Corona-Krise

Probleme des Fußballs: Hitzige Impfdebatten und mehr Reisen

Probleme des Fußballs: Hitzige Impfdebatten und mehr Reisen

Probleme des Fußballs: Hitzige Impfdebatten und mehr Reisen

dpa
Frankfurt/Main
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Ist gegen eine bevorzugte Impfung von Fußballern: Michael Zorc, Sportdirektor von Borussia Dortmund. Foto: Frederic Scheidemann/Getty Images Europe/Pool/dpa

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Im ersten Lockdown wurde der Profifußball mehr als zwei Monate komplett gestoppt. Das steht nach knapp einem Jahr Pandemie nicht mehr zur Debatte. Doch das erhöhte Reiseaufkommen im Europapokal sowie einzelne Funktionärsaussagen werden scharf kritisiert.

Der Profifußball ist abgehoben und lebt selbst während der Corona-Pandemie in seiner eigenen Welt: Dieses Vorurteil sehen viele Kritiker in den vergangenen Tagen alleine durch die Aussagen von Karl-Heinz Rummenigge bestätigt.

Der Bayern-Boss sagte jüngst, dass ein Titel der Münchner bei der Club-WM «auch unserem Land nicht schlecht zu Gesicht stehen» würde. Rummenigge hob explizit den Stellenwert des Vereins und des Wettbewerbs hervor, als der FC Bayern wegen des Nachtflugverbots nicht planmäßig vom Flughafen BER nach Katar starten durfte.

Nachdem die Bayern nach reichlich Chaos und Tiraden in Katar angekommen waren, sprach der 65 Jahre alte Bayern-Boss noch über Fußballstars als mögliche Impfvorbilder und stand prompt wieder im Kreuzfeuer der Kritik.

Der Sportsoziologe Gunter Gebauer unterstellte Rummenigge in der ARD-Sportschau Eigennutz und betonte ganz grundsätzlich, eine bevorzugte Impfung von Profisportlern sei «zutiefst unsozial und moralisch nicht zulässig».

Auch wenn dem Sport keine weitere coronabedingte Stilllegung wie im Frühjahr 2020 droht, waren die vergangenen Tage ein Vorgeschmack, was ihm bevorsteht: Debatten über zusätzliche Reisen für Heimspiele im Europapokal oder bevorzugte Impfungen, für die es bislang keine konkreten Forderungen gibt, auch von Rummenigge nicht. «Kein Fußballer - allesamt junge und gesunde Menschen - sollte älteren Menschen oder Pflegekräften, Polizisten und Lehrern eine Impfung zum jetzigen Zeitpunkt wegnehmen», sagte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc.

Am Donnerstag griff auch Bremen Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) Rummenigge an und kritisierte ihn für den Vorschlag, die Fußballer als Vorbild zu nutzen. «Was mich an diesem Spruch besonders gewundert hat, ist, wie man simples Vordrängeln «Ich will zuerst geimpft werden» dann noch versucht, als Realisierung einer gesellschaftlichen Vorbildfunktion zu verkaufen. Da muss man erstmal drauf kommen, indem man sagt: Wir ziehen vorbei an Erzieherinnen und Erziehern, an Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern, vielleicht auch an medizinischem Personal und Polizisten», sagte Bovenschulte.

«Wir wollen uns überhaupt nicht vordrängen, aber Fußballer könnten als Vorbild einen gesellschaftlichen Beitrag leisten», hatte Rummenigge bei Sport1 angeregt. Bovenschulte sieht das komplett anders. «Mir fällt einiges ein, wie Fußballprofis ihrer gesellschaftlichen Vorbildrolle in der Pandemie gerecht werden könnten. Sie könnten zum Beispiel darauf verzichten, an sportlich wertlosen Turnieren teilzunehmen und dafür um die halbe Welt zu reisen», monierte der 55-Jährige mit Blick auf die Club-WM.

Ähnlich hatte sich zuvor auch die SPD-Sportpolitikerin Dagmar Freitag geäußert und bei RTL/ntv vorgeschlagen, der deutsche Rekordmeister könne seine Vorbildrolle auch wahrnehmen, indem er «einen Bruchteil seiner beträchtlichen Einnahmen eingesetzt hätte, um in Anzeigen und TV-Spots mit der Mannschaft für das Impfen zu werben». Rummenigge hatte seinen Vorstoß unter anderem damit begründet, dass das Vertrauen in der Bevölkerung wachse, wenn sich beispielsweise ein Spieler des FC Bayern impfen lasse.

Für Ilkay Gündogan ist in puncto Reisen vor allem «die Sicherheit aller Partizipierenden am wichtigsten, dass jeder gesund bleibt. Andererseits fühle ich mich nach wie vor privilegiert, dass ich noch meinen Job ausüben darf», sagte der Profi von Manchester City in einem Sky-Interview. Er höre von Freunden aus Deutschland immer wieder, dass derzeit die Bundesliga oder das Schauen der Premier League «das einzige Normale in ihrem Leben ist», sagte der 30-Jährige. «Es ist auch schön zu hören, dass man diesen Menschen ein Stück weit Normalität geben kann in diesen schwierigen Zeiten, aber über allem steht letztendlich natürlich die Gesundheit.»

Ganz abseits jeder Impfdebatte um Profisportler, die für die Politik momentan und auch zeitnah nicht auf der Agenda steht, werden auch die Reisen für Europapokalspiele weiter für Diskussionen sorgen. Leipzig (gegen Liverpool) und Gladbach (gegen Manchester City) tragen ihre Heimspiele in der Champions League in Budapest aus, weil Profis aus England coronabedingt nicht nach Deutschland reisen dürfen. Norwegens Club Molde FK empfängt die TSG Hoffenheim im spanischen Villarreal. «Im Endeffekt ist es so, dass wir in einer Blase leben. Trotzdem kann ich diese moralische Debatte nachvollziehen», sagte TSG-Coach Sebastian Hoeneß.

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