Verbraucherzentralen warnen

Versicherungsschutz gegen Corona-Impffolgeschäden?

Versicherungsschutz gegen Corona-Impffolgeschäden?

Versicherungsschutz gegen Corona-Impffolgeschäden?

Eckard Gehm/shz.de
Kiel
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Verschiedene Versicherer bieten Schutz für die Folgen einer Corona-Impfung an. Dies wird auch kritisiert. Foto: Marijan Murat/dpa

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Ist es ein Spiel mit den Ängsten der Menschen, Geschäftemacherei? Versicherer bieten Schutz vor Folgen einer Impfung an.

Nach Impfungen mit Astrazeneca haben in Deutschland bislang 31 Menschen Blutgerinnsel im Gehirn erlitten. In neun Fällen endeten diese sogenannten Sinusvenenthrombosen tödlich. Mittlerweile bieten etliche Versicherer einen Schutz vor Corona-Impffolgeschäden an. So hat die Ostangeler Brandgilde aus Kappeln die Kunden ihrer Unfallversicherung angeschrieben. Das Angebot: „Ab sofort bieten wir Ihnen die Möglichkeit, gegen einen Zuschlag von fünf Prozent auf Ihren aktuellen Bruttobeitrag auch Impffolgeschäden aus einer Schutzimpfung gegen Covid-19 mitzuversichern.“

Ist das sinnvoll?

Warnungen von der Verbraucherzentrale

Vivien Arwers, Sprecherin der Verbraucherzentrale in Kiel sagt: „Wir raten zur Vorsicht und Zurückhaltung mit solchen Versicherungen“.

Die aktuelle Situation werde als ein Argument für die Vermarktung genutzt. Referatsleiter Michael Herte rät, es müsse in jedem Fall geklärt werden, „ob der verabreichte Impfstoff vom Versicherungsschutz umfasst ist und ob eine Karenzzeit zwischen Vertragsschluss und Impfung abgewartet werden muss.“

Ängste werden ausgenutzt

Das Urteil des Netzwerks der Verbraucherzentralen in Deutschland ist weit schärfer. Dort heißt es:

Hier spielen Versicherungen mit den Ängsten der Menschen vor einer Corona-Impfung.

Netzwerk der Verbraucherzentralen Deutschland

Versicherungen wehren sich

Die Ostangeler Brandgilde kontert, es handele sich um ein freiwilliges Angebot. Sprecherin Anika Nipp: „Die Resonanz war überwiegend positiv, nur ganz wenige Kunden haben uns vorgeworfen, Angst zu verbreiteten oder uns bereichern zu wollen. Was nicht der Fall ist. Als Versicherungsverein arbeiten wir für unsere Kunden, wollen sie schützen.“

Die Beweislast liegt beim Geschädigten

Wer haftet grundsätzlich bei Corona-Impfschäden? Weil es sich bei den Impfungen um staatlich dringend empfohlene Schutzmaßnahmen handelt, gewährt die Bundesrepublik ihren Bürgern einen Ausgleich für gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen, wenn es zu einem länger als sechs Monate andauernden gesundheitlichen Schaden kommt. Das Problem dabei ist: Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Geschädigten. Betroffene müssen belegen, dass der Schaden auf die Schutzimpfung zurückzuführen ist, was vielfach vor Gericht ausgefochten werden muss.

Narkolepsie nach Schweinegrippen-Impfung

Ein Beispiel dafür ist die Impfung gegen die Schweinegrippe, die von der Ständigen Impfkommission des Robert Koch-Instituts empfohlen wurde. Das Influenzavirus vom Typ H1N1 galt als besonders ansteckend und tödlich. Nach seiner Impfung mit Pandemrix klagte Ende Dezember 2009 ein siebenjähriger Junge in Finnland bei seinem Arzt darüber, dass er seit kurzem tagsüber dauernd einschlafe. Im Februar 2010 stand die Diagnose fest: Narkolepsie. Bis August 2010 fielen in Finnland 14 weitere Fälle auf. Ähnliche Berichte gab es aus Schweden. Insgesamt fanden die Gesundheitsbehörden in Europa 1333 Narkolepsie-Fälle nach einer Pandemrix-Impfung. In der Bundesrepublik registrierte das Paul-Ehrlich-Institut 86 Narkolepsie-Meldungen, überwiegend bei jungen Menschen.

