Landesparteitag in Büdelsdorf

Personalquerelen zerreißen die Nord-AfD

Personalquerelen zerreißen die Nord-AfD

Personalquerelen zerreißen die Nord-AfD

Dieter Schulz/shz.de
Büdelsdorf
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Gereon Bollmann
Gereon Bollmann (AfD) spricht beim Landesparteitag der AfD in Büdelsdorf. Foto: Axel Heimken/dpa

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Die Nord-AfD wird den langen Schatten der ehemaligen Landesvorsitzenden Doris von Sayn-Wittgenstein nicht los. Am Sonnabend scheiterte die Wahl eines Nachfolgers nach erbitterten Lagerkämpfen.

Die Nord-AfD wird den langen Schatten der ehemaligen Landesvorsitzenden Doris von Sayn-Wittgenstein nicht los. Am Sonnabend scheiterte die Wahl eines Nachfolgers nach erbitterten Lagerkämpfen, daraufhin wurde der Landesparteitag in Büdelsdorf abgebrochen. Am Sonntag soll an selber Stelle die Landesliste für die Bundestagswahl aufgestellt werden – ob dies gelingt, ist nach dem gestrigen Desaster völlig offen. Zu unversöhnlich stehen sich die Lager gegenüber.

Landesverband zerfällt

Die AfD in Schleswig-Holstein ist seit Jahren tief gespalten. Spätestens seit dem Ausschuss von Sayn-Wittgenstein zunächst aus der Landtagsfraktion (Dezember 2018) und dann aus der Partei (August 2019) stehen sich der völkisch-nationale Flügel und die Gemäßigten um Bundeschef Jörg Meuthen und den Chef der AfD im Landtag, Jörg Nobis, unversöhnlich gegenüber. Jetzt spalteten sich die Völkisch-Nationalen noch einmal auf.

Eine Gruppe von Parteimitgliedern aus Pinneberg, Flensburg und Dithmarschen, die sich um den Kreischef Flensburg-Schleswig, Jan Petersen-Brendel, scharrt, setzt weiter auf Doris von Sayn-Wittgenstein. Ihr Bestreben scheint es, das Amt des Landesvorsitzenden solange freizuhalten, bis die Klage von Sayn-Wittgenstein gegen den Parteiausschluss erfolgreich ist, die 66-Jährige wieder an die Spitze des Landesverbandes zurückkehren kann. Ein zweite Gruppe des inzwischen offiziell aufgelösten Flügels um den Landtagsabgeordneten Volker Schnurrbusch wollte dagegen den früheren Richter am Oberlandesgericht, Gedeon Bollmann, als neuen Landesvorsitzenden durchsetzen. Dieser war pikanterweise Vorsitzender jenes Landesschiedsgerichtes, das in erster Instanz den Parteiausschluss von Sayn-Wittgenstein verwarf.

Neuwahl verhindert

Nach Satzung der AfD benötigt ein Kandidat bei einer Einzelwahl die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen, also 50 Prozent plus 1. Im ersten Wahlversuch kandierten Bollmann und der Lübecker Ratsherr David Jenniches. Jürgen Orlok, der wie schon vor zwei Jahren erst auf dem Parteitag seine Kandidatur verkündete, spielte keine Rolle. Er erhielt im ersten Wahlgang nur drei Stimmen. In der Stichwahl setzte sich Bollmann gegen Jenniches durch, verfehlte aber auf Grund der Nein-Stimmen gegen beide Kandidaten aus dem Petersen-Brendel-Lager die notwendige absolute Mehrheit.

 

Nach der gescheiterten Wahl scheiterten mehrere Anträge die Wahl des Landesvorsitzenden zu verschieben oder das Amt unbesetzt zu lassen. Nach hitziger Debatten einigte sich der Parteitag auf einen zweiten Wahlversuch. Zu diesem trat neben Bollmann, Jenniches und Orlock überraschend auch der bisherige Landesvize Joachim Schneider an. Der hatte im Vorfeld eigentlich seiner Verzicht auf eine erneute Kandidatur erklärt, präsentierte sich nun aber als Kompromiss-Kandidat. Schneider erklärte, das Amt nur für sechs Monate ausüben zu wollen und nach der Bundestagswahl eine Neuwahl anzusetzen. Allerdings scheiterte er genau wie Orlock im ersten Wahlgang, so dass es erneut zu einer Stichwahl zwischen Bollmann und Jenniches kam. Doch auch in dieser erreichte keiner der beiden die absolute Mehrheit.

Fatales Signal

Nachdem auch der zweite Wahlversuch gescheitert war, entschieden sich die Teilnehmer den Wahlparteitag abzubrechen. Bollmann sprach hinterher von „einem deutlichen Signal“, dass es die Partei nicht geschafft habe, nach dem Ausschluss von Sayn-Wittgenstein zur Einigkeit zurückzufinden. Damals geschlagene Wunden seien noch nicht verheilt. Für ihn sei die Spaltung durch den gestrigen Tag zunächst zementiert worden, bilanzierte Bollmann direkt nach Abbruch des Parteitages.

Für das Auflösen der Lage hätte es eines funktionierende Landesvorstandes bedurften. Ob er für die Liste zur Bundestagswahl kandidieren werden, darüber müsse er erst eine Nacht schlafen, erklärte der Ex-Richter. Auch Jörg Nobis sprach nach der gescheiterten Vorstandswahl von einem „fatalen Signal“ an die Wähler.

Landesverband in der Krise

Vor den Wahlgängen hatten die Parteitagsmitglieder in einer zum Teil von persönlichen Angriffen geprägten Debatte über Parteifinanzen, Entschädigungen für Parteiarbeit und Zahlungen von Mandatsträgern an die Partei gestritten. Der Landesverband schrumpfte in den letzten beiden Jahren von knapp 1200 Mitgliedern auf zurzeit unter 900.

Als Ursache nannte Schneider in seinem Rechenschaftsbericht zahlreiche Parteiausschlüsse auf Grund nicht gezahlter Beiträge (rund 150) sowie Austritte. Prominentestes Beispiel war der frühere AfD-Landtagsabgeordnete Frank Brodehl, nach dessen Parteiaustritt im September 2020 die AfD im Landtag ihren Fraktionsstatus verlor. Brodehl ist inzwischen zu den Liberal-Konservativen Reformer (LKR) des ehemaligen AfD-Bundessprechers Bernd Lucke übergetreten.

Über allem schwebt die „Fürstin“

Am Sonntag will die Nord-AfD die Landesliste zur Bundestagswahl aufstellen. Auf Platz 1 kandidiert der bisherige Bundestagsabgeordnete Bruno Hollnagel. Der zweite Bundestagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein, Axel Gehrke, dagegen tritt nicht wieder an. Ambitionen auf einen sicheren Listenplatz werden auch Uwe Witt nachgesagt. Das frühere Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landesschiedsgerichtes zog später nach Nordrhein-Westfalen und über die dortige Landesliste in den Bundestag ein.

Heute lebt der 79-Jährige Mediziner wieder in Schleswig-Holstein. Erwartet wird, dass auch von Sayn-Wittgenstein heute in Büdelsdorf erscheint. Die 66-Jährige kann trotz ihres ungeklärten Parteistatus auf die Liste gewählt werden, da auch Nichtmitglieder nominiert werden können. Allerdings scheint es nach dem gestrigen Fisako völlig unklar, ob die gegenseitige Blockade der drei Lager aufgebrochen werden kann. Sicher ist nur, zurzeit macht die Nord-AfD mehr durch Personalquerelen von sich reden, als denn durch Politik.

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