Tourismus

Mitten im Lockdown: 3744 Euro Tourismusabgabe fürs Reetdorf fällig

Mitten im Lockdown: 3744 Euro Tourismusabgabe fürs Reetdorf fällig

Mitten im Lockdown: 3744 Euro Tourismusabgabe fürs Reetdorf

Birger Bahlo/shz.de
Nieby
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Reetdorf Geltinger Birk steht im Lockdown leer. Trotzdem müssen jetzt Abgaben bezahlt werden - im Voraus fürs ganze Jahr. Foto: Bodo Nitsch

Norbert Essing vom Reetdorf Geltinger Birk kritisiert, dass trotz Beherbergungsverbot zurzeit Abgaben kassiert werden.

Furchtlos legt Norbert Essing seinen Finger tief in die Wunde und scheut dabei auch einen Konflikt mit der Landesregierung nicht. Essing ist geschäftsführender Gesellschafter und Investor der Ferienhäuser im Reetdorf Geltinger Birk.

Er tischt im Gespräch mit unserer Redaktion Probleme auf, die keineswegs nur sein Unternehmen, sondern letzten Endes Vermieter in der gesamten Urlaubsregion Schleswig-Holstein betreffen.

Tourismusabgabe mitten im Lockdown fällig

Zur Sache: Das Amt Geltinger Bucht hat ihm im Januar mitten im Corona-bedingen Lockdown die Tourismusabgabe in Höhe von 3744 Euro berechnet – für zwölf Monate im Voraus.

Ich frage mich, wie unsensibel solche Behörden sind. Ausgerechnet jetzt ist der Tourismus auf null und sie fordern fröhlich Abgaben für etwas, was derzeit gar nicht zulässig ist – Tourismus.

Norbert Essing, Reetdorf Geltinger Birk

„Ich frage mich, wie unsensibel solche Behörden sind.“ Ausgerechnet jetzt sei der Tourismus auf null gefahren. Vermieter und andere Betriebe schrieben hohe Verluste wegen der Corona-Maßnahmen „und die Behörde fordert fröhlich Abgaben für etwas, was derzeit gar nicht zulässig ist – Tourismus.“

Im Lockdown laufen Kosten weiter

Auch im Stillstand würden Kosten weiterlaufen. Und damit ist Norbert Essing beim zweiten Punkt. Die Politik verweise auf die Entlastung durch November-/Dezember-Hilfen. Von Steuerberatern höre er aber, dass die Zahl der Betriebe, die keinen Anspruch geltend machen dürften, größer sei als jene, die einen Antrag stellen könnten. Beispielsweise sei „verbundenen Unternehmen“ der Zugang verwehrt. So fielen etwa Landwirtsfamilien durchs Raster, die in einer extra gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts Ferienwohnungen anbieten.

Wo überall die Tourismusabgabe erhoben wird

Dröseln wir die Themen auf. Dabei hilft mit präzisen Angaben Rosemarie Marxen-Bäumer, Leitende Verwaltungsbeamtin des Amtes Geltinger Bucht. Nur ein anerkannter Erholungsort könne eine Tourismusabgabe erheben. In ihrem Bereich machen das die Gemeinden Gelting, Hasselberg, Kronsgaard, Maasholm, Nieby, Pommerby und Rabel.

Rundgang durchs Reetdorf im Jahr 2018: Norbert Essing (Mitte) mit Minister Bernd Buchholz und Landrat Wolfgang Buschmann (l.). Foto: Rebecca Nordmann

Ahneby, Esgrus, Niesgrau, Steinbergkirche und Sterup seien zwar auch anerkannte Erholungsorte, erheben die Tourismusabgabe bislang jedoch nicht. Steinberg habe eine Erhebung ab 2022 beschlossen.
 

Allein im Amt Geltinger Bucht müssen 667 Betriebe zahlen

Die Abgabe dient dazu, neben dem Gemeindehaushalt Mittel für touristische Infrastruktur zur Hand zu haben. Im Amtsbereich tragen 667 Betriebe in ihren jeweiligen Dörfern 143.400 Euro zusammen.

Ganz im Sinne von Norbert Essing dürfte es sein, dass die Gemeinden Hasselberg und Gelting im Vorjahr wegen der Corona-Pandemie beschlossen hatten, auf die Zahlung der Tourismusabgabe zu verzichten, allerdings nur für zwei Zwölftel der Jahresgebühr.

Norbert Essing kritisiert das Land

Er ärgert sich indes auch darüber, dass er keine oder sehr spät Antworten aus Kiel auf seine Kritikpunkte bekommen hatte. Das führt zu teils hochemotionalem Mailverkehr mit dem Büro von Tourismus-Minister Dr. Bernd Buchholz (FDP) und Buchholz selbst.

Ministerin für ländliche Räume meldet sich zu Wort

Auf Nachfrage der Redaktion, ob die Abgabe in diesem Jahr besser später oder gar nicht erhoben werden sollte, meldet sich Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU) als Ministerin für den ländlichen Raum, – und hält sich aus der Sache raus: „Wenn uns ein Bürgermeister fragen würde, dann würden wir ihm eine Abwägung empfehlen, was langfristig für seine Gemeinde in dieser Situation besser ist: den strapazierten Gemeindehaushalt durch Einnahmen aus der Tourismusabgabe zu entlasten, oder den Betrieben in schwieriger Zeit durch einen Verzicht auf diese Abgabe Kostensenkungen zu ermöglichen.“ Dafür sei die Situation vor Ort zu unterschiedlich.

Büro des Wirtschaftsministers stellt Zahlen klar

Philipp Neuenfeldt, Leiter des Büros von Dr. Bernd Buchholz, antwortet schließlich auf Essings Kritik mit der aktuellen Bilanz der Auszahlungen von Hilfsgeldern. Per Freitag, 29. Januar, seien auf 97 Prozent der über Steuerberater eingereichten Anträge für Novemberhilfe Abschlagszahlungen veranlasst worden.

31 Millionen Euro Novemberhilfe ausgezahlt

Alle Anträge, die direkt gestellt worden seien, seien zu 89 Prozent entschieden und die Beträge ausgezahlt worden – insgesamt mehr als 31 Millionen Euro allein in diesem Programm.

Norbert Essing hält an Kritik fest: Viele gar nicht antragsberechtig

Am Ende seines eigenen Briefverkehrs und der Recherchen unserer Redaktion zollt Norbert Essing Minister Buchholz zwar seinen persönlichen Respekt, bleibt aber in beiden Punkten klar: dass viele Betriebe von der November-Hilfe nur verspätet oder gar nichts sehen werden und dass das Thema Tourismusabgabe im Fokus der Verantwortlichen bleiben müsse.

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