Jahresbericht 2020 vorgelegt

Husumer Sozialzentrum kann Obdachlose kaum noch unterbringen

Das Husumer Sozialzentrum kann Obdachlose kaum noch unterbringen

Husumer Sozialzentrum kann Obdachlose kaum noch unterbringen

Stefan Petersen/shz.de
Husum
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Obdachlosigkeit ist auch in Husum seit vielen Jahren ein Problem. Foto: Michael Staudt

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Freien Wohnraum gibt es viel zu wenig – das stellt das Sozialzentrum bei der Obdachlosen-Betreuung vor riesige Probleme.

Das Problem ist nicht neu – und verschärft sich jedes Jahr weiter. „Ich habe mal einen Rückblick nach 1990 gewagt. Da hieß es schon: Keine Wohnungen, zu hohe Mieten“, sagte Jürgen Laage vom Sozialzentrum Husum und Umland bei der Vorstellung des Obdachlosenberichts 2020 im Sozialausschuss. Zwar sei die Zahl der von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit bedrohten Haushalte von 545 in 2019 auf 493 Fälle im vergangenen Jahr gesunken. „Aber das liegt immer noch über dem schon viel zu hohen Niveau von 2018 von 406 Fällen.“

Laage fand klare Worte: „Bezahlbare Wohnungen zu finden schaffen wir fast nicht mehr – so schlecht war es noch nie.“ Es gebe einfach keinen Wohnraum für die vom Kreis Nordfriesland auf 404 Euro einschließlich Nebenkosten angehobene Miethöchstgrenze für eine Einzelperson „Ich kann den Leuten nichts bieten, unter 500 Euro finde ich in Husum nichts.“ Nach der Wohnungsmarkt-Analyse des Kreises vom Dezember 2019 bestehe im Raum Husum bis 2035 ein Neubaubedarf von 1200 Wohnungen im sozial bezahlbaren Segment.

Die Tätigkeit der Wohneck NF ist sehr hilfreich gewesen und hat zu deutlichen Entlastungen geführt.

Jürgen Laage, Sozialzentrum Husum und Umgebung

Das die Zahl der Fälle 2020 zurückgegangen sei, sei darauf zurückzuführen, dass es wegen Corona weniger Bewegung auf dem Markt gegeben habe. „Und die Tätigkeit der Wohneck NF ist sehr hilfreich gewesen und hat zu deutlichen Entlastungen geführt.“ Die Wohneck NF gGmbH mietet sozialen Wohnraum an und vermittelt diesen, begleitet Mietverhältnisse und berät Mieter wie Vermieter bei Mietrückständen und anderen Problemen.

Die von Obdachlosigkeit bedrohten 493 Haushalte umfassten 630 Menschen, 382 davon Männer und 248 Frauen, aufgegliedert in 478 Erwachsene und 152 Kinder. „Diese Bedrohung ist eine enorme psychische Belastung, die Menschen kommen in echte Existenznot“, so Laage. Bereits in Obdachlosigkeit betreut würden 34 Haushalte mit 73 Erwachsenen und 22 Kindern. 2019 waren es noch 29 und 2018 nur 19 Haushalte.

Viele Leute ziehen auch viele weitere an, die nicht da hingehören und sich zudem manchmal auch nicht korrekt verhalten. Wir mussten schon Hausverbote aussprechen.

Jürgen Laage, Sozialzentrum Husum und Umgebung

„Das ist ein ziemliches Gedränge“, beschrieb Laage die Situation. Zwar habe jeder einen Schlafplatz und ein Zimmer. „Mehr aber nicht.“ Und man müsse aufpassen, dass sich da nicht noch mehr Menschen versammeln, so der Diplom-Sozialpädagoge weiter: „Viele Menschen ziehen auch viele weitere an, die nicht da hingehören und sich zudem manchmal auch nicht korrekt verhalten. Wir mussten schon Hausverbote aussprechen.“

Betreuung und Beratung würden auch immer aufwändiger: „Die Leute werden mit den Formularen kaum noch fertig und kommen dann zu uns.“ Viele hätten auch gar nicht die Möglichkeit, den digitalen Anforderungen zu entsprechen. „Etwa Kontoauszüge als PDF zu verschicken – solche Menschen werden einfach abgehängt.“

Oft müsse er über seinen Dienst-PC Sachen ausdrucken, weil die Klienten überhaupt nicht die Endgeräte dazu hätten. „Und es werden immer mehr, die nachbetreut werden müssten. Das ist kaum mehr zu bewältigen und zudem steht uns oft noch der Datenschutz im Weg, so dass wir an manche Informationen nicht herankommen.“

„Sehr plakativ“ habe Jürgen Laage die Situation dargestellt, lobte Bürgermeister Uwe Schmitz. „Die Kunst besteht ja darin, die Betroffenen wieder in normale Mietverhältnisse zu bringen oder Obdachlosigkeit am besten gleich ganz zu vermeiden.“ Zudem müsse die Stadt ja noch mehr Wohnraum bereithalten: „Wir haben 185 Flüchtlinge in Husum dezentral untergebracht und die Angestellten des Schlachthofs kommen ja ebenfalls dazu.“ Auch Schmitz lobte die Tätigkeit von Wohneck, durch die 89 Wohnungen geschaffen worden seien.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir Geld dafür in die Hand nehmen müssen, wenn wir etwas ändern wollen.

Uwe Schmitz, Bürgermeister

Die Verwaltung sei sich der Problematik „voll inhaltlich bewusst“ und tue ihr Bestes, zur Wohnraumbschaffung beizutragen, schloss der Bürgermeister. Aber, so mahnte er in Richtung der Stadtpolitiker: „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir Geld dafür in die Hand nehmen müssen, wenn wir etwas ändern wollen.“

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