Forschungsfahrt Lübecker Bucht

Neue Suche nach Altlasten in der Ostsee beginnt

Neue Suche nach Altlasten in der Ostsee beginnt

Neue Suche nach Altlasten in der Ostsee beginnt

Kay Müller/shz.de
Kiel
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Einsatzbereit: Forschungstaucher Markus Zimmerer erklärt Umweltminister Jan Philipp Albrecht wie er vorgehen wird. Foto: Marcus Dewanger

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Wissenschaftler stechen in See: Toxikologen erforschen in Lübecker Bucht erneut Gefahr von Munition im Meer.

Wir schützen Schleswig-Holsteins Küsten – dieser Spruch prangt groß an der Seite der „Haithabu“, die im Kieler Marinehafen zu einer Forschungsfahrt in die Lübecker Bucht ablegt. Davor steht Umweltminister Jan Philipp Albrecht, der dem Kapitän noch einmal freundlich zuwinkt. „Wir müssen mehr tun, um die problematischen Altlasten aus dem Meer zu bekommen“, sagt der Grünen-Politiker. 

Wir müssen noch mehr darüber wissen, was die Munition in den Meeren anrichtet.

Jan Philipp Albrecht, Umweltminister

Der Minister wäre gern selbst mitgefahren und hätte die Forscher auf die Ostsee begleitet, in der immer noch Millionen Tonnen Munition aus den Weltkriegen liegen – doch die Corona-Auflagen machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Dennoch ist Albrecht gespannt auf die Ergebnisse: „Wir müssen noch mehr darüber wissen, was die Munition in den Meeren anrichtet.“ 

Forscht seit Jahren über die Auswirkungen von Munition im Meer: Uve Edmund Maser, Direktor des Instituts für Toxikologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Foto: Marcus Dewanger

Um das zu klären, gibt es seit Jahren ein Pilotprojekt, das der Direktor des Instituts für Toxikologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Uve Edmund Maser, leitet. Seine Forscher, die jetzt auch an Bord der „Haithabu“ gehen, nehmen in den Munitionsversenkungsgebieten Wasserproben, um sie auf Rückstände von Sprengstoff zu untersuchen.

Dazu setzen sie Muscheln aus, die sie in einigen Wochen wieder einsammeln, um in ihnen nach TNT zu suchen.

Dabei setzen Taucher die Muscheln entweder direkt auf rostende Granaten und Bomben oder auch auf völlig freigelegte Schießwolle. „Unsere bisherigen Forschungen auch in anderen Versenkungsgebieten haben gezeigt, dass Muscheln, die direkt mit der Schießwolle in Berührung kamen, so viele krebserregende Stoffe enthalten haben, dass sie nicht mehr gegessen werden konnten“, sagt Maser.

Man sei weit davon entfernt, dass alle Meeresfrüchte in der Ostsee vergiftet seien, denn schon Muscheln, die auf den Munitionskörpern lagen, hätten 50 bis 60 Mal weniger dieser Stoffe enthalten. „Wir sehen aber auch, dass die Gefahr zunimmt, je mehr Munitionskörper durchrosten und damit Sprengstoff freigeben“, so der Wissenschaftler. „Deswegen muss auch zügig mit der Bergung zumindest in den Hot Spots begonnen werden.“

Unklar, wer die Bergung bezahlen soll

Albrecht hat deswegen einen Antrag auf der jüngsten Umweltministerkonferenz gestellt (wir berichteten), den die Länder einstimmig angenommen haben. „Der nächste Schritt muss die Bergung der Munition sein“, sagt Albrecht. Die ist allerdings teuer, die Finanzierung unklar, Albrecht rechnet für den Anfang mindestens mit einem dreistelligen Millionenbetrag. „Der Bund muss sich daran beteiligen“, fordert der Umweltminister.

Er kann sich allenfalls eine pilothafte Bergung und Entsorgung von Munition in Schleswig-Holstein vorstellen. „Das darf dann aber keine Showveranstaltung sein, sondern muss dort geschehen, wo das Problem am drängendsten ist.“ Eben zum Schutz von Menschen und Tieren an den Küsten seien Forschungsreisen wie die der „Haithabu“ so wichtig. In drei Monaten wollen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse präsentieren.

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