Kunst kontra Wildschweinzaun

Christian Ristau plakatiert den Grenzübergang Schusterkate

Christian Ristau plakatiert den Grenzübergang Schusterkate

Christian Ristau plakatiert den Grenzübergang Schusterkate

Gunnar Dommasch/shz.de
Flensburg
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Bilder einer Ausstellung: Christian Ristau zeigt seine Werke Open Air an einem ungewöhnlichen Ort. Foto: Gunnar Dommasch

In einer Nacht- und Nebelaktion hängt der Flensburger Maler sieben Kunstdrucke an das Geländer der Holzbrücke.

Politischer Protest kennt viele Ausdrucksformen. Christian Ristau setzt Kritik in Bildern um. Und damit macht er das, was er am besten kann: Malen nämlich – das ist sein Metier. Und das macht er schon seit über 20 Jahren. Aktuell hat er den umstrittenen Wildschweinzaun entlang der deutsch-dänischen Grenze ins Visier genommen.

 
 

In einer Nacht- und Nebelaktion hängte er am vergangenen Donnerstag zusammen mit einem Kumpel, ausgerüstet mit Stirnlampen, konspirativ sieben Kunstdrucke an das Geländer der Holzbrücke. „Das wollte ich eigentlich schon viel früher tun“, sagt der 48-Jährige. Doch Corona kam dazwischen. „Jetzt habe ich es ganz schnell zwischen der ersten und der zweiten Welle getan", so Ristau.

Eines der Bilder ist nur einen Tag später spurlos verschwunden. Entwendet. Ob Gesetzeshüter oder Kunstliebhaber (oder beides in einem) dafür verantwortlich sind – darüber kann man nur spekulieren.

Liebesgeflüster: Zwei Frösche im offenen Dialog Foto: Gunnar Dommasch

Doch der Verlust ficht Ristau nicht an. „Ich hab schon fleißig nachgedruckt“, sagt er, „und am Wochenende pflastere ich hier alles dicht.“

Sprüche und plüschige Bommel

Der Flensburger kennt das schon. Vor ziemlich genau einem Jahr hatten Aktivisten den Zaun am Übergang Ellund zu Teilen bunt umhäkelt, mit Sprüchen und plüschigen Bommeln versehen. Ristau hängte seine kritischen Drucke dazu, acht an der Zahl. Nur eins hat überlebt. „Das kam wohl nicht so gut an“, mutmaßt der Künstler.

Grüne Grenze mit rot-weißem Flatterband Foto: Gunnar Dommasch

Über einen Mangel an Publikum muss sich Christian Ristau keine Sorgen machen. Immer wieder kommen Spaziergänger und Radfahrer an der Schusterkate vorbei. Verhinderte Grenzgänger. Am rot-weißen Flatterband ist Endstation. Ratlose Gesichter. „Ist das wegen Corona?“, will einer wissen. Dann trollen sich alle wieder in die Richtung, aus der sie gekommen sind.

Doch vorher werfen sie – was für ein Glück! – einen Blick auf die Drucke. Ob sie es für groben Unfug, Umweltverschmutzung oder tatsächlich Kunst halten, bleibt offen.

„Kopenhagen, wir haben ein Problem“, steht auf einem Bild – in Anlehnung an den legendären und viel zitierten Funkspruch bei der Apollo-13-Mission. Wir begegnen zwei Fröschen, die an der grünen Grenze noch nie ein Wildschwein gesichtet haben sowie einem Appell an Dänemarks Ministerpräsidentin Mrs. Mette Frederiksen.

Eine Art zweite Grenze

Auch eine Strandszene wird gezeigt: „Mama sagt, früher gab es hier keinen Zaun“, sagt ein Bruder zum anderen, der eine auf einem deutsch, der andere auf einem dänisch geflaggten Badetuch. Nicht zuletzt hat Ristau die Stadt Flensburg als einen Planeten dargestellt – mit Rathaus, Kirchen, Alexandra, Nordertor und Wasserturm. „Einen Zaun? Wer braucht denn den? Kein Schwein!“, schallt es aus den Fenstern.

Der Zaun – eine Art zweite Grenze. „Ein schlechtes Signal für eine Vorzeigegrenze, was sie einmal war“, sagt Ristau. Man habe ja nicht einmal merken können, auf welcher Seite man war. „Jetzt drehen sie ein bisschen durch“, findet er. Und meint damit nicht die Schweine.

Angst um die Schweineindustrie

Er verstehe ja die Angst des Nachbarn um seine Schweineindustrie. „Ob sie in dieser Form noch zeitgemäß ist, darf man zumindest hinterfragen“, sagt der Maler – mit Verweis darauf, dass Dänemark doppelt so viele Schweine aufweist wie Menschen.

Finanzielle und künstlerische Freiheit

Christian Ritzau hat erstmals 2008 ausgestellt, seitdem hat er seine Bilder etwa in Apenrade/Aabenraa, Hamburg, Wien und sogar North Carolina gezeigt. Von der Kunst allein kann er nicht leben. Doch sein Job bei der Versatel gewährt ihm die finanzielle Freiheit, nicht unter Druck produzieren zu müssen. Zudem, so denkt er, „hängt doch niemand meine Bilder in sein Wohnzimmer. Dann müsste ich schon Maritimes oder Rapsfelder malen".

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