Fünf Jahre warten auf ein Gutachten

In Deutschland mussten die Betroffenen über fünf Jahre auf ein Gutachten des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts warten, das einen ursächlichen Zusammenhang bestätigte. Ein Virus-Protein im Impfstoff ähnelte dem körpereigenen Wachmacher Orexin, weshalb das Immunsystem das Orexin und vermutlich auch die Orexin-bildenden Zellen im Gehirn angriff – insbesondere bei Menschen mit einer seltenen genetischen Veranlagung.

Schwierige Lage in Deutschland

Bei den Astrazeneca-Fällen dürfte der Nachweis eines Impfschadens nach Ansicht von Experten ähnlich komplex werden. Und selbst wenn definitiv ein Impfschaden festgestellt worden sein sollte, fällt die übliche Entschädigung in Form von Rentenzahlungen in Deutschland eher spärlich aus. Je nach Schweregrad der Folgen werden monatlich zwischen 156 bis maximal 811 Euro gezahlt. Hinzu kommen können verschiedene Zulagen wie Schwerstbeschädigtenzulage oder Pflegezulage.

Der Bund der Versicherten warnt daher vor den Risiken einer Unterdeckung beim Verbraucher. Ist die Unfallversicherung mit Schutz vor Impffolgeschäden also doch eine gute Möglichkeit, sich bestmöglich finanziell abzusichern?

Es ist nicht garantiert, dass eine Behörde sich um Aufklärung kümmert

Wie die Verbraucherzentrale betont, gilt auch hier: Nur wenn der Zusammenhang zwischen der Impfung und einer danach auftretenden Invalidität nachgewiesen wird, ist die Unfallversicherung in der Pflicht. Dabei bestehen die bereits genannten Nachweisprobleme.

Bleibt es bei insgesamt wenigen Fällen, ist auch nicht garantiert, dass eine Behörde sich um die Aufklärung kümmert. „Betroffene müssten dann nachweisen, dass eine Pflichtverletzung vorliegt“, warnt Vivien Arwers von der Verbraucherzentrale Kiel.

Für Impfschäden gelten die in der Unfallversicherung üblichen Beweislastregeln, heißt es vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Der Nachweis eines Impfschadens ist üblicherweise Sache des Versicherungsnehmers.

GDV Sprecherin Kathrin Jarosch

Aber der Versicherer organisiere und übernehme die Kosten für die dafür erforderlichen ärztlichen Untersuchungen.

Versicherer haben angeblich keine Statistik zu Impfschäden

Eine „Erfolgskontrolle“ der Angebote der privaten Versicherer ist schwierig. Es gibt offenbar keine Zahlen darüber, wie oft ihnen in den vergangenen fünf Jahren ein Impfschaden gemeldet und wie oft dann auch wirklich gezahlt wurde. Dem GDV liegen nach eigenen Angaben keine Daten vor. Und auch bei der Provinzial Nord gibt man sich schmallippig. Eine eigene Schaden-Statistik zum Thema Impfschäden werde nicht geführt, heißt es von Sprecherin Annette Bäcker.

Die Experten der Verbraucherzentrale empfehlen mit Blick auf mögliche Impffolgeschäden eine private Berufsunfähigkeitsversicherung. Sie sichere gegen den Verlust des Einkommens ab, unabhängig davon, ob die Berufsunfähigkeit aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung, eines Unfalls oder eben eines seltenen Impfschadens entstanden sei. Und wie Bianca Boss, Verbraucherschützerin beim Bund der Versicherten, hinzufügt, greife eine Risikolebensversicherung auch im Fall eines Todes aufgrund eines Impfschadens.

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