Schulpolitik

Viel Unterstützung für Karin Priens Milliardenforderung

Viel Unterstützung für Karin Priens Milliardenforderung

Viel Unterstützung für Karin Priens Milliardenforderung

Henning Baethge/shz.de
Kiel/Berlin
Zuletzt aktualisiert um:
Ihr Vorschlag stößt auf offene Ohren: Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien. Foto: Carsten Rehder/dpa

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Bildungspolitiker in Bund, Ländern und Opposition befürworten Sonderprogramm zum Aufholen der Lernrückstände an Schulen.

Eine „Lernmilliarde“ zum Aufholen von Bildungsrückständen wegen der pandemiebedingten Unterrichtsausfälle hat Schleswig-Holsteins Kultusministerin Karin Prien am Montag für Deutschlands Schulen gefordert – und ist damit am Dienstag bei ihren Kolleginnen in Bund und Ländern sowie in der Opposition auf offene Ohren gestoßen.

So begrüßte Priens baden-württembergische Amtskollegin und CDU-Parteifreundin Susanne Eisenmann den Vorstoß für ein gemeinsames Bund-Länder-Programm. „Wir müssen verhindern, dass einzelne Schülerinnen und Schüler zu Verlierern der Pandemie werden“, sagte Eisenmann unserer Zeitung. Daher müsse „der Bund gemeinsam mit uns Ländern an einem Strang ziehen“. Eisenmann ist auch Spitzenkandidatin der CDU bei der Landtagswahl in Stuttgart an diesem Wochenende.

Sogar Bayern und Baden-Württemberg wollen Hilfe vom Bund

Der bayrische Kultusminister Michael Piazolo von den Freien Wählern hält Zuschüsse vom Bund zum Aufholen der Lernrückstände ebenfalls für richtig: „Ich begrüße den Dialog der Kultusministerkonferenz mit dem Bund über ein entsprechendes Förderprogramm“, erklärte er. Dass die süddeutschen Länder Bayern und Baden-Württemberg Hilfe vom Bund für schulpolitische Aufgaben einfordern, ist selten – beide Länder pochen normalerweise stark auf die im Grundgesetz verankerte Bildungshoheit der Länder und wehren jeden Einmischungsversuch aus Berlin ab.

 

„Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung, damit von der Pandemie so wenig wie möglich an den Kindern hängen bleibt.“

Anja Karliczek (CDU), Bundesbildungsministerin

Auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek plädierte für eine „nationale Kraftanstrengung, damit von der Pandemie so wenig wie möglich an den Kindern hängen bleibt“. Bund und Länder sollten „ein wirklich großes Nachholprogramm auflegen – daran arbeiten wir gerade“, sagte die CDU-Ministerin. Ob das Nachholpaket wie von Prien gefordert mit einer Milliarde Euro dotiert wird und welchen Anteil der Bund übernimmt, ließ Karliczek allerdings offen. „Ich hoffe, dass das Programm finanziell von allen Seiten sehr gut ausgestattet wird“, sagte sie nur. Ähnlich hatte die Ministerin sich schon am Wochenende geäußert.

Von SPD, Grünen und FDP gibt es ähnliche Vorschläge

Ohnehin ist Prien nicht die erste, die eine „Lernmilliarde“ ins Spiel bringt. Auch mehrere Oppositionspolitiker im Bundestag haben schon einen solchen Vorschlag gemacht. So hat der Vorsitzende des Bildungsausschusses, der Elmshorner SPD-Abgeordnete Ernst Dieter Rossmann, von Bund und Ländern einen Betrag von „mindestens einer Milliarde Euro“ verlangt.

Bei rund einem Viertel der fast elf Millionen Kinder und Jugendlichen seien nach Einschätzung von Experten „bedeutsame Lernlücken entstanden, die sich nicht von selbst wieder abbauen“, mahnte Rossmann. Daher sei ein Sonderprogramm nötig. Verbunden hat er seine Forderung mit einem Appell zu einer „großen Freiwilligen-Initiative“, um möglichst viele „ältere Schüler, Studenten, Referendare, Senior-Experts, pensionierte Lehrkräfte oder auch aktive Lehrkräfte, die noch zusätzliche Kraft haben“, für den Bildungsstart nach Corona zu gewinnen – natürlich gegen Entlohnung aus dem geplanten Milliardenprogramm.

Ähnliches schwebt der Grünen-Chefin Annalena Baerbock vor. Mit einer Milliarde Euro könnten „Bildungslotsen finanziert werden, die Schulkinder unterstützten“, sagt sie. Geeignet dafür seien „pensionierte Lehrkräfte oder Lehramtsstudierende“. An Letztere denkt auch die FDP bei ihrer Idee für „Lern-Buddys“ besonders: „Neben der individuellen Betreuung für die Schüler könnten Studierende Praxiserfahrung sammeln und finanziell wieder selbstständig werden“, argumentiert FDP-Bildungspolitiker Jens Brandenburg und rechnet vor. „Mit einer Milliarde Euro könnte die Bundesregierung ein anderthalbjähriges Programm mit etwa 170000 Lern-Buddys auf den Weg bringen“.

Prien will „im Wesentlichen“ den Bund zahlen lassen

Wofür genau die zusätzlichen Kräfte gebraucht würden, hat die Kieler Ministerin Prien schon mal eingehend analysieren lassen. „Hausaufgabenhilfe, Verbesserung des eigenverantwortlichen Lernens, Unterstützung bei Prüfungsvorbereitungen, Lernberatung etwa für Projektarbeit, Umgang mit digitalen Medien oder Aufholen und Vertiefen von Fachinhalten“, zählt sie auf. Wie teuer all diese Maßnahmen für Schleswig-Holstein würden, hat Prien noch nicht ausgerechnet. Auch legt sie sich noch nicht in der Frage fest, wie Bund und Länder die Kosten für ein solches Milliardenpaket unter sich aufteilen sollten. Doch bestehe zwischen „Einigkeit darüber, dass dieses Programm in der besonderen Lage der Pandemie im Wesentlichen durch den Bund finanziert werden muss“, sagte Prien. „Die Lände stellen ja schon erhebliche Ressourcen zur Verfügung.“

 

Als Lesehelfer oder für Grundlagen in Deutsch, Englisch und Mathe wäre ich zu gebrauchen.

Ernst Dieter Rossmann (SPD), Vorsitzender des Bildungsausschusses im Bundestag

Im Elmshorn kann die Ministerin schon mal eine Zusatzlehrkraft fest einplanen: Der Bildungsausschuss-Vorsitzende Rossmann will nach seinem geplanten Abschied vom Bundestag im September gern dabei mithelfen, Lernrückstände aufzuholen: „Als Lesehelfer oder für Grundlagen in Deutsch, Englisch und Mathe wäre ich zu gebrauchen“, meint der 70-jährige Diplom-Psychologe und promovierte Sportwissenschaftler.

Mehr lesen