Intensivpfleger berichtet

«In normalen Zeiten sterben Patienten anders»

«In normalen Zeiten sterben Patienten anders»

«In normalen Zeiten sterben Patienten anders»

dpa
Berlin/Potsdam
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Intensivpfleger Ricardo Lange spricht über seine Arbeot während der Corona-Pandemie. Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Hohe körperliche Belastung und psychische Herausforderungen: der Arbeitsalltag des Intensivpflegers Ricardo Lange ist von vielen Eindrücken geprägt. Eindrücke, die ihn lange nicht loslassen dürften.

Mit eindringlichen und direkten Worten hat ein an Berliner Kliniken tätiger Intensivpfleger die Lage in der Pandemie beschrieben und die Politik kritisiert.

«Die Intensivstationen sind voll. Da gibt es keinen Interpretationsspielraum», sagte Ricardo Lange am Donnerstag in Berlin bei einer Pressekonferenz mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und dem Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler. Der Intensivkrankenpfleger, der nach eigenen Worten aus Brandenburg kommt und für eine Zeitarbeitsfirma arbeitet, kritisierte, dass der Personalnotstand in der Branche nicht schon vor Jahren angegangen worden sei.

Er schilderte die hohe körperliche Belastung durch die Schutzausrüstung, aber auch die psychischen Herausforderungen: «In normalen Zeiten sterben die Patienten anders», sagte Lange. Angehörige könnten die Kranken über längere Zeit begleiten. Nun sei nur noch ein letzter Besuch beim bevorstehenden Tod möglich. Das letzte Bild, das die Sterbenden sähen, seien Angehörige in kompletter Schutzmontur, es gebe keinen körperlichen Kontakt.

Pflegekräfte packten die Verstorbenen dann zum Infektionsschutz in schwarze Plastiksäcke. «Wir legen sie dort hinein und ziehen den Reißverschluss zu. Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage: Das macht was mit einem», sagte Lange. Man mache das nicht nur ein paar Mal, sondern unzählige Male. Wichtiger als Boni wären ihm bessere Arbeitsbedingungen. Bisher fehle ein schlüssiges Konzept, um Überlastung zu verhindern und Pflegekräfte zu unterstützen.

Einer gewissen Betriebsblindheit sei er sich bewusst, sagte der Intensivpfleger. «Ich sehe natürlich nur die schweren Verläufe, ich sehe nur Menschen, die zum größten Teil daran versterben.» Umgekehrt sei es aber genauso, betonte er: Wer nicht auf einer Intensivstation arbeite oder im Privatumfeld betroffen sei, sehe nur die leichten Verläufe und Menschen, die nicht erkranken. «Das wiederum heißt nicht, dass es die schweren Verläufe nicht gibt.»

Spahn erläuterte, wie es zum Auftritt Langes kam: Nach einem Gespräch Spahns mit dem Schauspieler Jan-Josef Liefers wegen der umstrittenen Aktion #allesdichtmachen habe der Pfleger darauf hingewiesen, dass auch die Situation auf Intensivstationen eine Rolle spielen solle. «Dann hab ich gesagt, das wäre doch heute eine gute Gelegenheit.»

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