Norderfriedrichskoog

Millionen-Steuerrückzahlung belastet frühere Steueroase

Millionen-Steuerrückzahlung belastet frühere Steueroase

Millionen-Steuerrückzahlung belastet frühere Steueroase

Helmuth Möller/shz.de
Norderfriedrichskoog
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Schatten der Vergangenheit: Zahlreiche Firmen hatten einmal einen Sitz oder eine Niederlassung in Norderfriedrichskoog. Foto: Volkert Bandixen

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Norderfriedrichskoog hat gerade mal 40 Einwohner. Oder 48? In der Gemeindeversammlung ging es jedenfalls um Millionen. Es geht um 3,05 Millionen Euro Gewerbesteuerrückzahlung – dazu kommen 1,774 Millionen Euro an Zinsen.

Es gibt gravierende Differenzen: 40 Einwohner zählt die Gemeinde Norderfriedrichskoog laut Statistikamt Nord, 48 hingegen nach den Unterlagen des Meldeamtes Eiderstedt. Interessant ist dies unter anderem bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen, die die Gemeinde vom Land bekommt. „Und in diesem Fall zählt dafür die Statistik des Landesamtes – also die Zahl 40“, machte Petra Jacobs vom Amt Eiderstedt in der Gemeindeversammlung deutlich. 

 

 

Bei Gemeinden unter 50 Einwohnern ist kraft Wohnsitz jeder anwesende Einwohner stimmberechtigt Einwohner Helge Wittmaack, der erstmals an einer Norderfriedrichskooger Gemeindeversammlung teilnahm, schlug vor, über die Einführung einer Zweitwohnungssteuer zu beraten. 

Dazu merkte die Amtsvertreterin gleich an: „Zahlreiche Leute haben sich an ihrem Zweitwohnsitz als Erstwohnsitz angemeldet, weil sie während der Corona-Zeit ja sonst nicht hätten herkommen dürfen.“ Bürgermeister Jann-Henning Dircks schlug vor: „Das nehmen wir mit auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung.“ 

Finanzamt macht Gemeinde Strich durch die Rechnung 

Weitaus größer sind die finanziellen Sorgen, die die millionenschwere Steuerrückzahlung an eine Firma, die 2010/2011 in Norderfriedrichskoog angemeldet war, verursacht. Die Gemeinde galt seinerzeit als Steueroase wegen ihres sehr niedrigen Gewerbesteuersatz. Nun erweist sich das als Nachteil. 

Die Firma aus Süddeutschland hatte für 2010 Gewerbesteuern in Höhe von rund 3,76 Millionen Euro gezahlt und dagegen Einspruch erhoben. Das Finanzamt hat die Steuer dann auf tatsächlich 56.000 Euro festgesetzt. Für 2010 wird also eine Rückzahlung von gut 3,70 Millionen Euro fällig – zuzüglich 642.999 Euro Zinsen. Norderfriedrichskoog muss also gut 4,34 Millionen Euro zurückzahlen. 

 

4.585.441 Euro an Firma in Süddeutschland erstattet 

Für 2011 war die Steuer des süddeutschen Unternehmens auf rund 241.700 Euro festgesetzt und nach Einspruch vom Finanzamt auf 33.576 Euro ermäßigt worden. Für 2011 muss Norderfriedrichskoog die Differenz von 208.207 Euro plus 30.263 Euro Zinsen zahlen. Für beide Jahre zusammen musste die Gemeinde insgesamt rund 4,585 Millionen Euro zurückzahlen. Diese Summe wurde am 19. März an die Firma erstattet. 

Das wiederum hat zur Folge, dass in Norderfriedrichskoog der Haushaltsansatz für die Gewerbesteuer mit minus 3,05 Millionen Euro angesetzt werden muss, und daher der Ergebnisplan einen Fehlbedarf von 5,09 Millionen Euro ausweisen würde. 

Rücklagen für Erstattung reichen nicht aus 

Beim Ausgleich des Fehlbedarfs hilft der Gemeinde ihre Finanzausgleichs-Rückstellung, die 2016 angelegt worden war. Der Bestand belief sich am 31. Dezember 2019 auf gut 2,482 Millionen Euro. Durch Gegenrechnung dieses Betrags könnte sich der Fehlbedarf von 5,09 auf rund 2,598 Millionen Euro reduzieren. 

Aber auch die bei der Gemeinde und beim Kreis geführten Sonderrücklagen für Norderfriedrichskoog reichen nicht aus, den Fehlbetrag in 2021 zu decken. Er wird daher nach 2022 vorgetragen und mit dem voraussichtlich positiven Ergebnis dann ausgeglichen. Die Haushaltssatzung 2021 wurde „schweren Herzens“ mit zehn Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen beschlossen. 

 

Bis 2003 hatten sich wegen der bestehenden Gewerbesteuerfreiheit in Norderfriedrichskoog zahlreiche Firmen aus dem ganzen Bundesgebiet niedergelassen. Diese waren zum Teil auch noch da, als die Gemeinde gezwungen wurde, einen Hebesatz von 200 Prozent einzuführen. 2011 musste die Gewerbesteuer dann auf 310 Prozent angehoben werden, ab 2017 auf 336 Prozent.

 

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