Diskriminierung

Homosexuell und katholisch – kirchlicher Segen auf Umwegen

Homosexuell und katholisch – kirchlicher Segen auf Umwegen

Homosexuell und katholisch – kirchlicher Segen auf Umwegen

Mira Nagar/shz.de
Flensburg
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Wolfgang Weimar-Krätzer (l.) und Udo Krätzer haben auf der Alexandra geheiratet - und einen kirchlichen Segen erhalten. Foto: Michael Staudt

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Udo und Wolfgang Krätzer wurden bei ihrer Bitte um kirchlichen Segen abgewiesen. Jetzt überlegen sie zu konvertieren.

Manchmal ist die Liebe stärker, überwindet Distanzen und überdauert Jahre. Und schreckt nicht zurück vor Verurteilungen anderer. Dass ihre Liebe nicht unbedingt auf ungeteilte Zustimmung innerhalb der Glaubensgemeinschaft stoßen würde, das ahnten Wolfgang Weimer-Krätzer und Udo Krätzer schon. Sie sind katholisch und wollten bei ihrer Trauung um den kirchlichen Segen bitten.

Allerdings: Die katholische Kirche verbietet den Segen für homosexuelle Paare. Sie begründet es damit, dass sie nur die Ehe zwischen Mann und Frau anerkennt, weil daraus Kinder hervorgehen können. Das hat die Glaubenskongregation unlängst noch einmal ausdrücklich so bestätigt. Und das war auch 2018 so, als die Krätzers heiraten wollten. Sie fragten trotzdem.

Segnung wichtiger als Standesamt

„Wir wollten unbedingt kirchlich gesegnet werden, das war uns wichtiger als das Standesamtliche“, erinnert sich Udo Krätzer. Und: „Es gehört sich ja, in der eigenen Gemeinde anzufragen.“ Der 50-Jährige fragte also per Mail an, bat den Flensburger Pfarrer um eine Segnung – auch mit der Gefahr, zurückgewiesen zu werden. „Wir kennen ja die Einstellung der katholischen Kirche, aber es ist unsere Heimatgemeinde.“

Die Zurückweisung erfolgte in Form von Zögerlichkeit. Der Pfarrer habe „Bauchschmerzen“ geäußert und wolle sich das überlegen, berichtet Krätzer. Für das Paar war klar: Wer mit Bauchschmerzen drüber nachdenken muss, der möchte den Segen wohl nicht spenden. „Ich hatte da sofort Bedenken und wollte dann auch kein Gespräch mehr“, sagt Weimer-Krätzer.

Festhalten an Lehre der Kirche

Pfarrer Bernd Wojzischke bezieht diese Position auch heute noch so. „Homosexuelle Menschen zu segnen, ist an sich kein Problem. Jeder Mensch kann gesegnet werden, weil er von Gott wirklich gewollt ist. Aber nicht jede Situation muss gesegnet werden. Als katholischer Priester halte ich mich an die Lehre der Kirche“, äußerte er unlängst im Interview mit shz.de. „Nicht jede Form der Liebe muss in einer Form sein, die tatsächlich gut ist.“

Nach der Reaktion fragten die Krätzers weiter, denn für die gläubigen Christen ist der Segen wichtiger, als die Zurückweisung schmerzvoll ist. „Der Segen bedeutet, dass unsere Beziehung offiziell unter den Schutz Gottes gestellt wird. Das gibt uns Kraft“, erklärt Weimer-Krätzer. Sein Mann ergänzt: „Ich bin überzeugt, Jesus wäre es wichtig, dass zwei Menschen es ernst miteinander meinen.“ Eine solche Form der homosexuellen Partnerschaft würde in der Bibel gar nicht erwähnt, sagt Krätzer: „Ein Großteil lebt wie jedes normale Ehepaar zusammen und es macht traurig, wenn sie ihren Segen nicht bekommen.“

So sind die Krätzers schon seit 25 Jahren füreinander da. Sie lernten sich im Volksbad kennen, halfen sich bei Krankheiten und Trauerfällen – und wohnen inzwischen in einer beschaulichen Gegend am Twedter Holz. Mit Hund Molly, einem maritim gestalteten Wohnzimmer (inklusive Möwen) und Narzissen am Balkon.

„Es wird doch alles Mögliche gesegnet, auch Tiere und Autos“, sagt Weimer-Krätzer. „Wenn eine so große Institution wie die Kirche Homosexualität als nicht gut darstellt, dann gießt sie Öl ins Feuer.“

Staatliche Diskriminierung

Tatsächlich sind Homosexuelle lange auch staatlich diskriminiert worden. Erst 2017 raufte sich der Bundestag zusammen und stimmte für die Ehe für alle. Der aus dem Kaiserreich stammende Paragraph 175, der gleichgeschlechtlichen Verkehr unter Männern verbot, wurde erst 1994 komplett gestrichen. Und ein Verbot, eine Blutspende anzugeben, besteht für homosexuelle Männer in weiten Teilen noch heute. Auch wurde der Artikel drei des Grundgesetzes trotz Gesetzesentwürfen nie durch einen Passus ergänzt, der Benachteiligungen aufgrund der sexuellen Identität verbietet.

So ist auch die Diskriminierung durch die katholische Kirche juristisch gesehen offenbar nicht illegal. „Diese Diskriminierung sollte es gerade in der heutigen Zeit und in Deutschland nicht mehr geben“, plädiert Weimer-Krätzer.

Doch auch innerhalb der Glaubensgemeinschaft stößt das Segnungsverbot auf Kritik. So hissten einige katholische Kirchen die Regenbogenfahne – als Protest gegen die Ansage aus dem Vatikan. Die Katholische Hochschulgemeinde (KHG) Flensburg betonte, sie sei „offen, bunt und lebensnah“. „Wir nehmen nicht hin, dass eine ausgrenzende und veraltete Sexualmoral auf dem Rücken von Minderheiten ausgetragen wird“, erklärte der Hochschulseelsorger. „Haltungen, wie sie in dem Dokument der Glaubenskongregation oder im Interview im Flensburger Tageblatt zu lesen sind, untergraben unsere offene Arbeit auf dem Campus.“

Überlegt zu konvertieren

Die Krätzers überlegen seit der Absage des Pfarrers, zur evangelischen Kirche zu konvertieren. Denn dort liefen sie mit ihrer Anfrage offene Türen ein. „Pastor Wilde von der Diako war sofort Feuer und Flamme“, sagt Udo Krätzer. „Er hat eine richtige kirchliche Trauung gemacht – die Standesbeamte hat sich daher kurz gefasst.“ Es war so, wie sie es sich gewünscht hatten: Mit Ringen, einem kleinen Altar mit Kerzen und dem Foto von Udo Krätzers verstorbener Mutter Brigitte bekamen die Krätzers schließlich ihre kirchliche Trauung auf der Alexandra, inklusive der Segnung durch Manfred Wilde.

Die Segnung auf der Alexandra. Foto: Privat

Die Überlegung zu konvertieren, sei auch mehr als zwei Jahre nach der Hochzeit noch aktuell, sagen die Krätzers. „Es war nie eine Option, der Kirche komplett den Rücken zuzudrehen“, sagt Weimer-Krätzer. Auch sein Mann findet: „Die Kirche soll ein hohes Gut bleiben“, so Udo Krätzer. „Es sind Menschen, die uns das verweigern. Menschen, die sich an die alten Gesetze klammern. Ich bin überzeugt, dass Jesus anders entscheiden würde.

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