD-Mitglieder über das Ergebnis abstimmen.

Bei dem Renten-Streit innerhalb der SPD geht es um Aussagen von Kühnert bei einem Landesparteitag in Wernigerode (Sachsen-Anhalt) am vergangenen Samstag. Konkret geht es um das Sondierungsergebnis von Union und SPD, nach dem die gesetzliche Rente auf heutigem Niveau von 48 Prozent bis zum Jahr 2025 gesetzlich abgesichert werden soll.

Juso-Chef: "Kein großer Wurf"

Kühnert wiederholte am Donnerstag in Berlin seine Kritik. Die geplante Festschreibung des Rentenniveaus bis 2025 lasse die wesentlichen Fragen zur Zukunft der gesetzlichen Rente unbeantwortet. Das Sondierungsergebnis in der Rentenfrage sei "kein großer Wurf".

Der Juso-Vorsitzende schlug zugleich versöhnliche Töne an. "Wir setzen uns argumentativ, ruhig und besonnen miteinander auseinander", sagte er. Alle eine das Ziel, die SPD für die Zukunft gut aufzustellen. Die SPD sei aber in einer extrem schwierigen Situation. "Egal, wie wir uns entscheiden, wir werden Menschen vor den Kopf stoßen." Die SPD brauche eine grundsätzliche Diskussion über eine Neuausrichtung und müsse sich fragen, wie sie den "Teufelskreis" ewiger großer Koalitionen durchbrechen könne.

SPD-Fraktionschefin Nahles warb in den Zeitungen der Funke Mediengruppe eindringlich für ein Ja zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU. "Ich bin davon überzeugt, dass wir in den Sondierungen ein gutes Ergebnis erzielt haben, um das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger ganz konkret zu verbessern." Sie verwies auf die Renten- und Gesundheitspolitik sowie die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen.

Linker Flügel offenbar für Verhandlungen

Die Fraktionsvorsitzende gab die Einschätzung ab, ein Drittel der Delegierten sei noch unentschlossen. Die Parlamentarische Linke der SPD-Bundestagsfraktion ist nach Angaben ihres Sprechers Matthias Miersch ganz überwiegend dafür, Koalitionsverhandlungen mit der Union aufzunehmen. Bei einer Abstimmung in dieser Woche hätten etwa 90 Prozent der mehr als 60 Anwesenden dafür gestimmt, sagte Miersch.

Unterdessen verliert die SPD kurz vor dem Parteitag in einer Umfrage weiter an Zuspruch. Sie rutschte im Vergleich zur Vorwoche um zwei Punkte auf 18 Prozent ab, wie das Forsa-Institut am Donnerstag mitteilte. Union, Linke und AfD legten dagegen in der Umfrage für das RTL/n-tv-Trendbarometer um jeweils einen Prozentpunkt zu. Die CDU/CSU könnte aktuell mit 34 Prozent rechnen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, die Linke mit 10 und die AfD mit 12 Prozent. Die Grünen kämen ebenfalls auf 12 Prozent, die FDP auf 8 Prozent.

Bürger wünschen sich Gabriel als Vizekanzler

Ehemalige Parteigrößen wie der frühere SPD-Chef Kurt Beck empfahlen den Delegierten, für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union zu stimmen. Der frühere Bundesfinanzminister Hans Eichel sagte der "Saarbrücker Zeitung", 2018 sei das Schicksalsjahr der europäischen Einigung. "Nur mit der SPD in der Bundesregierung gibt es den notwendigen positiven Beitrag Deutschlands dazu." Eichel fügte hinzu, die SPD müsse sich grundlegend erneuern. "Der Parteivorsitzende muss sich an die Spitze stellen, darf nicht selbst in die Regierung gehen, nur so wird dieser Prozess glaubwürdig und stark."

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur wünschen sich beim Zustandekommen einer neuen großen Koalition mehr Bürger Sigmar Gabriel auf dem Vizekanzlerposten als SPD-Chef Martin Schulz. Demnach sprachen sich 33 Prozent dafür aus, dass Gabriel Stellvertreter von Bundeskanzlerin Merkel (CDU) bleibt. Nur 22 Prozent wünschten sich seine Ablösung durch SPD-Chef Schulz.

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