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Mäuse, Affen, Pelztierzucht? - Tiere und das Corona-Risiko

Mäuse, Affen, Pelztierzucht? - Tiere und das Corona-Risiko

Mäuse, Affen, Pelztierzucht? - Tiere und das Corona-Risiko

dpa
Berlin
Zuletzt aktualisiert um:
Zwei Nerze schauen aus ihren Käfigen auf einer Pelzfarm. Foto: Sergei Grits/AP/dpa

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Das Coronavirus verbreitet sich ohne Schutz leicht unter Menschen. Aber was macht es bei Tieren? Und wie groß ist die Gefahr, dass gefährlichere Virusvarianten von ihnen zum Menschen zurückkehren?

Corona? Zumindest im Sommer in Deutschland waren die Zahlen lange Zeit gesunken. Doch die Sorge der Wissenschaft gilt nicht nur menschlichen Patienten, sondern auch solchen aus dem Tierreich.

Drohen wir Menschen gefährdete Arten anzustecken? Verbreitet sich das Virus unbemerkt schon unter Mäusen? Kann es in Tieren mutieren und später in gefährlicherer Form wieder zum Menschen zurückkehren? Spätestens nach der Tötung von Millionen Nerzen aus der dänischen Pelztierzucht 2020 ist klar: Abwegig ist ein solches Szenario nicht. Experten mahnen dringend Vorsichtsmaßnahmen an.

«Leider respektiert dieses Virus Barrieren zwischen Arten nicht so gut wie die meisten anderen Krankheitserreger», sagte der Mikrobiologe und Veterinärmediziner Fabian Leendertz vom Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin der Deutschen Presse-Agentur. Er ist in Ermittlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Corona-Ausbruch in China eingebunden. Ab August ist er Gründungsdirektor eines Helmholtz-Instituts in Greifswald für One Health, was wörtlich übersetzt bedeutet: eine Gesundheit. Es geht um die Schnittstelle von Mensch, Tier und Umwelt.

Probleme eher in tropischen Zonen

Wie der Wissenschaftler sagt, können sich mit den klassischen viralen Atemwegserkrankungen in der Regel höchstens engste Verwandte des Menschen im Tierreich anstecken, etwa Gorillas und Schimpansen. Bei Sars-CoV-2 hingegen seien bereits Übertragungen auf Nerze, Katzen und weitere Tierarten nachgewiesen. Das Spektrum an empfänglichen Arten sei damit größer als gewohnt. Und es verbreitert sich offenbar noch weiter: Im Labor konnten Mäuse mit einigen der neuen, als besorgniserregend eingestuften Varianten infiziert werden. Mit dem Virus vom Pandemiebeginn war das nicht möglich gewesen. Es ist denkbar, dass mittlerweile auch weitere Nagetiere infizierbar sind.

Trotz dieser Erkenntnisse und trotz Überlegungen zum Aufbau eines stichprobenartigen Wildtiermonitorings in der EU gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass in Wildtieren in Deutschland Ansteckungsketten laufen. Es wird nach Auskunft des Präsidenten des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Thomas Mettenleiter, jedoch bislang nicht gezielt untersucht, auch mangels Anhaltspunkten. Eine heimische Art wie der Marderhund etwa sei zwar für das Virus empfänglich. «Ich sehe aber zumindest im Moment nicht die Gefahr, dass sich dort ein Reservoir bildet, das dann gefährlich für den Menschen sein kann.»

Fabian Leendertz' Befürchtungen beziehen sich eher auf die Tropen, und weniger auf unsere Breiten: Dort sei die Gefahr des Entstehens neuer Reservoire wesentlich wahrscheinlicher, weil es mehr und engere Mensch-Tier-Kontakte gebe. Der Zoonosen-Experte warnt vor den Folgen von Ansteckungen für Tiere: «Wir Menschen müssen auch bedenken, dass wir eine Gefahr für ein bedrohtes Wildtier darstellen können. Wir sollten versuchen, möglichst wenig Arten zu infizieren.»

Hygieneregeln in Zoos

Die Sorge gilt zum Beispiel den Menschenaffen. «So eine garantiert empfängliche Spezies kann für das Virus die Eintrittspforte in den Urwald sein», sagte Leendertz. Verendet ein infiziertes Tier und frisst zum Beispiel ein Leopard vom Aas, könnte sich die Kette der Ansteckungen fortsetzen. Dass Corona für solche Tiere nicht harmlos ist, zeigen unter anderem Zoos, in denen etwa Löwen daran starben.

