Aussterbende Handwerksberufe

Einer der letzten Strandkorbflechter Nordfrieslands

Einer der letzten Strandkorbflechter Nordfrieslands

Einer der letzten Strandkorbflechter Nordfrieslands

Katharina Wimmer/shz.de
Friedrichstadt
Zuletzt aktualisiert um:
Strandkorbflechter Helmut Jessen ist schon seit 26 Jahren in seinem Beruf. Foto: Volkert Bandixen

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Strandkorbflechter Helmut Jessen liebt seinen Beruf, doch schon bald wird es sein Handwerk nicht mehr geben.

Helmut Jessen (56) aus Oldenswort ist seit 26 Jahren Strandkorbflechter beim Friedrichstädter Betrieb Eiderstedter Strandkörbe. Doch Nachfolger in seinem Handwerk sind nicht in Sicht.

Der gebürtige Koldenbüttler machte mit 16 Jahre eine Lehre als Tischler. Nach seinem Wehrdienst war er viel auf Montage unterwegs – hauptsächlich auf den nordfriesischen Inseln. Doch irgendwann wollte er etwas Neues und schaute sich um.

Als Jessen von einem Kollegen hörte, dass Strandkorbflechter in Friedrichstadt gesucht werden, war er Feuer und Flamme. Keine langen Anfahrtswege, einen trockenen und sicheren Arbeitsplatz, ein Traum für ihn. Was er nicht wusste: Wie schwer der Beruf eines Strandkorbflechters ist.

Nachwuchsmangel im Handwerk

In den ersten Monaten musste er sich wirklich zusammenreißen, sonst hätte er beinahe den Job wieder hingeworfen. Doch ein Kollege ermutigte ihn und so machte er weiter.

Anfangs arbeitete Jessen als einziger Strandkorbflechter im Betrieb. Das war insofern schwierig, als dass er keinen um Rat fragen konnte. „Ich musste viel Lehrgeld zahlen“, sagt der 56-Jährige. Sein Handwerk versteht Jessen so gut, dass er es auch anderen vermittelt.

Für Strandkorbflechter Helmut Jessen aus Friedrichstadt ist immer die Haube am wichtigsten. Foto: Volkert Bandixen

Einen Kollegen lernte er vor fünf Jahren an. Ein weiterer wird gerade erst geschult. Doch genau wie er sind die Neuen alle in seinem Alter und das ist das Problem. „Wenn ich in Rente gehe, gehen meine Kollegen mit mir in den Ruhestand. Und dann?“ Das weiß derzeit keiner und das ist gerade für dieses Handwerk so traurig. Denn die Arbeit von Jessen kann keine Maschine machen – sie ist reine Handarbeit.

Doch welcher junge Menschen wolle sich für einen solchen harten Job heute noch begeistern, sagt er. Deswegen stirbt der Beruf des Strandkorbflechters wohl bald aus, befürchtet er.

Haube ist das wichtigste am Strandkorb

Und wie wichtig sein Können für die Herstellung von Strandkörben ist, wird schnell klar: Die Haube ist auf Augenhöhe und fällt sofort ins Blickfeld. „Deswegen müssen gerade die Rundungen besonders sauber und ordentlich sein“, erklärt der Strandkorbflechter.

In nur vier Stunden flechtet er eine Haube. Maximal zwei Stück schafft der Nordfriese am Tag. Sein Flechtwerk besteht heute aus Kunstoff. Anfangs jedoch arbeitete er noch mit Weide, die er zum Biegen immer nässen und kurz einweichen musste.

Strandkorbflechter Helmut Jessen ist eher durch Zufall zu diesem Handwerk gekommen. Foto: Volkert Bandixen

Insgesamt 250 Meter benötigt Jessen für eine Haube. Doch das verdränge er meist. Denn wenn er an die vielen Meter denkt, würde die Arbeit nicht so leicht von der Hand gehen. „Man muss einfach machen und nicht so viel nachdenken. Dann funktioniert es am besten“, sagt er.

Die Haube kann mit zwei verschiedenen Geflechten bestellt werden: Hierbei sei das Rundgeflecht wesentlich dünner und damit teurer als das Breitgeflecht. Derzeit sind gerade Grautöne am meisten gefragt und so flechtet Jessen mit diesem Farbton seine Strandkörbe. Wieviel es mittlerweile sind, weiß er gar nicht mehr. Irgendwann hört man halt auf zu zählen.

Eines der härtesten Berufe im Handwerk

Seine Sehnenscheidenentzündung ist chronisch. Die Schulterschmerzen durch das Auf-Spannung-Halten des Kunstoffgeflechts ein Dauerleiden. Zum Glück habe er immer das Wochenende zur Erholung. Doch manchmal nützt selbst das nichts. Ein Bandscheibenvorfall hat der Strandkorbflechter auch schon hinter sich, aber das bringe halt ein sitzender Beruf so mit sich.

Handcreme ist sein ständiger Begleiter. Nur so würde er der Hornhaut an seinen Händen noch einigermaßen Herr werden. Mit Handschuhen könne er seine Körbe halt nicht flechten, denn dann hätte er nicht mehr das Fingerspitzengefühl, was er so dringend beim Flechten benötigt.

Oliver Theede, Geschäftsführer der Eiderstädter Strandkörbe, im fertigen Endprodukt von seinem Strandkorbflechter Helmut Jessen. Foto: Volkert Bandixen

Ob er bis zur seiner Rente Hauben für Strandkörbe herstellen kann, weiß der 56-Jährige nicht. Aber darüber macht er sich jetzt auch erst einmal keine Sorgen. Bis dahin arbeitet der Nordfriese weiter mit soviel Hingabe und Liebe, als wenn er selbst der Käufer des Produkts sei. Seiner Frau Ellen hat er vor 20 Jahren einen eigenen Strandkorb geschenkt, in dem er mit ihr am liebsten die Zweisamkeit genießt.

Mehr lesen