Flensburger Bahnhof

Polizeigewerkschaft will neue Regeln für Einsätze

Polizeigewerkschaft will neue Regeln für Einsätze

Polizeigewerkschaft will neue Regeln für Einsätze

Eckard Gehm/shz.de
Kiel
Zuletzt aktualisiert um:
Die Polizei ist im Gespräch mit den Besetzern. Foto: Michael Staudt

Wegen der Corona-Gefahr soll eine zweite Hundertschaft nur im Notfall zusammengestellt werden.

Im Januar sollten Hundertschaften der Polizei den besetzten Bahnhofswald in Flensburg räumen. Dann aber blies die Stadtverwaltung  den Einsatz kurzfristig ab – wegen der Corona-Pandemie. Bei dieser Entscheidung spielte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) offenbar eine zentrale Rolle. Sie hat hinter den Kulissen Druck gemacht.

„Wir haben den Ministerpräsidenten, die Innenministerin und die Flensburger Bürgermeisterin angeschrieben“, bestätigt  GdP-Landeschef Torsten Jäger.

Wir hatten wegen des Einsatzes erhebliche Bedenken.

GdP-Landeschef Torsten Jäger

GdP sieht hohes Risiko bei Einsätzen in Corona-Zeiten

Aus Sicht des Innenministeriums wäre der Polizeieinsatz trotz hoher Inzidenzwerte und der Virusmutationen durchführbar gewesen. Die GdP hingegen sah das Risiko, dass sich im Falle einer Ansteckung das Virus schlagartig in vielen Dienststellen des Landes hätte verbreiten können. Jäger: „Schleswig-Holstein hat lediglich eine feste Einsatzhundertschaft. Eine zweite wird bei Bedarf durch Kollegen aus dem ganzen Land zusammengestellt.“

Das war der Knackpunkt des geplanten Einsatzes. „Es hätten Beamte aus verschiedenen Dienststellen über Stunden durchmischt in Gruppenfahrzeugen gesessen“, erklärt Jäger. „Da schützen dann auch Masken nicht, wir haben deutliche Gefahren gesehen, und auch die betroffenen Kollegen haben in einem bislang noch nicht gekannten Ausmaß Unmut und Sorgen an uns herangetragen.“

Und so gingen die Warnbriefe an die politischen Entscheider heraus. Nach der Absage des Einsatzes erklärte Jäger:

Flensburgs Bürgermeisterin Simone Lange hat ausgesprochen verantwortungsvoll und umsichtig entschieden.

Torsten Jäger

Kohorten-System versus Hundertschaft

Doch das grundsätzliche Problem ist damit noch nicht vom Tisch. Auf allen Polizeidienststellen gibt es mittlerweile ein starres Schichtsystem, damit im Falle einer Infektion nur jeweils eine Kohorte betroffen ist. Die Zusammenstellung einer Hundertschaft konterkariert diese Mühen. Die GdP fordert deshalb jetzt bei Einsätzen der sogenannten zweiten Hundertschaft: Bis zu fünf Tage Isolationszeit für alle eingesetzten Beamten sowie Schnelltests. Oder noch besser: Einen Rückgriff auf feste Hundertschaften aus anderen Bundesländern, sollte bei einem Einsatz die feste Hundertschaft aus Schleswig-Holstein nicht ausreichen.

Wird das Land diese Forderungen erfüllen? Das Landespolizeiamt äußerst sich dazu nicht konkret. Sprecher Marcel Schmidt erklärt mit Blick auf den abgesagten Flensburger Einsatz: „Corona-Schnelltests hätten niedrigschwellig, lageabhängig und risikoadaptiert jederzeit durchgeführt werden können.“ Und: „Etwaige Isolationszeiten wären in begründeten Fällen sowohl im Hinblick auf das individuelle Risiko als auch die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Landespolizei unter Berücksichtigung der gängigen Fachempfehlungen sowie unter Einbeziehung der Gesundheitsbehörden ausgesprochen worden.“

Kritik vom Innenministerium an Absage in Flensburg

Die genannten Maßnahmen greifen jedoch nur, wenn ein Beamter sich beim Einsatz plötzlich krank fühlt – und nicht, wenn er sich dort infiziert und zunächst ohne Symptome das Virus mit auf seine Dienststelle bringt. Das ist auch dem Landespolizeiamt klar. „Eine uneingeschränkte Risikofreiheit kann aber auch durch die besten Hygienekonzepte nicht gewährleistet werden“, sagt Schmidt.

Dem Innenministerium hat die Absage in Flensburg nicht wirklich gefallen. Sprecher Dirk Hundertmark betonte anschließend: „Recht und Gesetz gelten auch zu Zeiten der Pandemie.“ GdP-Chef Jäger sagt hingegen: „Wir halten es für sinnvoll, dass die Verantwortlichen immer auch fragen, ob der Einsatz zum jetzigen Zeitpunkt sein muss oder ob man ihn nicht doch verschieben kann.“

Darüber wird in Flensburger Fall bald wieder gesprochen werden müssen. Die Investoren, die auf dem Gelände des Bahnhofswaldes ein Hotel bauen wollen, haben der Stadt ein Ultimatum gesetzt: Noch in diesem Monat soll die Polizei räumen, denn von März an wären die notwendigen Baumfällarbeiten bis Ende September verboten, so regelt es das Bundesnaturschutzgesetz.

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