Corona-Krise

Kampf um die Maskenpflicht

Kampf um die Maskenpflicht

Kampf um die Maskenpflicht

Kay Müller/shz.de
Kiel
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Genau in 308 Fällen beschwerten sich Schleswig-Holsteiner im vergangenen Jahr bei der Antidiskriminierungsstelle des Landes über Probleme wegen der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Foto: Patrick Niemeier

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Die Antidiskriminierungsstelle des Landes registriert eine Verdopplung der Fälle.

Sie durfte nicht mehr rein. Obwohl eine Kundin bei ihrem Stamm-Supermarkt ein Attest vorlegte, das belegte, dass sie aus medizinischen Gründen keinen Mund-Nasen-Schutz tragen darf, ließen sie die Mitarbeiter nicht ins Geschäft. Solche Auswirkungen der Corona-Krise sorgen dafür, dass sich die Zahl der Beratungsfälle bei der Antidiskriminierungsstelle des Landes in den vergangenen beiden Jahren „immens erhöht hat“, wie die Leiterin und Bürgerbeauftragte, Samiah El Samadoni (Foto), bei der Vorstellung ihres aktuellen Berichts sagt. „Es gibt eine verstärkte Grundaggression bei dem Thema.“ 

Leitet die Antidiskriminierungsstelle des Landes: Samiah El Samadoni. Foto: FRank Molter/dpa

In den vergangenen beiden Jahren haben El Samadoni und ihre Kollegen 698 Eingaben bekommen, in den Menschen sich wegen ihrer ethnischen Herkunft, sexuellen Orientierung, Religion, Alters, Geschlechts oder ihrer Behinderung diskriminiert gefühlt haben. In den Jahren 2017 und 2018 waren es noch 341 Fälle.

Allein 308 der rund 500 Hilfsanfragen aus dem vergangenen Jahr drehten sich um die Maskenpflicht – wobei laut El Samadoni rund die Hälfte davon berechtigt waren. Denn auch sie habe es zunehmend mit Corona-Leugnern zu tun, die sich mit Attesten an sie wenden, die die Bürgerbeauftragte zumindest anzweifelt. „Deswegen plädiere ich für einen offiziellen, behördlichen Ausweis, der eine ärztliche Befreiung von der Maskenpflicht bestätigt.“ Das würde es Sicherheitspersonal und Ladenbesitzern erleichtern, die Echtheit eines Attestes schnell überprüfen zu können, meint El Samadoni. Oft versuchten Querdenker die Maskenpflicht mit zweifelhaften Dokumenten zu unterlaufen. Dadurch dürfte aber keine Menschen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen könnten, diskriminiert werden. „Wir bekommen sonst eine Spaltung der Gesellschaft, weil Menschen mit Behinderungen nicht ausreichend am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.“ Und das sei eben rechtswidrig, so die Bürgerbeauftragte.

Die Maskenpflicht wird es noch lange geben, deswegen lohnt sich die Einführung so eines Ausweises auf jeden Fall noch.

Samiah El Samadoni, Bürgerbeauftragte des Landes

El Samadoni kämpft seit fast einem Jahr für diesen Ausweis, sie sei weiter in Gesprächen mit dem Sozialministerium. Auf die Frage, ob der Ausweis so oder so zu spät komme, nickt sie, sagt dann aber: „Die Maskenpflicht wird es noch lange geben, deswegen lohnt sich die Einführung so eines Ausweises auf jeden Fall noch.“ Wenn Behörden den Anspruch auf eine Befreiung von der Maskenpflicht prüften, würde das auch dabei helfen Ärzte auszumachen, die Gefälligkeitsbescheinigungen für Corona-Leugner ausstellten.

Dem Leiter des Supermarkts, der seine Stammkundin zunächst abwies, hätte ein amtliches Dokument das Leben erleichtert. Er wolle nur seine Kunden schützen, habe er erklärt, sagt El Samadoni. Nachdem sie ihn auf die Rechtslage hingewiesen habe, darf die Frau wieder in ihrem Lieblingssupermarkt einkaufen.

Rassismus und Digitalisierung sind große Probleme

Neben Hilfsanfragen wegen der Maskenpflicht, hat Samiah El Samadoni 2020 vor allem Fälle von Diskriminierung wegen einer Behinderung (74), oder Rassismus (32) oder des Geschlechts (19) registriert – etwa weil Menschen deswegen keine Wohnung oder keinen Job bekommen haben. Dazu steige die Zahl der Diskriminierungen wegen der Digitalisierung – etwa von älteren Menschen, die Benachteiligungen haben, weil sie keinen Zugang zum Internet haben. Es sei nötig, weiter analog Anträge stellen oder Unterlagen anfordern zu könne, so El Samadoni.

 

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