Triell

Auseinandersetzung zwischen Kanzlerkandidaten wird heftiger

Auseinandersetzung zwischen Kanzlerkandidaten wird heftiger

Auseinandersetzung zwischen Kanzlerkandidaten wird heftiger

dpa
Berlin (dpa) –
Zuletzt aktualisiert um:
Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD, l-r), Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen) und Armin Laschet (CDU) im Triell-Fernsehstudio. Foto: Michael Kappeler/dpa-Pool/dpa

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Noch zwei Wochen bis zur Bundestagswahl - und wieder stehen die Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen zusammen in einem Fernsehstudio. Beim zweiten Schlagabtausch geht es spürbar hitziger zu.

Zwei Wochen vor der Bundestagswahl haben sich die Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen bei einer weiteren Fernsehdebatte einen teilweise scharfen Schlagabtausch geliefert.

Angesichts der Ermittlungen gegen die Geldwäsche-Zentralstelle des Zolls versuchten am Sonntagabend Armin Laschet (Union) und Annalena Baerbock (Grüne) den SPD-Kontrahenten und Bundesfinanzminister Olaf Scholz unter Druck zu setzen. Die Financial Intelligence Unit (FIU) gehört in seinen Geschäftsbereich. Bei den Sachthemen gab es kaum neue Argumente. Auch mit Blick auf den Wirecard- und den Cum-Ex-Skandal musste sich Scholz verteidigen.

Insgesamt fiel die Debatte, die diesmal von ARD und ZDF ausgetragen wurde, deutlich kontroverser aus als beim ersten TV-Triell vor zwei Wochen.

Blitzumfragen im Auftrag von ARD und ZDF sahen Scholz als Gewinner auch dieses zweiten Triells an. Infratest-Dimap ermittelte für die ARD, dass 41 Prozent der Zuschauer Scholz am überzeugendsten fanden, gefolgt von Laschet mit 27 und Baerbock mit 25 Prozent. Laut Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) sahen 31 Prozent der Befragten Scholz am glaubwürdigsten an, Baerbock lag mit 25 Prozent hinter ihm, Laschet rangierte mit 22 Prozent auf dem dritten Platz. Bei der Frage, wer in der 90-minütigen Runde am sympathischsten rübergekommen sei, lag Baerbock in beiden Umfragen vorn und Laschet hinten.

Die Themen im Einzelnen:

Geldwäsche

Scholz wurde gefragt, wie gefährlich die Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück in seinem Ministerium im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen FIU-Verantwortliche sein könnten. Er antwortete, die Untersuchungen seien «zur Unterstützung dieser Erkenntnisgewinnung durchgeführt worden, und das hat gar nichts mit den Ministerien zu tun, wo das stattgefunden hat». Die Ministerien hätten «alles gemacht, was in dieser Frage notwendig ist».

Laschet warf ihm umgehend Schönrednerei vor. «Sie haben die Aufsicht über (den Bereich) Geldwäsche», hielt er ihm vor. Es sei unangemessen, wie der Minister im Zusammenhang mit den Durchsuchungen über die Justiz geredet habe. «Wenn die kommen, müssen Sie sagen, hier, ich lege alles offen, und denen nicht vorschreiben, wie sie zu arbeiten haben.»

Laschet warf Scholz auch vor, Millionen Kleinanleger hätten im sogenannten Wirecard-Skandal viel Geld verloren, weil er als Minister die Finanzaufsicht nicht richtig ausgerichtet habe. Auch im Cum-Ex-Skandal um Steuererlasse für die Hamburger Warburg-Bank in der Zeit von Scholz als Erstem Bürgermeister der Hansestadt attackierte Laschet den SPD-Konkurrenten.

Baerbock sagte zu den Durchsuchungen im Finanzministerium, sie könne von außen nicht sagen, was richtig oder falsch sei. Eines der größten Probleme auch mit Blick auf den Staatshaushalt sei aber, «dass dem Staat rund 50 Milliarden Euro jährlich durch Steuerbetrug, durch Geldwäsche, durch kriminelle Aktivitäten durch die Lappen gehen».

Klimaschutz

Laschet und Scholz warfen sich im Zusammenhang mit dem Klimaschutz bei wichtigen Fragen gegenseitig Blockade vor. Scholz betonte, die Union habe lange bestritten, dass für den klimagerechten Umbau der Wirtschaft mehr Strom nötig sei. Laschet monierte, die SPD habe Beschleunigungen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren verhindert.

Baerbock machte deutlich, mit dem aktuellen Tempo der schwarz-roten Koalition würden Klimaziele deutlich verfehlt. Die nächste Bundesregierung müsse den Kohleausstieg auf das Jahr 2030 vorziehen. Bisher ist das Jahr 2038 vorgesehen.

Digitalisierung

Baerbock, Scholz und Laschet benannten Fortschritte bei der Digitalisierung als dringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung. «Wir haben viel gemacht, aber es reicht nicht», sagte Laschet. Er bekräftigte seinen Plan, im Fall einer Kanzlerschaft ein Digitalministerium einzurichten. Beispielsweise ärgere es ihn «maßlos, dass wir immer noch selbst auf Autobahnen kein Netz haben».

