Schiffsabwässer im Meer

Schaden die „Scrubber“ auch der Nord- und Ostsee?

Schaden die „Scrubber“ auch der Nord- und Ostsee?

Schaden die „Scrubber“ auch der Nord- und Ostsee?

Per-Niklas Heintze/shz.de
Kiel
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In deutschen Häfen (Bild: Kiel) darf kein Waschwasser aus den Scrubbing-Anlagen eingeleitet werden. Foto: Axel Heimken

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Saubere Luft – schmutziges Wasser? Eine neue ICCT-Studie belegt, dass Schiffe ihre Abwässer in die Meere leiten.

Aufgrund strengerer Grenzwerte für den Schwefelanteil im Treibstoff der Schiffe greifen die Reedereien verstärkt auf Scrubbing-Anlagen (Gaswäscher) zurück. Diese sind günstiger als der Umstieg auf schwefelarmen Treibstoff und sollten eigentlich eine reinigende Wirkung haben – haben sich nach einer neuen Studie des Internationalen Rates für sauberen Verkehr (ICCT) aber als großes Problem für die Umwelt entpuppt.

Abwasserentsorgung in die Meere

Nachdem 2015 nach Angaben der ICCT-Studie erst 243 Schiffe mit Scrubbing-Anlagen ausgestattet waren, belief sich deren Anzahl im vergangenen Jahr bereits auf über 4300 – Tendenz weiter steigend. Die meisten Schiffe haben offene Systeme („open loop“) und leiten ihre Abwässer dabei ins Wasser, was die Wasserqualität verschlechtert und Tiere schädigen kann.

Während einige Staaten bereits auf das Problem reagieren und die Nutzung der Scrubbing-Anlagen in ihren Territorien untersagen, unternehmen viele andere nichts.

Nord- und Ostsee werden besonders geschützt

Doch wie ist die rechtliche Lage bei uns?

Grundsätzlich sind die Nord- und Ostseehäfen inmitten einer Sulfur Emission Control Area (SECA) gelegen, die als Abgasbegrenzungszone vorgibt, welcher Kraftstoff von den Schiffen genutzt werden darf. Wie in allen europäischen Häfen dürfen die Schiffe daher beispielsweise auch in Kiel nur auf Treibstoff zurückgreifen, der einen maximalen Schwefelgehalt von 0,1 Prozent (außerhalb der SECA 0,5 Prozent) aufweist.

Zudem wurde in Kiel bereits 2017 eine hochmoderne Anlage zur Behandlung der Schiffsabwässer am Ostseekai eingeweiht. Zum Schutz des Meeres müssen unter anderem die Kreuzfahrtschiffe, die in der Ostsee verkehren, alle ihre Abwässer in speziellen Anlagen in den Häfen abführen. Eine selbstständige Klärung an Bord ist nur unter strengen Grenzwerten möglich. Zwar verkehren auf der Ostsee viele Schiffe mit Scrubbing-Anlagen, diese haben aber ein geschlossenes System, das kein Scrubbing-Waschwasser ins Meer einleitet.

Ein großer Unterschied, denn eine Umweltgefahr für den Kieler Hafen gehe von den Scrubbing-Systemen daher nicht aus. Das bestätigte auch Ulf Jahnke, der Pressesprecher des Port of Kiel, auf Anfrage von shz.de am Donnerstag. Er verwies auf die strengen Vorschriften, deren Einhaltung von der Wasserschutzpolizei kontrolliert werde.

Kritik vom Naturschutzbund Schleswig-Holstein

Dass es vor allem die offenen Systeme sind, die sich für die Umwelt als problematisch erweisen, räumt auch der Nabu Schleswig-Holstein ein. Trotzdem gehe nach Angaben des Umweltverbandes auch von den geschlossenen Systeme eine Gefahr aus.

Die neue Studie zeigt, dass selbst aus Closed-Loop Scrubbern, in denen Schadstoffe zur Entsorgung an Land aufkonzentriert werden, Schadstoffe in die Umwelt gelangen (...).

Ingo Ludwichowski, NABU Landesgeschäftsführer

Die Verbote für Einleitungen gelten in Deutschland bisher nur in den Häfen. Der Nabu fordert daher, die Beschränkungen auf den gesamten Ostseeraum und den Einflussbereich des Wattenmeeres auszuweiten. Internationale Beispiele wie der Golf von Bohei in China würden zeigen, dass eine Ausweitung keine übermäßige Belastung für die Schifffahrt bedeuten würde. Weiterhin würde es Anreize für den Umstieg auf weniger umweltschädliche Treibstoffe geben.

Greenwashing durch Schlammwashing – ein Kommentar

Die „schmutzigen Pötte“ stehen also mal wieder in der Kritik. Das ist soweit zwar nichts Ungewöhnliches, die neue ICCT-Studie dürfte die Reedereien aber dennoch mächtig ärgern. So hatte man sich doch erhofft, die Einhaltung der neuesten Richtlinien durch die Scrubbing-Technologie würde das angekratzte Image etwas aufpolieren.

Und tatsächlich: Auf die Luftqualität wirkt sich die Technologie ja durchaus positiv aus. Blöd ist nur, wenn man für den Reinigungsprozess das Meerwasser verschmutzt. Noch blöder, wenn Studien den Schaden für die Umwelt eindeutig belegen. Wasserverschmutzung statt Luftverschmutzung. Greenwashing durch „Schlammwashing“. Das hilft aber keiner Reederei – und schon gar nicht der Umwelt.

Als alleiniger Sündenbock dürfen die Reedereien nun aber nicht herhalten. In der Verantwortung stehen jetzt vor allem die betroffenen Staaten. Denn wenn in vielen Ländern das Abführen der Abwässer rechtlich nicht untersagt ist, darf man sich nicht wundern, dass die Reedereien diese Gesetzeslücke für sich zu nutzen wissen.

Per-Niklas Heintze

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