Umweltschutz

Breite Front gegen Reklame-Müll in den Briefkästen

Breite Front gegen Reklame-Müll in den Briefkästen

Breite Front gegen Reklame-Müll in den Briefkästen

cvt/Ritzau
Kopenhagen
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Kein Land in Europa produziert pro Kopf so viel Müll wie Dänemark. Die Reklamepost trägt ihren Teil dazu bei (Symbolfoto). Foto: Nils Meilvang/Ritzau Scanpix

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Kein Land produziert pro Kopf mehr Müll als Dänemark. Ein Grund ist Werbepost. Wirtschaft, Einzelhandel und Umweltverbände wollen dem jetzt ein Ende machen. Der Plan: Die bisherigen Regeln sollen auf den Kopf gestellt werden.

Der Briefkasten quillt über vor Werbung, die niemand angefordert hat – und die sofort wieder im Papiermüll landet. In Dänemark gehört das auch im Jahr 2022 noch zum Alltag.

Nach Angaben des dänischen Abfallverbands werden in Dänemark jedes Jahr zwischen 57.000 und 100.000 Tonnen Papierwerbung verteilt, je nach Berechnungsgrundlage.

Papierberge, die zu einer ernüchternden Tatsache beitragen: Die Menschen in Dänemark produzieren pro Kopf den meisten Abfall in der EU.

Ungewöhnliche Allianz für den Ressourcenschutz

Diese völlig unnötige Verschwendung von Ressourcen müsse jetzt aufhören. Wenn die Menschen Sonderangebote in ihren Briefkästen sehen wollen, müssten sie künftig aktiv „Ja zur Werbung“ sagen.

Das fordern der Wirtschaftsverband DI, der Lebensmittelriese Coop, der dänische Verbraucherrat Tænk, der Naturschutzbund DN und eine Reihe anderer Umweltorganisationen.

Deshalb haben sie sich nun – in seltener Einmütigkeit – mit einem offenen Brief an die Regierung gewandt. Mit der dringenden Forderung, ein System einzuführen, bei dem sich die Bürgerinnen und Bürger aktiv dafür entscheiden müssen, dass Postwurfsendungen mit Werbung bei ihnen im Briefkasten landet.

Derzeit müssen sich die Menschen umgekehrt für das „Werbeverbot“ anmelden und einen Aufkleber am Briefkasten anbringen, wenn sie die Reklamehefte nicht wollen.

Arbeitgebendenverband DI: Gezielte Werbung sinnvoller

„Die Regelung ist völlig unpassend für eine nachhaltige Transformation der dänischen Gesellschaft und sollte natürlich geändert werden. Es ist auch eine Regelung, die dem erklärten Ziel des Umweltministers, den Mülltrend zu stoppen, direkt widerspricht“, heißt es in dem Brief.

Branchendirektor Jacob Kjeldsen von DI Handel nennt ein Ja-Danke-System „gesunden Menschenverstand“.

„Sowohl in Bezug auf die Klimaagenda als auch, um diejenigen Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zu belästigen, die keine überfüllten Briefkästen wollen“.

Für Werbetreibende wäre es mit einem Ja/Nein-Schema einfacher, ihre physische Werbung auf die Kundschaft auszurichten, betont Jacob Kjeldsen.

Per Thau, Geschäftsführer von Coop, fügt hinzu: „Es ist das Richtige, das jetzt zu tun. Wir selbst investieren in den nächsten Jahren Millionen von Kronen, um die Kommunikation mit unseren Kunden auf digital umzustellen. Gleichzeitig haben wir die gedruckten Anzeigen unserer beiden größten Ketten, Kvickly und SuperBrugsen, zusammengelegt und bei Dagli'Brugsen komplett abgeschafft.“

Auch der Baumarkt Silvan hat die Papierangebote aufgegeben.

Der Volkssozialist Carl Valentin fordert die Regierung dazu auf, Farbe für den Umweltschutz zu bekennen (Archivfoto). Foto: Philip Davali/Ritzau Scanpix

Regierung sträubt sich – Arbeitsplätze in Gefahr?

Grüne Organisationen drängen schon lange auf eine Änderung des Gesetzes. Die Vorschläge im Parlament sind bisher im Sande verlaufen.

Im Juni 2020 versprach die sozialdemokratische Regierung auf Initiative des umweltpolitischen Sprechers der Volkssozialisten, Carl Valentin, die Möglichkeit zu prüfen, die Regelung umzudrehen – von „Nein danke“ zu „Ja bitte“ – , aber nichts ist passiert.

„Die Regierung sagt, dass sie daran arbeitet, aber sie verzögert die Angelegenheit wie verrückt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie nervös ist, weil es um Arbeitsplätze geht“, sagt Valentin.

Er erwartet jetzt Fortschritte, weil „eine große Gruppe von wichtigen Akteuren“ sich an die Regierung wendet.

Außerdem passe das doch wunderbar zu Mette Frederiksens Aussage, dass sie nicht mehr primär rot, sondern vor allem grün sei, bezieht sich Valentin auf den kürzlich verkündeten Sinneswandel der Staatsministerin.

Lokalzeitungen und Journalismus sollen von der Regelung nicht betroffen werden, betont er. Es soll lediglich um dezidierte Reklame-Postwurfsendungen gehen, zudem sein eine Übergangslösung vorstellbar.

Keine Mehrheit

Unmittelbar zeichnet sich jedoch keine politische Mehrheit für den Vorschlag ab. Sowohl Venstre als auch die Sozialdemokraten sprechen sich gegen neue Regeln für die Werbepost aus

Die beiden Parteien befürchten, der Preis für die Verteilung der lokalen Wochenzeitungen würde stark ansteigen, wenn nicht gleichzeitig Werbung ausgeteilt werde. Venstre und die Sozialdemokraten stellen gemeinsam eine Mehrheit im Folketing.

Gegenwind vom Unternehmerverband

Der dänische Unternehmerverband Dansk Erhverv ist im Gegensatz zu Dansk Industri nicht begeistert von dieser Idee. Direktor Henrik Hyltoft sagt, dass dies „große negative Folgen“ für lokale Geschäfte und Lokalzeitungen haben werde.

„Vor allem außerhalb der Großstädte nutzen die Däninnen und Dänen die Printwerbung nach wie vor ausgiebig, und sie bietet kleineren Geschäften und vor allem dem unter Druck stehenden Fachhandel einen effektiven Kommunikationskanal in einer Welt, in der sich vieles ins Internet verlagert“, sagt er.

Der Artikel ist am Sonntag um 17.10 Uhr um die Stellungnahmen von Venstre und Sozialdemokraten ergänzt worden.

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