Prävention

Straftäter: Stiftung begleicht 3,7 Millionen Euro Schulden

Straftäter: Stiftung begleicht 3,7 Millionen Euro Schulden

Straftäter: Stiftung begleicht 3,7 Millionen Euro Schulden

Eckard Gehm, shz.de
Kiel
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Einigen Straftätern ist es auch aus der Haft heraus ein Anliegen, Schulden und Schmerzensgeld zu zahlen. Foto: imago stock&people

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So sollen neue Taten von Straffälligen in wirtschaftlicher Not verhindert werden.

Straftäter, die aus der Haft entlassen werden, sind keine Sympathieträger. Verständlicherweise. Schließlich haben sie gesessen, weil sie ihren Mitmenschen körperliche und seelische Qualen zugefügt oder sie in finanzielle Nöte gestürzt haben. Weshalb ihnen die Gesellschaft vielfach nach dem Motto begegnet: „Sieh zu, wie Du klarkommst.“

Chancen finanzieren und Rückfälle verhindern

Keine Lobby, keine Hilfe? Das stimmt nicht ganz. In Schleswig-Holstein unterstützt die Stiftung Straffälligenhilfe Verurteilte in wirtschaftlicher Not – mit einem Stiftungsgrundstock von 1,2 Millionen Euro, den das Land gelegt hat.

Das Ziel: Chancen finanzieren und Rückfälle verhindern. „Wir vergeben Darlehen und Zuschüsse, die der wirtschaftlichen Eigenständigkeit und Entschuldung von Straffälligen dienen“, sagt Birgit Heß, Vorstand der Stiftung. Heß ist gleichzeitig Leiterin der Kieler Staatsanwaltschaft und damit oberste Strafverfolgerin der Behörde. Für sie kein Widerspruch. „Die Stiftung arbeitet die Folgen von Straftaten auf und fördert die gesellschaftliche Wiedereingliederung von Straffälligen. Das dient Tätern und Opfern und nicht zuletzt auch dem sozialen Frieden.“

Die Stiftung arbeitet die Folgen von Straftaten auf und fördert die gesellschaftliche Wiedereingliederung von Straffälligen. Das dient Tätern und Opfern und nicht zuletzt auch dem sozialen Frieden.

Birgit Heß, Vorstand der Stiftung

Nicht jeder Antrag geht durch

Aber gibt es Darlehen für Clankriminelle, notorische Betrüger und Vergewaltiger?

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass überwiegend Straffällige nach Hilfe fragen, die sich bemühen, ihr Leben in den Griff zu bekommen“, sagt Stefan Thier, stellvertretender Vorstand der Stiftung und hauptberuflich im Justizministerium im Bereich Bewährungshilfe tätig. „Und natürlich wird nicht jeder Antrag von uns positiv beschieden. Wir unterstützen nur Menschen, bei denen die Erwartung besteht, dass sie straffrei bleiben.“

Über die Vergabe der Darlehen zur Entschuldung entscheidet ein fünfköpfiges Gremium, der Betrag darf in der Regel nicht höher als 10.000 Euro sein und die Laufzeit beträgt maximal 60 Monate. Die sogenannten Stabilisierungs-Darlehen, beispielsweise für eine Mietkaution oder den Führerschein, werden bis zu einer Höhe von 3000 Euro gewährt.

Wichtige Form der Prävention

Nach Erkenntnis der Stiftung haben 35 Prozent der Knackis „keine Entlassungsperspektive“ und 80 Prozent haben Schulden, deren Regulierung ohne Hilfe von außen kaum möglich ist. Zudem zeigen Studien, dass zwei von drei ehemaligen Häftlingen mit Schulden und ohne berufliche Qualifizierung rückfällig werden. Erhalten sie Hilfe, liegt die Quote nur noch bei 30 Prozent. „Neben Anti-Gewalt-Training und Therapie ist eben auch die Hilfe bei Schulden extrem wichtig“, sagt Thier. Sie sei eine weitere Form der Prävention.

Allerdings können sich Straffällige nicht direkt an die Stiftung wenden. Stiftungs-Geschäftsführerin Marlies Gebauer erklärt: „Das passiert über die Schuldnerberatung oder die Bewährungshilfe und wir prüfen, ob sie auch in der Lage sind, die Raten zu zahlen.“ Die niedrigste Rate beträgt momentan fünf Euro, die höchste 100 Euro. Wenn zwölf Monate ohne Probleme gezahlt wird, gibt es einen Bonus von zwei Monatsraten, generell sei die Ausfallquote gering.

Darlehen für Schmerzensgeld

Für einige Straftäter ist die Unterstützung aber nicht nur eine Starthilfe, sondern offenbar auch eine Chance, reinen Tisch zu machen. Gebauer berichtet: „Ich habe einen Klienten, der wegen räuberischer Erpressung einsitzt und wohl nie wieder frei kommt. Aber seine Schulden will er bezahlen, ist die Sache aus dem Gefängnis heraus angegangen.“

Vergangenes Jahr wurden über 15.000 Euro an Darlehen für Opferentschädigungen gewährt, 2019 waren es sogar über 26.000 Euro. Das bedeutet: Der Straffällige nimmt ein Darlehen auf, um beispielsweise das geforderte Schmerzensgeld zu bezahlen. Seit 2007 wurden im Zuge des Täter-Opfer-Ausgleichs 294.000 Euro an 315 Opfer ausgezahlt. Und seit ihrer Gründung 1982 hat die Stiftung über 3,7 Millionen Euro Schulden beglichen. Außerdem wird der mit 2500 Euro dotierter Stiftungspreis „Arbeit für Straffällige“ verliehen, wenn Unternehmen Straffälligen den Weg in bezahlte Arbeit ebnen.

Das jüngste Projekt der Stiftung: Sie hat zwei kleine Wohnungen gekauft. Birgit Heß: „Eben weil Häftlingen, die lange gesessen haben, Obdachlosigkeit und damit Strukturlosigkeit droht.“

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