HOCHSEEWINDPARKS

Nabu kritisiert: „Nordsee wird zum Industriepark“

Nabu kritisiert: „Nordsee wird zum Industriepark“

Nabu kritisiert: „Nordsee wird zum Industriepark“

Henning Baethge/shz.de
Berlin/Sylt
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Der Windpark Nordsee Ost vor Helgoland: Nach Ender der Laufzeit 2040 dürfen die Rotoren durch neue ersetzt werden – obwohl sie in Schutzzonen für Seetaucher und Schweinswale stehen. Foto: dpa

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Die Bundesregierung will mit ihren neuen Plänen für die Meereswindkraft auch in Naturschutzgebiete vordringen – Umweltfreunde sind empört und schlagen eine Alternative vor.

Die Bundesregierung will deutlich mehr Gebiete in Nord- und Ostsee mit Meereswindparks bebauen lassen als bisher geplant – und macht dabei auch vor Naturschutzflächen nicht halt. Das geht aus dem überarbeiteten Entwurf des neuen Raumordnungsplan für die Nord- und Ostsee hervor, den das Hamburger Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) jetzt gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium veröffentlicht hat. Der Naturschutzbund Nabu reagiert empört und spricht von einem „Affront“. 

Bis 2040 sollen 40 Gigawatt auf Nord- und Ostsee installiert sein 

 

 

Grund für den höheren Flächenbedarf für Hochseewindparks ist zum einen das verschärfte Klimaschutzziel der großen Koalition: Schon 2045 statt erst 2050 soll Deutschland ein CO2-neutrales Land sein. Dazu ist mehr Windkraft nötig. Zum anderen ist schon das bisherige gesetzliche Ausbauziel für die Offshore-Windenergie von 40 Gigawatt installierter Leistung bis 2040 nicht ohne neue Flächen zu erreichen. Derzeit liegt die Marke bei rund 8 Gigawatt. 

 

 

Laut dem BSH-Entwurf will die Groko daher künftig unter anderem im Bereich der „Doggerbank“ Windparks errichten lassen. Die Doggerbank ist die größte Sandbank der Nordsee, stellenweise nur 13 Meter unter dem Meer gelegen, und erstreckt sich von der britischen Nordsee über die niederländische und den äußersten Nordwesten der Deutschen Bucht bis nach Dänemark. In der deutschen Nordsee ist sie eines von drei Naturschutzgebieten, weil sie wichtig ist für die Nahrungssuche von Schweinswalen, Zwergwalen, Delfinen und auch fischfressenden Seevögeln. 

Im Naturschutzgebiet „Doggerbank“ sollen Windräder gebaut werden 

Geht es nach dem Willen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, sollen sich dort künftig aber außerdem Windräder drehen. „Aufgrund der zunehmenden Flächenknappheit sind im Rahmen der Umweltprüfung Teile des Naturschutzgebietes Doggerbank auf seine Vereinbarkeit mit der Windenergie auf See zu untersuchen“, fordert das Ressort des CDU-Ministers und stößt beim BSH auf offene Ohren. „Die Doggerbank ist für die Windenergienutzung gut geeignet und soll ein zusätzliches Potential von vier bis sechs Gigawatt liefern, wenn dies naturverträglich möglich ist“, heißt es im Entwurf für den Raumordnungsplan. 

Windparks vor der Westküste dürfen ab 2040 durch neue ersetzt werden 

Zudem soll der Bund neue Windräder direkt an das Vogelschutzgebiet für Seetaucher vor Sylt heranbauen dürfen – ohne den bisher geplanten Sicherheitsabstand. Auch können fast alle sieben Windparks vor Schleswig-Holsteins Westküste außer dem im Naturschutzgebiet „Östliche Deutsche Bucht“ liegenden Park „Butendiek“ nun doch nach dem Ende ihrer Laufzeit ab 2040 durch neue ersetzt werden – obwohl sie in Schutzzonen, sogenannten Vorbehaltsgebieten für Seetaucher und Schweinswale liegen. 

 

Das ist ein Affront gegen den Naturschutz.

Kim Detloff, Nabu-Meeresexperte

 

Was der Offshore-Windpark-Verband BWO erwartungsgemäß „begrüßt“, stößt beim Naturschutzbund Nabu auf Entsetzen. „Deutschland ist dabei, die Nordsee zum Industriepark zu machen“, kritisiert Nabu-Meeresexperte Kim Detloff. Mit der Öffnung der Doggerbank für die Windkraft werde „eine rote Linie überschritten“, warnt er und wettert: „Das ist ein Affront gegen den Naturschutz.“ Wale und Seevögel drohten aus ihren Schutzgebieten vertrieben zu werden. Detloff fordert daher, dass zusätzliche Flächen für Offshore-Windparks nicht auf Kosten von Naturschutzgebieten gehen dürften. Statt dessen müsse es vielmehr Abstriche bei der Fischerei, dem Kies- und Sandabbau oder der Schifffahrt geben. 

Auch zwei Schifffahrtsrouten sollen wegfallen 

Genau das ist auch auf je einer Schiffsroute in Nord- und Ostsee geplant: Dort sollen ebenfalls neue Windkraftgebiete entstehen – es sei denn, dass Verkehrsministerium weist bis Ende 2025 nach, dass die Routen unentbehrlich sind.

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