High-Tech aus Schleswig

Saubere selbstfahrende Boote für die Schlei

Saubere selbstfahrende Boote für die Schlei

Saubere selbstfahrende Boote für die Schlei

Stephan Schaar/shz.de
Schleswig
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Stefanie und Lars Engelhard arbeiten zusammen mit Sensorik-Experte Bernd Rech (rechts) an dem Prototyp „Zero One“ ihrer autonom und emissionslos fahrenden Fähre. Foto: Stephan Schaar

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Das Projekt „Unleash Future Boats“ von Stefanie und Lars Engelhard nimmt Fahrt auf. Bald soll der Prototyp ins Wasser.

In der Werkstatt der alten Schnapsfabrik an der St. Jürgener Straße entsteht derzeit ein Prototyp, der wegweisend für die Zukunft der Mobilität sein könnte: nachhaltig, autonom und emissionsfrei. Das Unternehmer-Ehepaar Stefanie und Lars Engelhard sprüht vor Begeisterung für das Projekt „Unleash Future Boats“, mit dem sie elektrische, autonom fahrende Boote mit Brennstoffzelle und grünem Wasserstoff zur Serienreife bringen wollen. So wollen sie individuelle Mobilität von der Straße aufs Wasser verlagern.

Konsequent nachhaltiges und emissionsfreies Verkehrsmittel

„Klima, Umwelt und auch der Verkehr stehen vor dem Kollaps“, sagt Lars Engelhard. „Wir wollen nicht mehr reden, sondern handeln und die Welt von morgen aktiv gestalten.“ So ist ihr Projekt seit der ersten Idee beim Brainstorming auf den Königswiesen konsequent und kompromisslos als ein nachhaltiges und emissionfreies Verkehrsmittel durchgeplant. „Emissionslos bedeutet, dass wir weder Lärm noch Schadstoffe in die Umgebung abgeben werden. Auch nicht ins Wasser“, erklärt der 38-jährige Tüftler. Gerade die Schifffahrt verschmutze nicht nur die Luft, sondern auch die Meere mit Dieselresten und Schmierstoffen, so Engelhard.

Deshalb verwenden sie Elektromotoren, die mit Strom aus Brennstoffzellen angetrieben werden. Diese werden mit „grünem Wasserstoff“ gespeist, der wiederum mit Hilfe von Windenergie hergestellt wurde. „Wir versuchen alles konsequent nachhaltig und umweltschonend zu konstruieren“, sagt Lars Engelhard. So soll auch die Abwärme der wassergekühlten Elektromotoren noch für eine Fußbodenheizung auf ihren Booten genutzt werden.

Wir wollen nicht mehr reden, sondern handeln und die Welt von Morgen aktiv gestalten.

Lars Engelhard, Geschäftsführer „Unleash Future Boats“

Selbstfahrende Elektro-Passagierfähren für die Schlei

Zunächst wollen Sie ab 2022 auf der Schlei Elektro-Passagierfähren testen. Die barrierefreien „Schleiboote“ sollen zwölf Passagiere sowie Fahrräder, Rollstühle und Kinderwagen transportieren können. Auch Ladestationen für E-Bikes sind vorgesehen. Perspektivisch sollen sie „on demand“ und autonom verfügbar sein und per App wie ein Taxi gerufen werden können. Mittelfristig wollen die Engelhards die ganze Schlei mit Fährverbindungen abdecken, die auch für Pendler eine interessante Alternative sein sollen, die etwa von Fahrdorf nach Schleswig wollen.

Ihr Prototyp „Zero One“ ist ein Modell im Maßstab 1:4 und sieht derzeit noch etwas roh aus, soll aber bereits Ende Mai im Stadthafen zu Wasser gelassen werden. „Das ist erstmal nur ein Technik-Träger, um zu testen und zu zeigen, was machbar ist“, sagt Engelhard. Besonders das autonome Fahren auf dem Wasser ist eine große Herausforderung, bei der das Ingenieurs-Ehepaar echte Pionierarbeit leistet.

