9-Euro-Sommer 2022

Warum sich die Punks auf Sylt vor Rossmann wohler fühlen

Warum sich die Punks auf Sylt vor Rossmann wohler fühlen

Warum sich die Punks auf Sylt vor Rossmann wohler fühlen

Inga Kausch und Nils Leifeld
Sylt
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Hydra, Camou und E.T. verbringen den Mittwoch vor der neuen Rossmann-Filiale. Foto: Kausch/shz.de

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Wochenlang veranstalteten Punks auf Sylt Partys an der Wilhelmine und badeten im Brunnen. Nun hat sich das Geschehen zehn Meter weiter verlagert: Die Punks haben sich vor der neuen Rossmann-Filiale nahezu häuslich eingerichtet.

Das Bild auf Sylt hat sich gewandelt — wenn auch nur minimal. Statt am oder im Brunnen an der Wilhelmine haben sich die Punks jetzt vor der neuen Rossmann-Filiale, direkt gegenüber des ehemaligen 9-Euro-Hotspots häuslich eingerichtet. „Hier ist Schatten und der Brunnen ist uns zu eklig geworden, weil viele da reingepisst haben und das Wasser nicht mehr schön ist“, erklärt Camou aus Hannover.

Die Stimmung im neuen Hauptquartier ist gut: Rund zehn Punker sitzen und liegen zwischen vollgepackten Einkaufswagen, ein Schwimmring in Donut-Optik liegt schlaff neben einer Schnapsflasche, Musik dröhnt aus einem Lautsprecher.

Geschäftsleute mit mit Bollerwagen und Schnapsflasche

Camou sitzt mit ihrer Freundin Hydra und ihrem neuen Bekannten E.T. in erster Reihe. „Wir sind Geschäftsleute. Wer ein Foto von oder mit uns machen will, muss was bezahlen“, erklärt sie. Dazu seien viele Menschen bereit und würden sich zudem über das ungewohnte Bild auf Sylt freuen, so die Hannoveranerin weiter.

Dass sie die gesamte Hausfassade der erst kürzlich eröffneten Rossmann-Filiale belagern, hinterfragen sie und ihre Freunde nicht: „Wir bleiben hier.“ Wie die Drogeriemarktkette auf das Geschehen blickt, ist nicht klar: Auf Nachfrage von shz.de hieß es von Seiten des Unternehmens lediglich: „Wir bitten um Verständnis, dass wir uns dazu nicht äußern.“

Die Punk-Lager verlagern sich beinahe wöchentlich

Vor zwei Wochen betitelte Bürgermeister Nikolas Sylt die Situation in Westerland als „dynamisch“ und dieser Zustand hält noch immer an: Nach dem Hotspot am Wilhelminen-Brunnen zum Start des 9-Euro-Tickets wanderten die Punks vornehmlich in den Park vor dem Rathaus ab, nachdem sich anliegende Unternehmer beschwert hatten und die Gemeinde mit „Maßnahmen“ gegen die Lage vorgehen wollte.

Inzwischen hat die Gemeinde auch etwas unternommen. Beispielsweise ließ sie öffentliche Toiletten aufstellen, um dem Wildpinkeln der 9-Euro-Gäste vorzubeugen. „Die Dixies stehen schon die Woche über im Rosengarten und an der öffentlichen Toilette am Rathaus“, teilt Bürgermeister Häckel shz.de mit. Zudem wurde ein Sicherheitsdienst angeheuert, um in der Westerländer Innenstadt für Ordnung zu sorgen.

„Unser Sicherheitsdienst wird nicht eingesetzt gegen die Punks und andere Störenfriede“, so Häckel weiter. Der Sicherheitsdienst verstärke - wie auch schon in den Vorjahren - den Außendienst des Ordnungsamtes und werde entsprechend tätig. „Uns geht es darum, dass die allgemeinen gesellschaftlichen Regeln von Allen eingehalten werden. Hier wird der Sicherheitsdienst das Ordnungsamt unterstützen.“

Nun hat sich also das Punk-Lager zu Rossmann verlagert, während einzelne Gruppen zudem in der Friedrichstraße sitzen — der Park ist Mittwochmittag hingegen leer.

Eines hat sich jedoch nicht geändert. Die Punks schlafen weiterhin am Strand. Punkerin Camou erzählt: „Wir haben uns mit dem Reinigungspersonal geeinigt, dass sie uns um sieben Uhr wecken können und dann gehen wir auch. Einige schlafen aber auch an der alten Tankstelle gegenüber vom Bahnhof.“ Sie selbst wolle mit ihrer Freundin am Donnerstag zurück nach Hannover fahren — sechs Stunden planen sie dafür ein. Doch es wird nicht ihr letzter Besuch gewesen sein. „Wir kommen auf jeden Fall am 30. Juli wieder, wenn die Nazis hier demonstrieren. Da stellen wir uns klar gegen“, sagt Camou und macht vor, wie das funktionieren soll: Arme beim Nebenmann einhaken, gerader Rücken, Blick nach vorn.

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