Elektromobilität

Der Norden bringt E-Autos den Turbo-Lader

Der Norden bringt E-Autos den Turbo-Lader

Der Norden bringt E-Autos den Turbo-Lader

Frank Jung/shz.de
Lübeck/Itzehoe/Kiel
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Mehr Tempo für E-Ladesäulen ist das Ziel eines Forschungsprojekts an der Technischen Hochschule Lübeck. Foto: Archiv: Tobias Thieme

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Mit einer Kombination aus innovativer Ladetechnik und Strom-Zwischenspeicher will ein Forscherteam aus SH die schnellste E-Ladestation Deutschlands erschaffen.

Forscher aus Schleswig-Holstein treten an, der Elektromobilität einen entscheidenden Schritt zum Durchbruch zu verpassen: Sie entwickeln die nach eigenen Angaben schnellste E-Lade-Station in Deutschland. Das teilte Projektleiter Roland Tiedemann, Professor für Leistungselektronik an der Technischen Hochschule in Lübeck, mit. Vorangegangen war die Bewilligung einer Fördersumme von 2,5 Millionen Euro durch das Land und die Europäische Union.

Zeitlich soll sich nichts von einem herkömmlichen Tankstellenstopp unterscheiden.

Roland Tiedemann, Professor für Leistungselektronik

„Zeitlich soll sich für die Autofahrer nichts von einem herkömmlichen Tankstellenstopp für Verbrennerfahrzeuge unterscheiden“, erklärt Tiedemann. „Ziel ist es, binnen weniger Minuten ein Auto voll aufzuladen.“ Nach einer Vorarbeit von fünf Jahren hat sein zehnköpfiges Team schon einen voll funktionsfähigen Prototypen vorzuweisen. Er kann ein Auto bereits jetzt mit einer Ladeleistung von 100 Kilowatt (kW) versorgen. Zum Vergleich: Herkömmliche Ladesäulen wie sie etwa Aral gerade aufstellt, schaffen 30 bis 35 kW. „Unser Prototyp kann einen BMW i3 in knapp einer halben Stunde laden“, erklärt Tiedemann.

Der Prototyp kann ein Nissan-Modell schon in vier Minuten füllen

„Wie schnell ein Auto voll ist, hängt immer von seiner Größe ab. Der Nissan Leaf zum Beispiel hat 40 kWh und wäre bei uns in vier Minuten geladen.“ Mit Hilfe der Fördergelder möchte das Forscherteam eine Ladeleistung von zunächst 400 kW erreichen. „Die Versuche dazu beginnen in den nächsten Monaten“, sagt Tiedemann. „Power 400“ heißt deshalb das Projekt. Aktuell entsteht ein Test-Gebäude auf dem Gelände von Travenetz, einer Tochterfirma der Lübecker Stadtwerke. „Damit kann ,Power 400' vom Labormaßstab auf den Industriemaßstab wachsen“, so der Projektleiter. „Die Technik wird so erweitert, dass sich die Autos auch mit 1000 kW laden lassen. So könnten zehn Autos gleichzeitig laden, ohne das Versorgungsstromnetz zu destabilisieren.“

Clou ist die Kombination mit einer Spezial-Batterie aus Itzehoe

Clou ist die Kombination der eigentlichen Ladetechnik mit einem Zwischenspeicher für den benötigten Strom. Das Projektteam spricht von einem Pufferspeicher. „Das normale Stromnetz könnte eine so hohe Ladeleistung nicht zur Verfügung stellen“, erklärt der Professor aus Lübeck. „Der Pufferspeicher entlastet es. Sonst würden in der Umgebung die Lichter ausgehen.“ Man könne es sich vorstellen wie einen Stausee. „Aus dem Stromnetz rieselt kontinuierlich immer mehr Inhalt hinein und füllt den See auf. Wenn wir ihn öffnen, lädt das Auto kurzfristig auf.“ Den „Stausee“, also die besondere Batterie, hat das Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie (Isit) in Itzehoe ausgetüftelt. Ein weiterer Partner der Lübecker ist die Fachhochschule Kiel. Dort haben Experten einen Weg gefunden, normalerweise im Stromnetz vorhandene Störsignale zu unterdrücken. Sonst würde das die Leistung reduzieren.

Praktischer Verwendungsweg für Strom aus Wind und Sonne

Zur Bewilligung der Millionenförderung durch das Land beigetragen hat die Aussicht, Energie aus Wind und Sonne eine bessere Verwendungsmöglichkeit zu erschließen: Der grüne Strom könnte in die „Stausee“-Speicher direkt eingespeist werden.

Dass die Schleswig-Holsteiner in einem international so stark forcierten Feld so weit vorne liegen, erklärt Tiedemann damit, „dass wir die klassische, oft zeitaufwändigere Reihenfolge umgedreht haben. Wir haben nicht erst Grundlagenforschung gemacht, sondern die gewünschte Anwendung an den Anfang gestellt und daraus die nötige Grundlagenforschung abgeleitet.“

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