Auch Zoos in Deutschland sind wachsam. Im Berliner Zoo zum Beispiel gelten seit 2020 insbesondere bei Raubtieren und Primaten Hygiene- und Verhaltensregeln. Wenn möglich komme es nicht zu direktem Kontakt zwischen Pflegerinnen und Pflegern und Tieren, zudem herrsche Maskenpflicht in Anlagen und bei der Futter-Zubereitung, hieß es.

Auch Menschen, die in Beruf oder Freizeit mit Wildtieren in Kontakt kommen, sollten vorsichtig sein, mahnt Mettenleiter: Wer etwa Fledermäuse einfängt, vermisst, beringt oder besendert, sollte demnach zum Beispiel mindestens eine Schutzmaske tragen. «Auch infektiöse Abfälle sollte man als mögliches Risiko im Blick behalten», gibt Leendertz mit Blick auf Mäuse, Ratten oder Waschbären zu bedenken, die aus Mülltonnen fressen. «Dass sich eine Art so infiziert, ist zwar unwahrscheinlich, aber auch nicht unmöglich.»

Ausbrüche in der Pelztierzucht

Entwarnung geben Fachleute in Hinblick auf Haustiere. Zwar zeigen Untersuchungen, dass sich vor allem Katzen recht oft bei ihren Haltern mit Corona anstecken. Aber sie erkranken nicht schwer und sind für das Virus, auch mangels Kontakten zu einer großen Zahl anderer Tiere, wohl eher eine Sackgasse: «Es ist eindeutig, dass diese Tiere den Erreger vom Menschen aufschnappen und weiter offenbar epidemiologisch keine Bedeutung haben», sagte Mettenleiter.

Die bisherigen Corona-Meldungen von Haustieren - neun bundesweit laut FLI - verblassen angesichts der Fallhäufung in der Pelztierzucht. Die größte Zahl an bislang nachgewiesenen Fällen bei Tieren in Europa dürfte es auf solchen Farmen gegeben haben: Laut Deutschem Tierschutzbund sind in EU-Staaten bis Mitte Mai Ausbrüche auf mehr als 400 Nerzfarmen bekannt geworden, mit Millionen betroffenen Tieren. Die Tierschützer fordern ein Ende der Pelztierhaltung - global. Hintergrund sind auch Befürchtungen von Experten wie dem Virologen Christian Drosten, dass Sars-CoV-2 auf diesem Weg den Sprung aus Fledermäusen auf den Menschen geschafft haben könnte.

Bei Ausbrüchen in Europa ist beobachtet worden, dass Sars-CoV-2 nicht auf die Ställe begrenzt blieb: Als Grund für die Keulung der dänischen Nerze hatte die dortige Regierung angegeben, das Virus sei in den Tieren mutiert und auf Menschen übertragen worden. Eine Studie zu niederländischen Nerzfarmen wies Fälle auch bei Katzen nach, die auf Höfen lebten oder herumstreunten.

Müssen Impfungen her?

Die große Zahl an Tieren auf kleinerem Raum als es in der Natur üblich wäre, ermöglichen dem Virus, einmal eingeschleppt, auch eine große Zahl an Ansteckungen und eine Anpassung. Für Fachleute bedenklich: «Zumal wir wissen, dass das Virus in einem neuen Wirt einem anderen Immundruck ausgesetzt ist und sich dann eher neuen Quatsch ausdenkt - also mutiert. Das kann dann zum Problem werden für unsere Impfstoffe», sagte Leendertz. Dass bereits die aufgekommenen besorgniserregenden Corona-Varianten von Tieren zurück zum Menschen gekommen sind, sei schwer komplett auszuschließen.

«Die Situation auf Pelztierfarmen ist besonders: Nerze sind sehr anfällig für die Infektion», sagte auch Mettenleiter. Ausbrüche auf solchen Farmen fielen auch durch erkrankte Tiere auf und nicht etwa nur rückwirkend durch epidemiologische Untersuchungen. «An dem Thema muss man sicherlich dranbleiben.» Während mehrere Länder bereits das Ende der Nerzhaltung angekündigt hätten, setzten andere auf Impfungen des betreuenden Personals, teils seien auch schon Tier-Impfstoffe im Einsatz, so Mettenleiter.

Im Frühjahr hatte Russland nach eigenen Angaben als erstes Land weltweit einen Corona-Impfstoff für Tiere zugelassen. In Europa sind solche Impfungen bislang aber kein Thema. Und für hierzulande gehaltene Nutztiere sind sie nach bisherigen Erkenntnissen auch nicht erforderlich: Bei Rindern und Schweinen etwa gilt das Corona-Risiko als sehr gering.

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