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Pandemie macht Video-Verhandlungen zum Alltag

Pandemie macht Video-Verhandlungen zum Alltag

Pandemie macht Video-Verhandlungen zum Alltag

Frank Jung/shz.de
Schleswig
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Videoverhandlung: Die Justiz erlebt es als Erfolgsgeschichte. Foto: Axel Ebert

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Seit dem Sommer hat die Justiz in Schleswig-Holstein über 2000 Verhandlungen digital erledigt, schätzt das Oberlandesgericht.

Seit Beginn der Corona-Pandemie stellt die Landesjustiz einen „Kulturwandel“ fest: Gerichtsverhandlungen per Video sind Alltag geworden. Das hat Oberlandesgerichts-Präsidentin Uta Fölster beim Jahrespressegespräch ihres Hauses herausgestellt. Laut einer Abfrage seien an Amts- und Landgerichten und im OLG selbst seit Juni mehr als 1000 Verhandlungen per Digitalschalte absolviert worden. „Wahrscheinlich waren es sogar an die 2000“, sagte der IT-Verantwortliche des OLG, Dirk Rost. Eine exakte Statistik darüber wird nicht geführt.

Rechtlich wäre es online schon seit 2005 gegangen

Dabei habe sich rechtlich nichts geändert: Zugelassen ist es schon seit 2005, einen Prozess per Video- und Tonübertragung zu führen. Nur hat dies nach Angaben der Gerichtsvertreter so gut wie niemand genutzt. Allein das OLG verzeichnet für die vergangenen acht Monate 160 digital verhandelte Verfahren. Das macht mehr als ein Drittel aus. Aktuell werde sogar jeder zweite Termin elektronisch abgehalten. Nur drei oder vier mussten laut Rost wiederholt werden, weil die Technik zwischendrin zusammengebrochen war.

Bei Zeugen-Befragungen zählt weiter der persönliche Eindruck

In den unteren Instanzen schätzt OLG-Präsidentin Fölster den Digital-Anteil allerdings geringer ein als im eigenen Haus. Beim obersten Gericht im Land drehe es sich häufig um reine Rechtsfragen – und dafür sei ein persönliches Zusammentreffen der Parteien oft nicht notwendig. „An den Amts- und Landgerichten spielt die Tatsachen-Aufklärung eine größere Rolle“, betont IT-Experte und Richter Rost. „Da ist es oft relevant, sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, etwa von Zeugen.“ Das gelte auch für Eltern bei Streitigkeiten ums Sorgerecht. Alles in allem glaubt Rost daran, „dass die Pandemie für Verhandlungen eine langfristige Entwicklung angestoßen hat“. Vor allem Anwälte hätten es zu schätzen gelernt, durch die Videotechnik Fahrzeiten und -kosten zu sparen. Sie erhalten sogar einen QR-Code zugstellt, mit dem sie sich mit bloß einer Handbewegung in einen Prozess hineinschalten können.

Wie die Öffentlichkeit erhalten bleibt

Dass Gerichte öffentlich verhandeln müssen, wird dadurch sichergestellt, dass lediglich die Kontrahenten oder ihre Anwälte sowie Gutachter von außerhalb des Gerichtssaals hinzugezogen werden dürfen. Das Gericht selbst tritt weiter an seinem Sitz zusammen.

Mit einer Portion Selbstironie betrachten die Richter, dass die räumliche Trennung laxeren Umgangsformen Vorschub leistet: „Ein bisschen verlieren wir dadurch unsere Würde“, witzelt Rost. Eigentlich müssen alle Prozessbeteiligte aufstehen, wenn das Gericht erscheint, auch wenn man nur digital beisammen ist. „Manchmal merken die Anwälte aber jetzt gar nicht, wenn wir den Saal betreten und unterhalten sich noch.“

Die Anwälte sind über Hilfe der IT so dankbar, dass sich das günstig auf die Verhandlungs-Atmosphäre auswirkt.

Uta Fölster, Präsidentin des Oberlandesgerichts

Positiv wiederum macht sich aus Sicht Fölsters bemerkbar, dass die IT des OLG Anwälten zu Hilfe kommt, wenn diese technische Probleme bei einer Videoschalte haben. „Die sind dann so dankbar, dass sich das günstig auf die Verhandlungs-Atmosphäre auswirkt.“ 

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