Der Prototyp „Zero One“ soll als Technik-Träger in Tests die Möglichkeiten und Schwierigkeiten der autonomen Mobilität auf dem Wasser aufzeigen. Foto: Unleash Future Boats

Die Mobilitäts-Profis leisten Pionierarbeit

Unterstützt werden Sie dabei von Bernd Rech, einem ausgewiesenen Experten für autonome Mobilität, der 25 Jahre beim VW-Konzern in der Forschung und Serienentwicklung tätig war. Seine Erfahrung und Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Sensortechnik sowie seine Vernetzung mit Zulieferern und Partnern ist für das Projekt ebenso wichtig, wie seine Erfahrung mit Patenten. „Alles was er kann, können wir gut gebrauchen“, freut sich Stefanie Engelhard. „Bernd hat schon 100 Patente entwickelt, wir haben erst jeweils zwölf angemeldet“, ergänzt die Ingenieurin.

Autonomes Fahren auf dem Wasser ist um einiges komplizierter als auf Straßen. Hier gibt es zusätzliche Einflüsse durch Strömungen, Wind, Abdrift und vieles mehr. Die Sensortechnik auf den Fähren muss in Millisekunden die Eigenbewegung sowie den eigenen Standort berechnen und gleichzeitig die gesamte Umgebung wahrnehmen und etwa die Bewegung eines Paddlers oder anderer Boote vorausberechnen und entsprechend reagieren und navigieren. Keine leichte Aufgabe, zumal viele Komponenten ganz neu entwickelt werden müssen. „Wenn es nicht herausfordernd wäre, würde es keinen Spaß machen“, stellt Bernd Rech lachend fest.

So sollen die autonom fahrenden Schleifähren in etwa aussehen und bis zu zwölf Passagieren Platz bieten. Foto: Unleash Future Boats

Sie mögen die „Anpack-Mentatlität“ im Norden

Lars ist der Geschäftsführer ihres Start-Up-Unternehmens mit rund 20 Mitarbeitern, während seine Frau Stefanie die technische Leitung inne hat. Die beiden gebürtigen Bayern haben sich bereits im Elektrotechnik-Studium in Nürnberg kennengelernt, und sich in ihren jeweiligen Fachrichtungen schnell zu gefragten Experten entwickelt.

Wenn es nicht herausfordernd wäre, würde es keinen Spaß machen.

Bernd Rech, Experte für autonome Mobilität

Nach erfolgreichen Jahren in der Automobilindustrie, wo sie vor allem in der Serienentwicklung für autonomes Fahren gearbeitet haben, fiel 2017 die Entscheidung, sich im Norden niederzulassen, um ihr eigenes nachhaltiges Mobilitäts-Projekt ins Leben zu rufen. „Wir mögen die Anpack-Mentalität im Norden. Das passt zu uns“, erklärt Stefanie Engelhard. 2019 gingen sie mit ihrer Idee an die Öffentlichkeit, um zu sehen, wie Wirtschaft und Politik darauf reagieren. „Das Feedback war überwältigend“, sagt Lars Engelhard. In kürzester Zeit wurden Fördergelder bewilligt und inzwischen unterstützen auch zahlreiche namhafte Sponsoren ihr wegweisendes Projekt.

„Wir denken groß. Wir sind Pioniere auf dem Gebiet der autonomen Mobilität auf dem Wasser und wir stellen uns einem internationalen Rennen, das gerade erst gestartet ist“, erklärt Lars Engelhard. Langfristig wollen sie mit ihren patentierten Innovationen global erfolgreich sein, und die Anfänge sind vielversprechend. Ihr Projekt sorgt in der Fachwelt für Furore und es gibt bereits Interessenten aus ganz Deutschland, aber auch aus Amsterdam und Südeuropa kommen schon Anfragen.

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