Baerbock lehnte ein solches Ministerium ab, das Zukunftsthema Digitalisierung müsse in den Aufgabenbereich des Kanzlerinnenamtes, forderte sie. «Digitalisierung ist oder war, muss man deutlich sagen, die Aufgabe unserer Zeit», so Baerbock. Beim Glasfaserausbau müsse der Staat mit eingreifen.

Scholz betonte, dass für die Breitbandinfrastruktur schon viel Geld zur Verfügung gestellt worden sei. «Ich glaube, es liegt schon längst nicht mehr am Geld.» Es müsse sichergestellt werden, dass mit finanzieller Hilfe des Bundes die Länder und Gemeinden dafür sorgten, dass alle Schulen an das Netz angebunden seien.

Mieten

Scholz und Baerbock sprachen sich dafür aus, Schranken gegen steigende Mieten zu errichten. Es müsse auf Bundesebene ermöglicht werden, für Städte mit explodierenden Mieten Obergrenzen einzuziehen, sagte Baerbock. Scholz erläuterte, neben dem Bau von 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr strebe die SPD ein «Mietmoratorium» an, damit bei Neuvermietungen Mieten nicht mehr so stark steigen könnten. Laschet legte den Fokus auf Anreize für Investitionen in zusätzliche Wohnungen. Nötig sei «mehr und schnelleres Bauen». Dazu müsse man zum Beispiel die Bauordnung vereinfachen.

Krankenversicherung

Scholz und Baerbock zogen bei Plänen für eine Bürgerversicherung an einem Strang. Die Einführung einer solchen Versicherung, in die alle einzahlen, sei für ihn «eine Herzensangelegenheit schon seit langer Zeit», sagte Scholz. Besonders im Bereich der Pflege werde deutlich, dass eine solche Versicherung Sinn habe. Auf die Nachfrage, ob er als Kanzler eine Bürgerversicherung zur Bedingung für eine Koalition machen werde, sagte Scholz: «Alles, was in meinem Wahlprogramm steht, ist eine Bedingung. Und dann gucken wir mal, wie weit wir kommen.»

Baerbock betonte: «Ja, ich will den Weg zu einer Bürgerversicherung gehen, die bedeutet, dass viel mehr Menschen einzahlen.» Der erste Schritt sei, «dafür zu sorgen, dass Menschen, die jetzt privat versichert sind, in die Gesetzliche wechseln können.»

Laschet konterte, er lehne eine Bürgerversicherung ab. «Hier unterscheiden wir uns fundamental.» Ihn wundere, dass Scholz als Finanzminister angesichts der Erfahrungen in Europa einen solchen Vorschlag mache. Die Einheitsversicherung habe in Dänemark oder Großbritannien ein schlechteres Gesundheitssystem zur Folge.

Rente

Die Zukunft der Rente war ebenfalls umstritten. Scholz sagte, man müsse jungen Leuten die Garantie geben werden, dass das Renteneintrittsalter und das Rentenniveau stabil blieben. Zugleich müsse man bei der Beschäftigung von Frauen vorankommen. Dies sei gut auch für die Finanzierung der Rente.

Laschet nannte die Garantie-Aussagen von Scholz nicht seriös. Man könne nicht Menschen, die heute ins Berufsleben starten, sagen, es werde alles so bleiben. Es werde parteiübergreifend über die Zukunft der Rente zu reden sein. So müsse bei der betriebliche Altersvorsorge ein besseres System gefunden werden, die Riester-Rente sei nicht effektiv und attraktiv.

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sprach sich für mehr Fachkräftezuwanderung und einen gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro aus. Außerdem müssten mehr Frauen in Vollzeit arbeiten können, es gebe aber bisher zu wenig Ganztagsangebote für Kinder.

Koalitionsfrage

Laschet schloss eine Juniorrolle der Union in einer SPD-geführten Bundesregierung nicht generell aus. «Demokraten untereinander müssen nach der Wahl miteinander reden», sagte er. Zugleich betonte er: «Wir kämpfen um Platz 1.» Laschet wich der Frage aber insgesamt aus. Man sei momentan nicht bei der Regierungsbildung, sondern «beim Werben um den richtigen Weg für unser Land».

Scholz legte sich erneut nicht eindeutig fest, ob er eine Koalition zusammen mit der Linken ausschließt. Er betonte aber: «Wer in Deutschland regieren will, muss klare Positionen haben, er muss sich bekennen zur transatlantischen Zusammenarbeit, er muss klar sagen, dass die Nato für unsere Sicherheit unverzichtbar ist, und dass wir unsere Verpflichtungen im Bündnis erfüllen müssen. Er muss sich klar zu einer starken, souveränen Europäischen Union bekennen.»

Baerbock betonte, sie kämpfe mit aller Kraft für einen Aufbruch in Deutschland. «Das geht nur mit Grünen in führender Rolle.» Sie sagte ebenfalls, nach der Wahl müssten alle demokratischen Parteien miteinander reden. Dabei schloss sie die Linke mit ein. Sie warnte vor einer Gleichsetzung der Linken mit der AfD. Das sei «brandgefährlich».

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