WAHLKAMPF AUF AMRUM UND FÖHR

Habeck: „Antwortlosigkeit zu wählen, halte ich für fahrlässig“

Habeck: „Antwortlosigkeit zu wählen, halte ich für fahrlässig“

Habeck: „Antwortlosigkeit zu wählen, halte ich für fahrlässi

Anna Goldbach/shz.de
Sylt/Amrum/Föhr
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Für Robert Habeck startete der Tag auf Sylt, führte ihn nach Amrum und Föhr und von da aus zurück aufs Festland. Foto: Petra Kölschbach

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Im Rahmen seiner Küstentour durch Schleswig-Holstein besuchte Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen, am Dienstag Amrum und Föhr. Shz.de begleitete ihn.

An der Sylter Redaktion sei er heute morgen schon vorbei gejoggt, erzählt Rober Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen, als ich mich ihm am Dienstagvormittag am Hörnumer Hafen auf Sylt vorstelle. Braun gebrannt ist er, hat die Sportklamotten mittlerweile gegen schwarze Hosen und ein dunkelblaues Hemd eingetauscht, schnackt freundlich drauf los, will wissen wo ich herkomme. „Na das ist aber doch mal eine Verbesserung der Lebensqualität“, lobt er lachend als er von meinem Umzug aus Hessen nach Schleswig-Holstein hört. Recht hat er. 

 

 

Kurz bevor unsere Fähre in den Hafen einläuft, kommt eine Frau auf Habeck zu, fragt nach einem Selfie. Klar macht er eines – plötzlich hört man von ihr die Worte „Kanzlerkandidat“. Der Politiker fasst sich ans Ohr, nimmt Abstand. Da müsse er etwas im Ohr gehabt haben, das habe er nicht verstanden, sagt er charmant an die Dame gewandt. Was genau die Frau gesagt hat, war nicht zu verstehen. Auch auf Nachfrage seines Presseteams winkt er nur ab.

 

Auf der Adler-Express trat Robert Habeck am Dienstag um 12 seine Reise von Hörnum auf Sylt nach Wittdün auf Amrum an. Foto: Anna Goldbach

Es wird nicht das einzige Mal an diesem Tag sein, dass Habeck auf den Kanzlerposten angesprochen wird. Die Zuhörer-Frage auf Amrum „Bleibt Annalena Baerbock unsere Kanzlerkandidatin“ ist jedenfalls schnell mit einem knappen „Ja“ beantwortet. Wie oft Habeck, den viele lieber als Kanzlerkandidaten für die Grünen gesehen hätten, wohl an Tagen wie diesen auf seine Kollegin angesprochen wird? „Mehr als null mal, aber auch nicht so, dass es alles dominiert“, schätzt er. Er verstehe aber auch, dass die Menschen umgetrieben würden von der Frage – „von meiner Seite aus ist dazu aber alles gesagt.“ 

 

„Ich wollte dir übrigens nur mal sagen, dass Joe Laschet dich für einen der bestgekleidetsten Politiker hält“, heißt es plötzlich in der Runde um den Grünen-Politiker kurz vor betreten des Schiffes, das uns nach Amrum bringen soll. „Echt?“, entgegnet Habeck lachend. „Ich bekomme immer nur zu hören, dass ich mir neue Hemden kaufen soll.“ Vermutlich ist es das, was den Politiker für viele so sympathisch macht. Robert Habeck wirkt authentisch.

Ständig ist er umgeben von Journalisten, später auch von Fernsehteams, ständig wollen die Leute etwas von ihm. Das muss doch nerven, denke ich. Doch Habeck nimmt's locker: „Ganz ehrlich, das fühlt sich nicht wie Stress an sondern wie nachhause kommen“, sagt er. „Aber das liegt daran, dass es Schleswig-Holstein ist und mit den Inseln und der Westküste ein Bereich, der mir vertraut und ans Herz gewachsen ist.“ Hier treffe er alte Bekannte oder Parteifreunde, die er lange nicht gesehen hat. „Ich nehme das als intensive Zeit wahr, die für die Menschen hoffentlich genauso erlebbar ist.“

Wer Habeck in Norddorf zuhören wollte, musste sich per Luca-App anmelden und dem Hygiene-Konzept folgen. Foto: Anna Goldbach

Ich habe beobachtet, wie Habeck bei der Veranstaltung in Norddorf auf Amrum im Schneidersitz im Publikum saß, mit den Händen durchs Gras fahrend, im Gespräch mit Amrumern. „Endlich geht es los und Du kannst was tun und die Menschen hören dir zu“, sagt er. So auch die Erfahrung bei den Veranstaltungen auf Sylt, Amrum und Föhr. Es ist ein Heimspiel für Robert Habeck, die Leute, ob Gäste oder Einheimische, hängen an seinen Lippen, wenn er über die Corona-Politik, über Verantwortung gegenüber der Umwelt, Meeresschutz oder dem Einfluss sozialer Medien spricht oder von dem „trostlosen zerstörerischen Moment“ berichtet, als 2016 an der Küste Schleswig-Holsteins 13 Pottwale strandeten. 

 

„Du musst die Leute auch nicht für dumm verkaufen und sagen: Wählen Sie die Grünen, Wählen Sie die Grünen“, sagt Habeck dann. Er genieße es viel mehr, zu erzählen, wie er auf die Dinge, Gesellschaft und Herausforderungen schaue, verzichte darauf zu erzählen, warum sein Laden der Tollste sei. Einerseits verständlich – dennoch ist er hier um Wahlkampf zu machen. Also will ich es in seinen Worten hören: Warum sollte man die Grünen wählen? „Man sollte eine Partei wählen, die sich auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet hat, die bereit ist, die Konsequenzen zu ziehen – das beginnt vor allem bei der Klima- und Umweltpolitik, endet da aber bei weitem nicht.“ 

Es gehe weiter bis zur Finanz- und Sozialpolitik und darum, eine Gesellschaft, die sich im Wandel befindet, Sicherheit zu geben. „Ich bin nicht mehr bereit geduldig zu sein, wenn es darum geht für Antworten kritisiert zu werden, während man selbst keine gibt.“ Sein Appell: Eine Partei zu wählen, die Antworten hat. „Wenn es unsere ist, dann freue ich mich. Wenns eine andere ist, bitte. Aber Antwortlosigkeit zu wählen halte ich für fahrlässig.“

Auf Föhr fand die Veranstaltung am Wyker Sandwall vor dem Musikpavillon statt. Hier gab es einen abgesperrten Bereich mit Abstands- und Hygieneregeln. Vor der Absperrung drängten sich Hunderte dicht an dicht. Foto: Petra Kölschbach

Auf der Fahrt von Amrum nach Föhr hat Habeck dann Zeit für mich, wie er lächelnd mitteilt. Geduldig beantwortet er meine Fragen, lässt sich fotografieren, filmen. Ob ich ihm noch eine Frage stellen dürfe, nur so aus Interesse? Klar, sagt er, antwortet mir dann, ehrlich lachend mit leuchtenden Augen, wirkt dabei noch entspannter als zuvor, ganz so als müsse er nicht jedes Wort, das er sagt, auf die Goldwaage legen. 

Welche Insel ihm am besten gefällt, habe ich ihn übrigens gefragt. Die Antwort bleibt aber unter uns. 

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